Normen
12010E267 AEUV Art267;
32003L0006 Marktmissbrauch-RL Art1 Z5;
32004L0072 MarktmissbrauchDV-RL Art2 Z1 litf;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z5;
MpV 2005;
12010E267 AEUV Art267;
32003L0006 Marktmissbrauch-RL Art1 Z5;
32004L0072 MarktmissbrauchDV-RL Art2 Z1 litf;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z5;
MpV 2005;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom 10. September 2009 wurden über den Beschwerdeführer, der seit 1. Juli 2003 Vorstandsmitglied der R AG und mit Vorstandsbeschluss vom 24. Juni 2003 zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG für den Bereich der Einhaltung der diese Geschäftsgruppe betreffenden Bestimmungen auch des BörseG bestellt worden sei, zwei Verwaltungsstrafen, und zwar wegen Übertretung
1) des § 48c Börsegesetz (BörseG), BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 104/2006 iVm § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007, sowie
2) des § 48 Abs. 1 Z. 7 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007 iVm § 18 Z. 1 BörseG idF BGBl. I Nr. 124/2005,
verhängt.
Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 10.000,-- (zu 1) bzw. EUR 5.000,-- (zu 2), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht (zu 1) bzw. vier (zu 2) Tagen verhängt.
Dem Beschwerdeführer wurde zu 1) zur Last gelegt, es im Zeitraum vom 6. Juni 2005 bis 29. Februar 2008 gemäß § 9 VStG zu verantworten zu haben, dass die R AG fortgesetzt Marktmanipulation betrieben habe, indem sie im Tatzeitraum die in der Anlage zum Bescheid aufgelisteten Käufe und Verkäufe des R Fund an der Wiener Börse getätigt habe, die falsche oder irreführend Signale hinsichtlich des Angebots und der Nachfrage dieses Wertpapiers gegeben hätten sowie den Kurs dieses Wertpapiers in der Weise beeinflusst hätten, dass ein anormales und künstliches Kursniveau erzielt worden sei.
Dies dadurch dass die R AG zeitgleiche Kauf- und Verkaufsorders mit dem jeweils gleichen Volumen und dem jeweils gleichen Limit für den R Fund erteilt habe, die jeweils zu einem Geschäftsabschluss und somit zur Kursbildung geführt hätten, damit das börsliche Kursniveau an den von der R GmbH errechneten aktuellen "wahren wirtschaftlichen Wert (Substanzwert)" angeglichen und insofern korrigiert werde, wobei keine Veränderung in der Identität des Eigentümers der Wertpapiere stattgefunden habe. Die Orders seien daher ohne sonst Börsegeschäften zukommender Relevanz mit dem Ziel der Kursbildung zum jeweiligen Orderlimit und damit vorsätzlich so eingesetzt worden, dass mit diesen Orders ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt worden sei und irreführende Signale für die Nachfrage der Genussscheine ausgegangen seien.
Zu 2) wurde dem Beschwerdeführer der Vorwurf gemacht, dass er durch die zu 1) beschriebenen Tathandlungen zu verantworten habe, dass die R AG die Handelsbedingungen der Börse nicht eingehalten habe.
Unter Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses vom 10. September 2009 wurde ausgesprochen, dass die R AG gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.
1.2. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die belangte Behörde führte am 1. Juli 2010 eine mündliche Verhandlung durch und verkündete den Berufungsbescheid.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2010 wurde der mündlich verkündete Bescheid ausgefertigt und Spruchpunkt I.2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verfahren diesbezüglich eingestellt, der Berufung zu Spruchpunkt I.1) hingegen keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch die Wortfolgen "falsche oder" und "sowie den Kurs dieses Wertpapiers in der Weise beeinflusst haben, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wurde" und "ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wurde und" zu entfallen hätten.
Als Übertretungsnorm wurde für den Tatzeitraum vom 6. Juni 2005 bis 31. Juli 2007 "§ 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG, BGBl. Nr. 1989/555 idF BGBl. I Nr. 127/2004" und für den Tatzeitraum vom 1. August 2007 bis 29. Februar 2008 "§ 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007", als Strafsanktionsnorm "§ 48c BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 48/2006" angegeben.
