VwGH 2010/10/0186

VwGH2010/10/018631.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger, vertreten durch die Landeshauptfrau, in 5010 Salzburg, Chiemseehof, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. Juli 2010, Zl. MA 40-2967/10 KE, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §44 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
SHG Wr 1973 §44 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Aufwandersatzbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Wiener Landesregierung hat mit Bescheid vom 6. Juli 2010 den Antrag des beschwerdeführenden Landes Salzburg auf Anerkennung der Kostentragung für die vom beschwerdeführenden Land als Sozialhilfeträger für S. erbrachten Sozialhilfeleistungen gemäß § 44 Abs. 1 und Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes - WSHG, LGBl. Nr. 11/1973, iVm Art. 3 Abs. 1 der Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 9/1974 (Ländervereinbarung), abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass S. am 12. Jänner 2010 beim Magistrat Salzburg Sozialhilfe beantragt habe. Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 sei die begehrte Sozialhilfe rückwirkend ab Antragstellung zuerkannt worden. Die erste Auszahlung sei am 12. Februar 2010 veranlasst worden.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung sei jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten habe. Herr S. habe ab 12. Jänner 2009 in Wien gelebt und sei am 4. Jänner 2010 nach Salzburg übersiedelt. Die Hilfegewährung sei erstmals mit der Auszahlung am 12. Februar 2010 erfolgt. Da S. Wien bereits am 4. