VwGH 2010/21/0051

VwGH2010/21/005119.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Ö, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 29. Dezember 2009, Zl. 30206-353/142/1/2-2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1972 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jänner 2003 nach Österreich ein und beantragte hier Asyl. Dieser Antrag wurde letztlich (im zweiten Rechtsgang) mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24. März 2009 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen; außerdem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zulässig sei und wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Eine gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde blieb erfolglos.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 2009 wies die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (die belangte Behörde) diesen Antrag ab. Begründend führte sie aus, dass der ledige und kinderlose Beschwerdeführer, der strafrechtlich unbescholten sei, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 4 Z 1 und 2 NAG erfülle. Die Entscheidung über die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung habe (demgemäß) unter Berücksichtigung des Grades der Integration des Beschwerdeführers zu erfolgen. Das erste maßgebliche Kriterium sei die Kenntnis der deutschen Sprache. Bei seinen fremdenpolizeilichen Einvernahmen habe der Beschwerdeführer jeweils einen Dolmetscher beigezogen, seine deutschen Sprachkenntnisse hätten sich auf ein "Mindestmaß an Interaktionen" beschränkt. Aus den vorliegenden Zeugnissen sei zu entnehmen, dass er 2004 einen Deutschkurs für Anfänger und einen Deutschkurs für leicht Fortgeschrittene in der Fachsprache Gastronomie besucht habe. Erst im Rahmen des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens habe er ein Sprachzertifikat "Deutsch auf A2- Niveau" vorgelegt. Für den Spracherwerb und damit auch für den Grad der Integration seien neben Motivation auch die regelmäßigen Kontakte zu Einheimischen von Vorteil, was sich wiederum in der Teilnahme am öffentlichen Leben - Engagement in Sportvereinen, Kulturvereinen usw. - widerspiegle. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer nur das Schreiben eines "Kurdischen Volkshauses" vorgelegt, in dem bestätigt werde, dass er an kulturellen Kursen teilgenommen habe und in dem ihm Dank für seine aktiven Dienste im Mitorganisieren von verschiedenen Demonstrationen ausgesprochen worden sei. Eine wirkliche Identifikation, welche die mentale und emotionale Verbundenheit des Beschwerdeführers mit der österreichischen Gesellschaft meine, könne daraus nicht abgeleitet werden.

Die Teilnahme am Arbeitsmarkt und dadurch die Selbsterhaltungsfähigkeit gelte - so die belangte Behörde weiter - bereits als eine "Minimaldefinition" der Integration. Der Beschwerdeführer habe lt. dem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung vom 20. September 2006 bis 27. September 2006 als Arbeiter bei einem namentlich genannten Unternehmen und dann vom 5. Jänner 2008 bis 7. November 2008 sowie vom 29. Dezember 2008 bis 19. April 2009 in einem näher bezeichneten Hotelbetrieb gearbeitet. Eine Bestätigung dieses Betriebs über eine beabsichtigte Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers als Abwäscher sei vorgelegt worden. Außerdem sei ihm im Personalhaus dieses Unternehmens eine Dienstunterkunft zur Verfügung gestellt worden. Daraus lasse sich ableiten, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich lediglich ca. 14 Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit als Abwäscher nachgegangen sei, wobei es sich bei der Art der Beschäftigung um eine wenig qualifizierte handle.

Im Verfahren sei eine Patenschaftserklärung des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers vorgelegt worden, an deren Tragfähigkeit nicht gezweifelt werde. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG seien durch die Abgabe der Patenschaftserklärung erfüllt worden.

Eine stabile und existenzsichernde Beschäftigung setze zum einen gute berufliche Qualifikationen und zum anderen ausreichende Sprachkenntnisse voraus. Der Beschwerdeführer habe in seiner Heimat die Volksschule, die Hauptschule und dann das Gymnasium besucht und sei von 1993 bis 2000 als "Bankett-Kellner" in Istanbul beschäftigt gewesen. In Österreich habe er 2004 an einem Kurs für Küchenhelfer und Servicehelfer teilgenommen. Weiterreichende Qualifikationen hätten jedoch nicht ermittelt werden können. Fehlende oder ungenügende Ausbildung sei jedoch einer der Hauptrisikofaktoren für Arbeitslosigkeit, was die Behörde veranlasse, den Grad der Integration am Arbeitsmarkt als minimal einzustufen.