1.4. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde zunächst den Inhalt des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung des Beschwerdeführers sowie einen Auszug des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2010 wieder.
1.5. Zum zu Grunde gelegten Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, der im Spruch des Straferkenntnisses der FMA beschriebene Sachverhalt - insbesondere die beschwerdegegenständlichen Transaktionen - würden als erwiesen angesehen. Die verfahrensrelevanten Wertpapiere stellten obligatorische Genussrechte im Sinne des § 174 Abs. 3 AktG dar. Diese Genussrechte räumten dem einzelnen Genussrechtsinhaber einen obligatorischen Anspruch auf einen aliquoten Anteil am Vermögen des Rechnungskreises "R Fund" ein. Dieser Fund sei kein Investmentfonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes (laut Prospekt handle es sich "bei diesem Veranlagungsinstrument vielmehr um Genussrechte, bei denen Rechtsstatus und Anlegerschutz deutlich von jenem eines Investmentfonds abweichen"). Es bestehe kein Anspruch auf laufende Verzinsung und auf laufende Gewinnbeteiligung. Die Wertpapiere könnten börslich und außerbörslich erworben werden. De facto sei der An- und Verkauf beinahe ausnahmslos außerbörslich (nach den Berufungsausführungen zu 100 %) erfolgt.
Das Genussrecht R Fund notiere seit 1. Juni 2005 im amtlichen Handel an der Wiener Börse im Marktsegment "other listings". Von Juni 2006 bis Februar 2008 habe die R AG in regelmäßigen Abständen auf eigene Rechnung und als einziger Investor 100 % des Tagesvolumens geordert. Der Nettoinventarwert (NAV) vom Vortag habe die Grundlage für die An- und Verkaufspreise gebildet. Die Börseorders seien als Nostro-Orders gekennzeichnet gewesen. Die Geschäfte seien effektiv geworden. Der Marktpreis (Börsekurs) sei dadurch verändert worden. Bei dem Genussrecht handle es sich um einen illiquiden Titel. Mit den verfahrensgegenständlichen Orders habe die R AG einen Börsekurs erwirken wollen, der dem jeweils aktuellen NAV der Genussrechte entspreche.
Die R AG habe damit mit Wissen des Vorstandes, dem auch der Beschwerdeführer angehöre, Genussrechte am R Fund grundsätzlich außerbörslich vertrieben. Zum Zweck der Vergrößerung des Interessentenkreises an diesen Genussrechten sei auch eine Börsennotierung erfolgt. De facto habe aber kein Börsehandel stattgefunden. Der außerbörsliche An- bzw. Verkaufspreis der Genussrechte sei auf Basis des NAV errechnet worden. Um den auf diese Art errechneten Preis auch an der Börse darstellen zu können, habe die R AG auf eigene Rechnung und im eigenen Namen (Nostro-Handel) zeitgleich Kauf- und Verkaufsorders mit einem Volumen zwischen 100 und 300 Stück (fast immer waren es 300 Stück, es habe aber auch Orders mit 7.000, 8.500 und sogar 18.470 Stück gegeben) und einem Limit, bei dem es zur sofortigen Effektuierung der Orders gekommen sei, erteilt. Die R AG sei daher gleichzeitig Verkäufer und Käufer ihrer Genussrechte gewesen. Der R AG sei bewusst und es sei auch das alleinige Ziel dieser Transaktionen gewesen, den Kurs der Genussrechte an der Börse in eine bestimmte Richtung zu ändern. Da es keinen Mitanbieter an der Börse gegeben habe, was der R AG ebenfalls bekannt gewesen sei, habe sogar der exakte neue Kurs bestimmt werden können. So seien zum Beispiel am 28. September 2006 300 Stück um EUR 117,35 angeboten (Gesamtvolumen in EUR 35.205,--) und 300 Stück um EUR 117,35 von der R AG erworben worden. Durch dieses In-Sich-Geschäft sei es zu keiner Änderung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers gekommen. Der Kurs habe sich mangels sonstiger Transaktionen bei EUR 117,35 gebildet, er sei für das einzelne Genussrecht mit dieser Transaktion von EUR 103,03 auf EUR 117,35, also um EUR 14,32 gestiegen. Zumeist sei der Anstieg des Kurses aber geringer ausgefallen, ganz vereinzelt sei es auch zu Kursminderungen gekommen. Sämtliche Transaktionen (über 200, wobei zumeist täglich Transaktionen vorgenommen worden seien) seien als Nostro-Geschäfte der R AG gekennzeichnet gewesen.
1.5. In der Folge wird im angefochtenen Bescheid der wesentliche Inhalt des zur hg. Zl. 2010/17/0130 angefochtenen Bescheides der belangten Behörde wiedergegeben, der im hg. Erkenntnis vom 29. November 2010, Zl. 2010/17/0130, dargestellt wurde und dort nachgelesen werden kann (§ 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG).
1.6. Die belangte Behörde führte weiters aus, im vorliegenden Verfahren seien keine Umstände vorgebracht worden oder hervorgekommen, die ein Abgehen von dieser Rechtsmeinung rechtfertigten. Die wiedergegebenen juristischen Argumente würden vollinhaltlich geteilt und zum Bestandteil des vorliegenden Berufungsbescheides erhoben.
1.7. Zusätzlich sei auszuführen, die R AG habe sich bei der Erreichung ihres Ziels, für ihre Genussrechte einen bestimmten Marktpreis an der Börse zu fixieren, sogenannter Crossing-Geschäfte bedient. Zu dieser Geschäftspraxis werde in der Literatur (Altendorfer, in Aicher/Kalss/Oppitz, Grundfragen des neuen Börserechts, 214 f, mwN) unter dem Titel "Kursbeeinflussung durch fiktive Geschäfte" ausgeführt: "Zu den klassischen, aber keinesfalls nur historischen Marktmanipulationstechniken ist der Abschluss von 'fiktiven' Geschäften im weiteren Sinn (auch als 'Abschluss von Scheingeschäften' bezeichnet) zu zählen. Dabei lassen sich Geschäfte mit identischem Vertragspartner ('Wash Sales') sowie Geschäfte, bei denen Auf- und Gegenaufträge aufeinander abgestimmt sind ('Matched Orders') unterscheiden. Bei einem 'Wash Sale' geht eine Person mit sich selbst ein Börsegeschäft ein, tritt also zugleich als Käufer und Verkäufer am Markt auf. (…) Entscheidend ist, dass sich alle Transaktionen nur einem einzigen wirtschaftlichen Berechtigten zurechnen lassen. Von praktischer Bedeutung dürften heutzutage vor allem In-Sich-Geschäfte sein, die von den Marktteilnehmern in elektronischen Handelssystemen getätigt werden ('Crossing' zweier einander entsprechender Eigengeschäftsorders ein- und desselben Marktteilnehmers'). (…) Beide Arten von fiktiven Geschäften sind dadurch charakterisiert, dass ihnen die wirtschaftliche Relevanz, die Wertpapiertransaktionen ansonsten zukommt, fehlt. Sie werden allein zum Zweck vorgenommen, erhöhte Umsätze und damit einen aktiven Markt und entsprechende Liquidität vorzutäuschen. Zu einer Kursbeeinflussung kommt es zum einen dadurch, dass Investoren, die die Umsatz- und Preisentwicklung beobachten, auf den, wie sie glauben, 'fahrenden Zug' aufspringen ('Volume goes with the trend'), zum anderen kann in engen Märkten durch abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders ein künstlicher Marktpreis erzielt bzw. ein hohes Kursniveau gehalten werden."
Diese juristische Fachmeinung, die von der belangten Behörde geteilt werde, sei im Jahr 1998 publiziert worden und dürfte jedenfalls der Börsenbranche und somit der R AG und wohl auch dem Beschwerdeführer bekannt sein.
Dass Scheingeschäfte an der Börse unzulässig seien, gründe nicht erst auf der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG vom 28. Jänner 2003), sondern sei bereits in der Vorläuferbestimmung des aktuellen Verwaltungsstraftatbestandes, nämlich in § 48 Abs. 1 Z. 2 BörseG idF BGBl. I Nr. 2/2001 pönalisiert gewesen.
Verboten würden "Crossings" auch durch § 18 Abs. 1 der Handelsregeln für das automatisierte Handelssystem XETRA, einer Verordnung der Wiener Börse. Dass diese Regel dem Börsemitglied R AG nicht bekannt gewesen sei, sei nicht einmal behauptet worden. Das Argument, wonach diese Bestimmung nur für den fortlaufenden Handel gelte, überzeuge nicht, weil sich dies weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus ihrer systematischen Stellung in der Verordnung ableiten lasse.
Nach dem zur Tatzeit anzuwendenden § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a BörseG würden als Indizien für das Vorliegen von Marktmanipulationen unter anderem sowohl der Umfang, in dem erteilte Geschäftsaufträge oder abgewickelte Geschäfte einen bedeutenden Teil des Tagesvolumens der Transaktion mit dem entsprechenden Finanzinstrument auf dem jeweiligen geregelten Markt ausmachten, vor allem dann, wenn diese Tätigkeiten zu einer erheblichen Veränderung des Kurses dieses Finanzinstruments führten, als auch der Umstand, ob abgewickelte Geschäfte zu keiner Veränderung in der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers eines zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstruments führten, gelten. Beide Indizien träfen auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Wie in der Berufung ausgeführt, sei die R AG de facto die einzige Person gewesen, die diese Genussrechte an der Börse gehandelt habe. Der Beschwerdeführer selbst spreche von 100 % Tagesvolumen. Dadurch sei es zumindest bei manchen Transaktionen zu erheblichen Kursänderungen gekommen. Da es neben der R AG keine aktiven Marktteilnehmer bezüglich der Genussrechte gegeben habe, hätten sich auch kleine Volumen auf den Kurs ausgewirkt.
Marktmanipulativ würden Geschäfte dann, wenn dadurch z. B. irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs gegeben würden oder gegeben werden könnten (§ 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa zweite Variante BörseG). Dass dies auf "Wash Sales" zutreffen könne, habe schon Altendorfer (s.o.) nachvollziehbar dargestellt, weil die von der R AG getätigten Transaktionen regelmäßigen Handel (Umsatz) und damit Liquidität vorgetäuscht hätten. Mögen auch die Beweggründe der R AG andere gewesen sein, so habe sie doch diese "Nebenwirkungen" in Kauf genommen. Ein durchschnittlicher Marktbeobachter, der von den Beweggründen der R AG keine Kenntnis gehabt habe (und nicht hätte haben können), habe im Wesentlichen einen längerfristigen Kursanstieg bei den Genussrechten und eine regelmäßige Handelsaktivität gesehen. Da es sich de facto aber nur um In-Sich-Geschäfte der R AG gehandelt habe, seien an den Markt irreführende Signale über Angebot und Nachfrage gegeben worden. Das Verhalten der R AG sei jedenfalls geeignet gewesen, an andere Marktteilnehmer irreführende Signale zu geben. Eine tatsächliche Irreführung sei nicht Tatbestandselement.
Die Rechtfertigung der R AG bzw. des Beschwerdeführers, wonach nur der tatsächliche Marktwert der Genussrechte an der Börse hätte abgebildet werden sollen, stelle keinen legitimen Grund für das Aussenden irreführender Signale dar. Hätte nur der "Substanzwert" der Genussrechte an der Börse widergespiegelt werden sollen (so die Berufung), hätten dafür Transaktionen in geringer Stückanzahl ausgereicht. Es seien aber regelmäßig Orders über 300 Stück, einmal über 7.000, einmal über 8.500 und einmal sogar über 18.470 Stück eingegeben worden. Damit seien ein starkes Marktinteresse und hohe Umsätze vorgetäuscht worden.
Zudem entsprächen Crossing-Geschäfte keinesfalls einer zulässigen Marktpraxis. Dass solche Geschäfte unter bestimmten Umständen pro futuro zu einer zulässigen Marktpraxis werden könnten, habe keine Auswirkung auf die aktuelle Rechtslage und Praxis. De lege lata seien unter zulässiger Marktpraxis gemäß § 48a Abs. 1 Z. 5 BörseG Gepflogenheiten zu verstehen, die auf einem oder mehreren Finanzmärkten nach vernünftigem Ermessen erwartet würden und von der FMA durch Verordnung gemäß Abs. 3 leg. cit. anerkannt würden.
