VwGH 2011/22/0138

VwGH2011/22/013822.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des P, der L, der A, und der AP, alle in S, vertreten durch Helmut Kunz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dinghoferstraße 5, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 8. April 2011, Zlen. 319.006/5-III/4/10, 319.006/6-III/4/11, 319.006/7-III/4/11 und 319.006/8-III/4/11, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien, einer kosovarischen Familie, gegen die erstinstanzlichen Bescheide, mit denen ihre Anträge vom 23. Februar 2009 auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen zurückgewiesen worden waren, gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde in den annähernd gleichlautenden Bescheiden im Wesentlichen darauf, dass die beschwerdeführenden Parteien am 5. August 2002 illegal eingereist seien und am selben Tag Asylanträge gestellt hätten. Diese seien letztinstanzlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. August 2006 abgewiesen worden. Folgeanträge vom 25. Jänner 2007 seien mit Bescheid vom 25. April 2008 "negativ finalisiert" worden und es sei gleichzeitig die Ausweisung ausgesprochen worden. Die dagegen erhobenen Berufungen seien mit Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates (lt. Beschwerde vom 13. Juni 2008) abgewiesen worden.

Die beschwerdeführenden Parteien hätten am 23. Februar 2009 die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von humanitären Aufenthaltstiteln nach § 43 Abs. 2 NAG gestellt. In diesen Anträgen hätten die beschwerdeführenden Parteien auf die gute Integration der Familie und die Arbeitsplatzzusage zu Gunsten des Erstbeschwerdeführers verwiesen.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG seien Anträge nach § 43 Abs. 2 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblicher (gemeint: maßgeblich geänderter) Sachverhalt nicht hervorkomme.

Aus dem Berufungsschreiben vom 4. Juni 2010 gehe keine maßgebliche Änderung des zu Grunde liegenden Sachverhalts seit Erlassung der Ausweisung hervor. Die Beschwerdeführer würden lediglich den langjährigen Aufenthalt, den Schulbesuch der Kinder sowie den bestandenen Deutschkurs auf dem Niveau A2 geltend machen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich habe mit Schreiben vom 29. März 2010 mitgeteilt, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen im Sinn des Art. 8 EMRK zulässig seien. Andere Gründe als jene, die bereits in der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gewürdigt worden seien, hätten die Beschwerdeführer in der Berufung vom 4. Juni 2010 nicht geltend gemacht. Auf Grund des vorgelegten Sprachdiploms sei zwar ein gewisser Integrationswille erkennbar, jedoch sei der Integrationsschritt zu einem Zeitpunkt gesetzt worden, in dem sich die Beschwerdeführer ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen seien.

Somit sei die Zurückweisung der gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen durch die erstinstanzliche Behörde rechtskonform erfolgt. Aus dem Antragsvorbringen sei im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass der angefochtene Bescheid anhand der Rechtslage vor dem FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, zu überprüfen ist und sich nachfolgende Gesetzeszitate auf diese frühere Fassung beziehen.

§ 44b NAG lautet:

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß

§§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005, § 66 FPG) unzulässig ist, oder

3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Sicherheitsdirektion von einem Antrag gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob eine Ausweisung auf Dauer oder bloß vorübergehend unzulässig ist, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. § 25 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(3) Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Ebenso stehen sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und können daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten. Verfahren gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 gelten über die Fälle des § 25 Abs. 2 hinaus als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

(4) Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Zur strittigen Frage, ob Gründe geltend gemacht wurden, die eine maßgebliche Änderung des der Ausweisung zu Grunde liegenden Sachverhaltes im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG bewirkt haben, bringen die beschwerdeführenden Parteien lediglich vor, dass der Erstbeschwerdeführer eine Prüfung zum Sprachdiplom bestanden habe und nunmehr einen Dienstvorvertrag als Nachweis für die Selbsterhaltungsfähigkeit vorlegen habe können.

Angesichts des fallbezogen maßgeblichen Zeitablaufs von etwa zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem gegenständlichen Zurückweisungsbeschluss der ersten Instanz erweist sich die behördliche Ansicht als nicht rechtswidrig, dass noch keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts eingetreten ist, die nunmehr in vergleichender Betrachtung der bereits ausgesprochenen Ausweisung zu einer Unzulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. der Versagung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK führen kann. Dieser relativ geringe zeitliche Abstand lässt es nämlich zu, eine allein daraus ableitbare maßgebliche Änderung des Sachverhalts zu verneinen. Die weiteren vorgebrachten Umstände, nämlich die bestandene Sprachprüfung und der abgeschlossene Dienstvorvertrag, weisen nicht eine solche Bedeutung auf, dass in einer Gesamtbetrachtung eine andere Beurteilung geboten wäre.

Somit durfte die belangte Behörde die erstinstanzliche Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG bestätigen.

Entgegen der Beschwerdeansicht begründet es keine Rechtswidrigkeit, dass die erstinstanzliche Behörde - ohne dass dies vorliegend geboten gewesen wäre - eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion eingeholt hat. Auch der - im gegebenen Zusammenhang unpassende - Hinweis auf den unsicheren Aufenthaltsstatus führt nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Juli 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte