Normen
B-VG Art94;
GSpG 1989 §52 Abs2;
GSpG 1989 §53 Abs1;
StGB §168;
B-VG Art94;
GSpG 1989 §52 Abs2;
GSpG 1989 §53 Abs1;
StGB §168;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Jänner 2011 wurde zwecks Sicherung der Einziehung gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 73/2010, die Beschlagnahme von zwei am 18. Dezember 2010 von Aufsichtsorganen des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding in einem bestimmt bezeichneten Lokal in Mauerkirchen vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräten, die im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehen, behördlich angeordnet. Gleichzeitig wurde wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn über Berufung der mitbeteiligten Partei auf.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus § 50 Abs. 1 GSpG ergebe sich, dass grundsätzlich (u.a.) für die Durchführung von Strafverfahren - hiezu zählten auch Beschlagnahmen zum Zweck der Sicherung des Verfalls oder der Einziehung - im örtlichen Wirkungsbereich einer Bezirksverwaltungsbehörde diese zuständig sei. Im vorliegenden Fall seien die Kontrolle und Beschlagnahme im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn von Beamten des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding vorgenommen worden. Der bekämpfte Bescheid sei daher von der nach § 50 Abs. 1 GSpG grundsätzlich sachlich und örtlich zuständigen Behörde erlassen worden.
Die Berufungswerberin bringe vor, dass auf Grund strafgerichtlicher Zuständigkeit im vorliegenden Fall sowohl die vorläufige Beschlagnahme als auch deren erstinstanzliche Bestätigung wegen Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden rechtswidrig erfolgt sei.
Dazu sei auszuführen, dass mit der Novelle BGBl. I Nr. 73/2010 das Glücksspielwesen einem grundsätzlich neuen System unterstellt worden sei, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sogenannte "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt worden sei, wobei die diesbezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen seien. Hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" bestehe sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art. 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder, die jedoch - im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art. 12 B-VG - von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden müsse, also auch ungenutzt bleiben könne. Dies sei zum relevanten Zeitpunkt für Oberösterreich auch der Fall.
Im Besonderen gelte gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG, dass die Behörde u.a. dann die Beschlagnahme eines Glücksspielautomaten anordnen könne, wenn entweder dessen Verfall oder dessen Einziehung vorgesehen sei und der Verdacht bestehe, dass mit diesem fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen werde.
Nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG begehe u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und sei hiefür mit einer Geldstrafe bis zu EUR 22.000,-- zu bestrafen, der verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache.
Gemäß § 2 Abs. 4 GSpG seien solche Ausspielungen verboten, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt worden sei und die andererseits auch nicht im Sinne des § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen seien.
Daneben bleibe jedoch die Strafbarkeit nach § 168 StGB weiterhin bestehen. Wer gemäß § 168 Abs. 1 StGB ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhingen oder das ausdrücklich verboten sei, veranstalte oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördere, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, sei mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt werde.
Zur Abgrenzung zwischen Verwaltungsübertretung und strafrechtlichem Delikt sei übereinstimmend zwischen der Judikatur des Obersten Gerichtshofes und den Erläuternden Bemerkungen zur Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (vgl. EB zur RV 658 BlgNR XXIV. GP, 8) die Strafzuständigkeit der Verwaltungsbehörden ausschließlich bei Einsätzen pro Spiel bis zu EUR 10,-- gegeben.
Im Hinblick auf die Subsidiarität von Verwaltungsdelikten gegenüber Strafdelikten und insbesondere unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips der Gewaltentrennung (Art. 94 B-VG) seien die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes jedenfalls derart zu interpretieren, dass Verletzungen des genannten Prinzips vermieden würden.
Dies bedeute im Ergebnis, dass ein - dem Verwaltungsstrafverfahren vorgelagertes - Beschlagnahmeverfahren hinsichtlich der Zuständigkeit an dieses geknüpft sei und nicht etwa im Zuge einer strafgerichtlichen Verfolgung auf verwaltungsgerichtliche Normen gestützt werden könne.
Während der Kontrolle am 18. Dezember 2010 hätten sich für die Kontrollorgane keine Hinweise darauf ergeben, dass die maximalen Einsätze über EUR 10,-- gelegen seien, zumal auch der Lokalbetreiber diese Annahme bestätigt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei also vom Vorliegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 52 StGB auszugehen gewesen.
