VwGH 2011/04/0164

VwGH2011/04/016428.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerden 1. der A und 2. der B, beide in Y, beide vertreten durch Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien,

Am Heumarkt 9/I/11, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien jeweils vom 13. Juli 2011, 1.) Zl. UVS- 04/G/24/6760/2011-3 und 2.) Zl. UVS-04/G/24/6762/2011-3, beide betreffend Übertretung der GewO 1994 (jeweils weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs3;
AVG §71;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs3;
AVG §71;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den vorliegenden Beschwerden und den diesen angeschlossenen Bescheidausfertigungen ergibt sich Folgendes:

Mit Straferkenntnissen jeweils vom 11. Mai 2011 wurde den Beschwerdeführerinnen jeweils zur Last gelegt, sie hätten es zu verantworten, dass die X Gesellschaft für allgemeine, mechanische und mechatronische Sicherheitstechnik, Schlüsseldienst, Schlüsselnotdienst mbH Tätigkeiten angeboten habe, die dem genehmigungspflichtigen reglementierten Gewerbe Elektrotechnik gemäß § 94 Z. 16 GewO 1994 vorbehalten seien. Deswegen wurde über die Beschwerdeführerinnen jeweils wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 1 iVm § 1 Abs. 4 GewO 1994 eine Geldstrafe von EUR 1.520,-- und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen 13 Stunden verhängt.

Diese Straferkenntnisse wurden am 23. Mai 2011 zugestellt, die Berufungsfrist endete am 6. Juni 2011.

Am 9. Juni 2011 brachten die Beschwerdeführerinnen jeweils Berufung gegen die genannten Straferkenntnisse ein.

Seitens der belangten Behörde wurde den Beschwerdeführerinnen jeweils mit Schreiben vom 24. Juni 2011 zur Kenntnis gebracht, dass die Berufungen als verspätet eingebracht erschienen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Mit Stellungnahme vom 12. Juli 2011 teilte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerinnen jeweils mit, diese hätten ihn mit der Verfassung der Berufung beauftragt und ihm das Straferkenntnis am 26. Mai 2011 per Telefax zukommen lassen. Jedoch sei der langjährigen und erfahrenen Mitarbeiterin des rechtsfreundlichen Vertreters ein Irrtum unterlaufen, indem der Lauf der Rechtsmittelfrist versehentlich falsch berechnet und im Fristenbuch vermerkt worden sei. Auf Grund dieses Umstandes sei die Berufungsfrist um drei Tage versäumt worden. Aus diesem Grund stellten die Beschwerdeführerinnen in dieser Stellungnahme jeweils den Antrag, die belangte Behörde "möge auf Grund der unglücklichen Umstände, welche zu dieser Fristversäumung geführt hätten, die verspätet eingebrachte Berufung als rechtzeitig zulassen".

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde jeweils die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet und der Antrag auf Zulassung der verspäteten Berufung als rechtzeitig als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei unstrittig, dass die vorliegenden Berufungen verspätet eingebracht worden seien. Auf Grund der somit eingetretenen Rechtskraft der Straferkenntnisse sei die beantragte Zulassung der Berufungen als rechtzeitig nicht möglich. Vielmehr sei es der belangten Behörde im Falle der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels verwehrt, auf das Vorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen im Wesentlichen vorgebracht wird, es sei nicht nachzuvollziehen, warum die belangte Behörde entgegen § 71 AVG ihre Entscheidung ohne Berücksichtigung der von ihr aufgetragenen Stellungnahme gefällt habe. Ein Wiedereinsetzungsantrag im klassischen Sinne wäre widersinnig gewesen, da die Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung im Glauben gewesen seien, die Rechtsmittelfrist gewahrt zu haben. Durch die Aufforderung vom 24. Juni 2011 habe die belangte Behörde den Beschwerdeführerinnen analog eines Wiedereinsetzungsantrages die Möglichkeit eingeräumt, die Gründe für die verspätete Einbringung des Rechtsmittels darzutun und hätte bei ihrer Entscheidungsfindung die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berücksichtigen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

1. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die in Z. 1 und 2 dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen gegeben sind. Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Gemäß § 71 Abs. 3 AVG hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

2. Wie die Beschwerden selbst vorbringen, haben die Beschwerdeführerinnen einen Wiedereinsetzungsantrag nach § 71 AVG nicht gestellt. Wenn die Beschwerden behaupten, ein solcher Wiedereinsetzungsantrag wäre "widersinnig" gewesen, da die Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung im Glauben gewesen seien, die Rechtsmittelfrist gewahrt zu haben, so ist darauf hinzuweisen, dass nach § 71 Abs. 3 AVG eine - wenn auch verspätet - bereits gesetzte Prozesshandlung nicht nachgeholt werden muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, Zl. 94/07/0114, mwN, und die bei Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009), 329, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Daher hätte der Umstand, dass die Berufungen bereits eingebracht worden waren, die Beschwerdeführerinnen nicht an der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages gehindert, der im gegenständlichen Fall erforderlich gewesen wäre, um die Rechtsfolgen der Verspätung zu beseitigen.

3. Darüber hinaus ist die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden. Sollte die Wiedereinsetzung später bewilligt werden, so tritt der Zurückweisungsbescheid außer Kraft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, Zlen. 2005/07/0004, 0005, mwN). Umso mehr ist die vorliegende Zurückweisung der Berufungen als verspätet nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4. Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerden erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. September 2011

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