Im Rahmen des Asylverfahrens sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat keinerlei Bedrohung oder unmenschliche Behandlung zu befürchten habe. Im Rahmen der Gesamtaufenthaltsdauer habe der Beschwerdeführer eine eher als gering zu bezeichnende Zeitspanne als Hilfskraft gearbeitet. Er sei alleinstehend, ohne familiäre Bindung in Österreich. Zum Zeitpunkt seiner illegalen Einreise sei er bereits mehr als 30 Jahre alt gewesen, es sei daher davon auszugehen, dass er auch im Heimatland gesellschaftlich integriert gewesen sei.

Hinsichtlich der zu prüfenden Kriterien gemäß § 44 Abs. 4 NAG sei "jeweils ein minderer Grad der Integration - den jeder in dieser Lage erfüllen würde - in Österreich seitens der Behörde erkannt" worden. Es lägen auch keine Fakten vor, um den Sachverhalt als einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall beurteilen zu können, da nicht davon auszugehen sei, dass jeder "Altfall" gemäß § 44 Abs. 4 NAG als ein solcher anzusehen sei. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der vorliegende Fall ähnelt zwar jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2010/21/0522, gleichfalls einen - zum Teil ident formulierten - Bescheid der hier belangten Behörde nach § 44 Abs. 4 NAG betreffend, zugrunde lag. Einleitend ist daher zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses zu verweisen.

Wie im Fall des genannten Erkenntnisses kann sich der nunmehrige Beschwerdeführer auf Deutschkenntnisse (hier bestätigt durch das Zeugnis des österreichischen Integrationsfonds vom 18. September 2009) und auf eine Patenschaftserklärung seines (ehemaligen) Arbeitgebers (das ist jener Arbeitgeber, der auch für den Beschwerdeführer zu Zl. 2010/21/0522 eine Patenschaftserklärung abgegeben hatte) berufen. Außerdem hat dieser Arbeitgeber auch hier eine Einstellungszusage abgegeben und eine Wohnmöglichkeit im Personalhaus zur Verfügung gestellt. Von daher erfüllt der Beschwerdeführer auch das im § 44 Abs. 4 NAG genannte Kriterium der Selbsterhaltungsfähigkeit. Er vermag aber nur auf eine wesentlich geringere Beschäftigungsdauer zu verweisen - ca. 14 Monate - als der Beschwerdeführer zu Zl. 2010/21/0522, der über mehrere Jahre hindurch kontinuierlich unselbständig erwerbstätig war. Von daher kann noch nicht von einer ausgeprägten beruflichen Integration gesprochen werden, weshalb insgesamt, auch unter Berücksichtigung des siebenjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich (der Beschwerdeführer im schon mehrfach genannten Vergleichsfall befand sich demgegenüber bereits neun Jahre in Österreich), nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht ein solcher Grad von Integration vorliegt, der den Fall des - in Österreich über keine familiären Bindungen verfügenden - Beschwerdeführers als besonders berücksichtigungswürdig im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG erscheinen ließe. Die Beschwerdeausführungen, die im Wesentlichen die hier ohnehin eingeräumten Umstände - die (guten) Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers und seine Selbsterhaltungsfähigkeit - betonen, vermögen daran nichts zu ändern. Soweit ergänzend eine "intensive Teilnahme am sozialen Leben" ins Treffen geführt wird, ist schon im Verwaltungsverfahren eine nähere Konkretisierung unterblieben.

Zusammenfassend kann der belangten Behörde damit hier im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen "Altfalles" verneinte. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers nach § 44 Abs. 4 NAG erweist sich demnach als zutreffend, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte