VwGH 2011/22/0284

VwGH2011/22/02849.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der LR, vertreten durch die Dr. Michael Göbel Rechtsanwalts GmbH in 1080 Wien, Florianigasse 19/7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. September 2011, Zl. 153.603/18-III/4/11, betreffend Aussetzung gemäß § 38 AVG des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
NAG 2005 §47 Abs2;
AVG §38;
NAG 2005 §47 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) das bei ihr anhängige Verfahren über den Antrag der Beschwerdeführerin, einer philippinischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-256/11 aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 6. August 2008 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" (gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) eingebracht und diesen Antrag mit der Familienzusammenführung mit ihrem die österreichischen Staatsbürgerschaft besitzenden Ehemann begründet.

Der Antrag sei in erster Instanz mit Bescheid vom 16. Februar 2009 gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG wegen Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel abgewiesen worden. Im ersten Rechtsgang sei die dagegen gerichtete Berufung von der belangten Behörde mit Bescheid vom 3. Juni 2009 aus demselben Grund abgewiesen worden. Auf Grund der Behebung dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2009/22/0202, sei das Verfahren wieder im Stadium der Berufung anhängig.

Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 5. Mai 2011, EU 2011/0004-0008, diverse (im angefochtenen Bescheid näher wiedergegebene) Fragen an den EuGH gerichtet und so ein Verfahren zur Vorabentscheidung eingeleitet. Dieses Verfahren sei beim EuGH unter der Zahl C-256/11 anhängig.

Die Beantwortung der vom Verwaltungsgerichtshof dem EuGH vorgelegten Fragen habe für die Beurteilung des gegenständlichen Falles insofern Auswirkungen, als auch im vorliegenden Fall ein auf Unionsrecht gegründetes Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin bestehen könnte. Darüber hinaus sei die Antwort des EuGH auch hinsichtlich der für eine allfällige Antragsversagung relevanten Kriterien von Bedeutung. Da die in der Vorabentscheidung vom EuGH gegebenen Antworten jedenfalls auch von der belangten Behörde zu beachten sein würden, sei das hier gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

§ 38 AVG lautet:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheides die Aussetzung des über den Antrag der Beschwerdeführerin eingeleiteten Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels ist. Demgemäß ist der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Beschwerdeverfahren darauf beschränkt zu prüfen, ob die Behörde insoweit rechtmäßig gehandelt hat. Das Beschwerdevorbringen, mit dem die Beschwerdeführerin die Ansicht vertritt, es lägen die Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels vor, geht somit ins Leere. Damit verkennt die Beschwerdeführerin nämlich die nach § 38 AVG zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen.

Anders als die Beschwerdeführerin meint, ist die gegenständliche Aussetzung aber auch nicht schon deswegen rechtswidrig, weil ihrer Ansicht nach die vom NAG geforderten materiellen Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels gegeben wären.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass den Antworten des EuGH die im angefochtenen Bescheid angeführte Bedeutung für das Verfahren der Beschwerdeführerin beizumessen sei, stellt sich als unbedenklich dar.

Dass aber mit Blick auf die im hg. Vorabentscheidungsersuchen vom 5. Mai 2011, EU 2011/0004 bis 0008, enthaltenen Vorlagefragen die Aussetzung nach § 38 AVG dem Gesetz entspricht, steht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Vornahme einer Aussetzung im Fall von beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren im Einklang (vgl. die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 38, Rz 17 ff, dargestellte hg. Rechtsprechung; vgl. des Näheren auch die hg. Beschlüsse vom 26. April 2011, 2011/03/0015, und vom 9. Dezember 2010, 2009/09/0260).

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. November 2011

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