Für den österreichischen Markt, nämlich jenem an der Wiener Börse, lege § 18 der Handelsregeln fest, dass Crossing-Geschäfte unzulässig seien. Schon dadurch sei eine zulässige Marktpraxis ausgeschlossen. Zudem existiere keine Verordnung der FMA, die Crossing-Geschäfte außerhalb von Kompensgeschäften in Schuldverschreibungen (siehe § 1 Marktpraxisverordnung) als zulässige Marktpraxis anerkenne. Dass Genussrechte nach § 174 Abs. 3 AktG keine Schuldverschreibungen seien, habe die belangte Behörde schon im oben zitierten Bescheid ausführlich dargelegt. Im Übrigen wären aber auch die für die Schuldverschreibungen vorgegebenen Bedingungen zur Preisbildung nicht eingehalten worden.
§ 48a Abs. 3 BörseG regle, unter welchen Bedingungen die FMA eine zulässige Marktpraxis mittels Verordnung festlegen könne. Die FMA habe die relevante Praxis der R AG (aber auch anderer Kreditinstitute) amtswegig erhoben und geprüft und offenbar keine Veranlassung gesehen, diese Praxis als zulässige Marktpraxis anzuerkennen. Das negativ formulierte Tatbestandselement der zulässigen Marktpraxis liege im konkreten Fall nicht vor. Die in den vorgelegten Rechtsgutachten erörterten, gegenteiligen Rechtsansichten würden nicht geteilt.
Abschließend dürfe darauf hingewiesen werden, dass in den Handelsregeln der Wiener Börse Vorsorge für den Fall getroffen werde, dass es bei einem Wertpapier zu keiner Preisbildung komme (vgl. insbesondere § 5 leg. cit.).
Die objektive Tatseite der Verwaltungsübertretung "Marktmanipulation" sei daher verwirklicht.
Da es sich bei § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa und sublit. ab BörseG um alternative Tatbestandselemente handle, und sublit. aa erfüllt sei, habe von einer weiteren Prüfung, ob durch die Handlungen auch ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt worden sei, Abstand genommen werden können. Es werde aber klargestellt, dass mit einem "anormalen oder künstlichen Kursniveau" nicht eine Abweichung vom "Substanzwert" oder "wahren Wert" eines Wertpapiers gemeint sei, vielmehr habe damit eine Abweichung von jenem Kurs erfasst werden sollen, der sich bei unbeeinflusster und rechtmäßiger Marktpraxis gebildet hätte.
Der Beschwerdeführer habe von der Praxis der R AG gewusst. Er sei ein langjähriger leitender Angestellter in der Bankbranche mit großer Erfahrung im Börsegeschäft. Dass Crossing-Geschäfte grundsätzlich unzulässig seien, habe ihm bekannt gewesen sein müssen. Gegenteiliges sei auch nicht behauptet worden. Die Ansicht, dass gerade die von der R AG gewählten In-Sich-Geschäfte zulässig sein sollten, sei daher nicht nachvollziehbar. Eine konkrete Anfrage an die zuständige Behörde, die FMA, sei nicht gestellt worden. Eine Auskunft der FMA, wonach derartige Geschäfte zulässig seien, gebe es nicht. Daher liege Verschulden in Form von zumindest bedingtem Vorsatz vor.
1.8. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 19 Abs. 1 VStG sei die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. seien im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmten, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens sei besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten seien bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch die gegenständliche Verwaltungsübertretung sei der Schutzzweck der übertretenen Norm, durch die Wahrung des Ansehens der Börse das Vertrauen sowohl der Öffentlichkeit als auch anderer Marktteilnehmer in Funktion, Transparenz und Fairness des Kapitalmarktes zu gewährleisten, in erheblichem Maße beeinträchtigt worden. Der Unrechtsgehalt der zur Last gelegten Handlung könne keinesfalls als geringfügig erachtet werden, weil mit diesem Vorgehen das Wesen der Börse - nämlich das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage - außer Kraft gesetzt worden sei und daher eine nachhaltige Schädigung des Ansehens der Börse habe erfolgen können.
Das Verschulden könne nicht als geringfügig angesehen werden, weil weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen sei, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Vielmehr liege Verschulden in der Form von bedingtem Vorsatz vor.
