VwGH 2011/16/0222

VwGH2011/16/02229.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über den Antrag der V in S, vertreten durch die Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 20- 22/1/2, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Angelegenheit der Grunderwerbsteuer betreffenden hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2011/16/0172, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung vom 25. Juli 2011, Zl. 2011/16/0172-2, stellte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin die zwei Ausfertigungen des von ihr eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurück. Der Beschwerdeführerin wurde es freigestellt, einen neuen, dem Mängelbehebungsauftrag voll Rechnung tragenden Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde samt ihrer Ausfertigungen einzubringen. Ausdrücklich wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen ist und dass die zurückgestellte Beschwerde samt ihrer Ausfertigungen (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.

Weiters wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, eine weitere Ausfertigung des ursprünglichen Beschwerdeschriftsatzes für die Bundesministerin für Finanzen beizubringen.

Die Beschwerdeführerin wurde auch darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

Innerhalb offener Frist brachte die Beschwerdeführerin einen als "Bescheidbeschwerde" bezeichneten Mängelbehebungsschriftsatz vom 19. Juli 2011 ein, welcher auf seinem Deckblatt folgenden

Vermerk enthält:

"Vollmacht erteilt gem. § 8 RAO

3-fach, 1 HS

Beilagen:

Angefochtener Bescheid in Kopie

Nachweis der Gebühreneinzahlung"

Die geforderte weitere Ausfertigung des (ursprünglichen) Beschwerdeschriftsatzes wurde mit dem Mängelbehebungsschriftsatz nicht beigebracht.

Da die Beschwerdeführerin dem erteilten Mängelbehebungsauftrag somit nicht vollständig nachgekommen war, stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2011, Zl. 2011/16/0172-4, das Verfahren nach § 33 Abs. 1 VwGG iVm § 34 Abs. 2 leg. cit. ein.

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19. Oktober 2011 trägt die Beschwerdeführerin vor, ihr Vertreter sei durch ein "unvorhergesehenes und/oder unabwendbares" Ereignis an der rechtzeitigen Beibringung der geforderten weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde gehindert worden.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe den verbesserten oder ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung zur Unterfertigung erhalten und dreimal unterschrieben. Er sei sich absolut sicher, den Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung unterschrieben zu haben.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 25. November 2010, Zl. 2010/16/0267, mwN), stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den erwähnten hg. Beschluss vom 25. November 2010).

Unterfertigt ein Parteienvertreter einen Beschwerdeergänzungsschriftsatz zur Mängelbehebung, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind. Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerkes auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines - wie im Beschwerdefall - unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht aus dem Grunde der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. nochmals den erwähnten hg. Beschluss vom 25. November 2010).

Der Mängelbehebungsschriftsatz vom 19. Juli 2011 trug den eingangs geschilderten Vermerk, auf Grund dessen die Angestellten der Rechtsanwaltskanzlei keine Veranlassung gehabt hätten, weitere Unterlagen als Beilagen abzufertigen. Durch eine derartige Fassung der Beilagenverfügung wird - selbst für den Fall, dass die geforderten Beilagen (im Beschwerdefall die weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde) dem Mängelbehebungsschriftsatz bei dessen Unterfertigung angeschlossen gewesen wären - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es nachvollziehbar ist, dass das in Rede stehende Schriftstück (hier die weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde) nicht tatsächlich übersandt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in der Beilagenanordnung angeführt sind (vgl. abermals den erwähnten hg. Beschluss vom 25. November 2010).

Daher ist es dem Beschwerdevertreter als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er bei Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung darauf richtig zu stellen oder zu ergänzen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist war somit abzuweisen. Wien, am 9. November 2011

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