Diese Einschätzung habe jedoch zunächst durch den Schriftsatz der Berufungswerberin vom 23. Dezember 2010 eine Einschränkung erfahren, dies durch den Umstand, dass von den kontrollierenden Organen des Finanzamtes nicht die tatsächlich möglichen Höchsteinsätze bei den betreffenden Online-Spielen erhoben worden seien. Mangels weiterer bestärkender Erhebungserkenntnisse habe sich nunmehr die Verdachtslage dahin verändert, dass - dem "Eingeständnis" der Berufungswerberin folgend - im vorliegenden Fall ein potentieller Verstoß gegen § 168 StGB anzunehmen gewesen sei.
Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschlagnahme nicht bloß der Zeitpunkt der ursprünglich vorläufigen Beschlagnahme relevant. Es seien die danach gewonnenen Erkenntnisse für die Aufrechterhaltung der Maßnahme miteinzubeziehen. Dies gelte nun aber auch für die Beurteilung der Sach- bzw. Rechtslage im Stande des Berufungsverfahrens.
Ohne auf die weiteren Argumente in der Berufung einzugehen, sei also festzuhalten, dass im vorliegenden Fall jedenfalls ein hinreichend begründeter Verdacht für einen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes nach den Bestimmungen des GSpG (§ 52) nicht mehr vorgelegen sei. Aus der Formulierung "hinreichend begründet" sei zu schließen, dass ein Verdacht ausreichend substantiiert (und nicht in wesentlichen Punkten in Frage gestellt) bestehen müsse, um in § 53 GSpG Deckung zu finden.
Die im vorliegenden Fall auf § 53 GSpG gegründete Beschlagnahme der Glücksspielautomaten erweise sich daher als rechtswidrig. Der Berufung sei daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Gesellschaft - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit der vorliegenden Amtsbeschwerde wird zutreffend die Unrichtigkeit der Rechtsansicht der belangten Behörde geltend gemacht, ein hinreichend begründeter Verdacht auf einen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes nach den Bestimmungen des GSpG (§ 52) sei im Beschwerdefall im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht mehr vorgelegen, weil sich die Verdachtslage dahin verändert habe, dass ein potentieller Verstoß gegen § 168 StGB anzunehmen gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, bereits ausgesprochen, dass die Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG auch dann zulässig ist, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen sollte. Es ist daher - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht -
nicht entscheidungswesentlich, ob im Beschwerdefall das Tatbild des § 168 StGB verwirklicht wurde. Im genannten Erkenntnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit den von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt.
Soweit im angefochtenen Bescheid der Standpunkt vertreten wird, im Hinblick auf die Subsidiarität von Verwaltungsdelikten gegenüber gerichtlich strafbaren Delikten und insbesondere unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips der Gewaltentrennung gemäß Art. 94 B-VG könne eine Beschlagnahme im Zuge einer strafgerichtlichen Verfolgung nicht auf verwaltungsrechtliche Normen gestützt werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG klargestellt hat, dass den Verwaltungsbehörden diese Zuständigkeit auch dann zukommt, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegt (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2011 unter Berücksichtigung der maßgeblichen Novellierungen des GSpG). Eine Verletzung des Prinzips der Gewaltentrennung liegt daher gerade nicht vor, weil im Bereich der Sicherungsmaßnahmen nach dem GSpG - unabhängig von der Zuständigkeit zur Bestrafung durch Verwaltungsbehörden oder Gerichte - immer die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vorgesehen ist. Ein Rechtszug von Verwaltungsbehörden zu Gerichten ist nicht vorgesehen.
Eine Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG durch die Verwaltungsbehörden ist daher auch dann zulässig, wenn wegen der inkriminierten Handlung neben dem Verwaltungsstrafverfahren gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw. zu führen ist.
Mit der vorliegenden Amtsbeschwerde wurde daher zutreffend die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des hier angefochtenen Bescheides geltend gemacht, mit dem die Beschlagnahme mit der Begründung aufgehoben wurde, dass eine potentielle Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliege.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.
Wien, am 10. Oktober 2011
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