Die Anwendung des § 21 VStG sei daher nicht in Betracht gekommen, weil in Ansehung des Unrechts- und Schuldgehaltes der Tat nicht davon die Rede sein könne, dass das tatbildliche Verhalten deutlich hinter dem in der gesetzlichen Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben sei.
Ein Tatzeitraum von rund zweieinhalb Jahren sei zu berücksichtigen gewesen. Mildernd sei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu beurteilen. Diesen Milderungsgrund habe bereits die Erstinstanz berücksichtigt. Zu seinen Einkommensverhältnissen habe der Berufungswerber angegeben, ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 7.500,-- zu beziehen. Sorgepflichten bestünden für zwei Kinder, Vermögen sei nicht vorhanden.
Vor dem Hintergrund der erörterten Strafbemessungskriterien erscheine die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen. Die Verhängung der Strafe sei erforderlich, um den Beschwerdeführer und insbesondere auch Dritte von der Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen abzuhalten.
1.9. Die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der in diesem unter Spruchpunkt I.2) angelasteten Tat wurde unter Hinweis auf das Verbot der Doppelbestrafung begründet, weil der Unrechtsgehalt dieser Tat bereits mit der unter Spruchpunkt I.1) des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochenen Bestrafung abgegolten sei.
1.10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
1.11. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und den Antrag gestellt, die Beschwerde unter Zuspruch der Kosten für den Vorlageaufwand als unbegründet abzuweisen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zur Darstellung der Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 29. November 2010, Zl. 2010/17/0130, verwiesen.
2.2. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, als zur Vertretung der R Bank nach außen Berufener gemäß § 9 VStG die Übertretung des § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG idF BGBl. I Nr. 127/2004 bzw. BGBl. I Nr. 60/2007 durch die Erteilung zeitgleicher Kauf- und Verkaufsorders mit jeweils gleichem Volumen und Limit für den R Fund zu verantworten zu haben.
2.3. Soweit die Frage der Tatbildmäßigkeit der genannten Geschäfte im Hinblick auf § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG betroffen ist, gleicht der Beschwerdefall im Wesentlichen jenem, über den mit Erkenntnis vom 29. November 2010, Zl. 2010/17/0130, entschieden wurde, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann.
2.3.1. Aus den in dem genannten Erkenntnis dargelegten Gründen wurde durch die getätigten Geschäfte der R AG der Tatbestand der Marktmanipulation gemäß § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG verwirklicht. Daran vermögen auch die Ausführungen im vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Dr. Dockner (siehe auch ÖBA 2010, 436), jeder Investor habe eine exekutierbare Arbitragemöglichkeit (doppelte Liquidierbarkeit durch Rücklösung des Wertpapiers neben der Möglichkeit des börslichen und außerbörslichen Verkaufs), sodass für den Investor Informationen über die Liquidität irrelevant seien und keinen ökonomischen Wert hätten, nichts zu ändern (vgl. hiezu auch die Ausführungen im zitierten Erkenntnis vom 29. November 2010 zum Sachverständigengutachten der Univ. Prof. K.). Der Tatvorwurf lautet nämlich dahin, dass die als tatbildmäßig angesehenen Transaktionen dem Gedanken der Markttransparenz widersprechen und geeignet sind, bei Marktteilnehmern eine Fehlvorstellung über den Umfang der Handelstätigkeit an der Börse hervorzurufen, weiters ist der erzielte Börsekurs nicht das Ergebnis einer üblichen Handelstätigkeit (vgl. dazu auch das bereits zitierte Erkenntnis vom 29. November 2010, Punkt 2.5., insbesondere Punkt 2.5.5.).
2.3.2. Entgegen den Beschwerdebehauptungen verstoßen die dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltensweisen daher gegen die Zielsetzung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Jänner 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchs-RL), die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Verhalten der Investoren zu stärken.
2.3.3. Die umfangreich in der Beschwerde angestellten Überlegungen, ob die von der R AG gewählte Vorgehensweise ökonomisch betrachtet als sinnvoll anzusehen ist, stellen sich für deren Qualifikation als Marktmanipulation im Sinne des § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa BörseG als rechtlich irrelevant dar.
2.3.4. Dass auch die Ausführungen der FMA gegenüber dem Committee of European Security Regulators, nicht für den in der Beschwerde vertretenen Standpunkt sprechen, wurde ebenfalls in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 29. November 2010 dargelegt (siehe Punkt 2.5.3.).
2.3.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis (anders als die Beschwerde) auch den Standpunkt vertreten, dass es für das Vorliegen einer zulässigen Marktpraxis im Sinne des § 48a Abs. 1 Z. 5 BörseG, der Art. 1 Z. 5 der Marktmissbrauchs-RL umsetzt, auch erforderlich ist, dass eine nach der Marktpraxisverordnung (MpV), BGBl. II Nr. 1/2005, zulässige Marktpraxis vorliegt. Auch in diesem Zusammenhang kann daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen werden (siehe insbesondere Punkt 2.6.2. ff).
2.3.6. Entgegen den Beschwerdebehauptungen trifft es auch nicht zu, dass nicht gegen die Handelsregeln der Wiener Börse verstoßen worden sei, weil quasi wie von einem Betreuer im Interesse der Liquidität gehandelt worden sei. Abgesehen davon, dass eine Betreuerfunktion nicht ausgeübt wurde, war es auch nicht Ziel der Transaktionen, den Handel an der Börse zu forcieren, sondern einen außerbörslich ermittelten Kurs an der Börse abzubilden.
2.3.7. Ein strafausschließender Rechtsirrtum ist dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht unterlaufen, weil bezüglich der Auslegung der bezughabenden Rechtsnormen keine Auskunft der zuständigen Behörde (FMA) eingeholt wurde (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, 2000, E 166 zu § 5 VStG, mwN). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nachträglich Rechtsauskünfte von Universitätsprofessoren und der Wiener Börse eingeholt wurden, um den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers zu stützen.
2.4. Weiters regt der Beschwerdeführer an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
2.4.1. Die erste Frage lautet:
"Ist Art. 1 Z. 2 lit. a der Richtlinie 2003/6/EG so auszulegen, dass auch solche Handlungen bestraft werden dürfen, die den Wortlaut des Marktmanipulationstatbestandes zwar erfüllten und nicht zur zulässigen Marktpraxis erklärt wurden, aber ungeeignet sind, die Integrität der Finanzmärkte zu verletzen oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate zu untergraben, sondern sogar die Preistransparenz und somit das Vertrauen der Investoren stärken?"
Diese Frage ist schon deshalb nicht an den EuGH heranzutragen, weil die hier angelasteten Handlungen - entgegen der Annahme in der Beschwerde - gegen die Zielsetzung der Marktmissbrauchs-RL verstoßen, die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Vertrauen der Investoren zu stärken (siehe die obigen Ausführungen).
2.4.2. Weiters wird angeregt, folgende Frage an den EuGH zu richten:
"Hat die Republik Österreich Art. 1 Z. 2 lit. a der Richtlinie 2003/6/EG unter besonderer Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/72/EG korrekt umgesetzt, indem sie sich zwar in § 48a Abs. 3 BörseG zur Neuentwicklung von Marktpraxen bekennt, gleichzeitig aber jeden Verstoß gegen den Wortlaut des Marktmanipulationstatbestandes, der mit einer neuen zulässigen Marktpraxis unabdingbar verbunden ist, nach § 19 Abs. 1 Z. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 4, § 48 Abs. 1 Z. 7 und § 18 Z. 1 BörseG mit Strafen und empfindlichen Sanktionen wie Berufsverbot belegt, weshalb solche Neuentwicklungen praktisch ausgeschlossen sind?"
Abgesehen davon, dass der EuGH nicht die Frage der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit dem Unionsrecht zu beantworten hat (vgl. Ranacher/Frischhut, Handbuch Anwendung des EU-Rechts, S. 452ff), wird bei der gewählten Fragestellung zunächst übersehen, dass nicht jede neue Marktpraxis denknotwendig gegen den Marktmanipulationstatbestand verstößt, wovon auch die Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in deren Art. 2 Z. 1 lit. f ausgeht, weil einer der dort bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Marktpraxis zu berücksichtigenden Faktoren der Umstand ist, ob sie eine Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen oder der geltenden Verhaltensregeln auf dem Markt darstellt. Außerdem sind § 14 BörseG (Zulassung als Börsemitglied) und § 19 BörseG (Ausschluss eines Börsemitglieds) im vorliegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. März 2011
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)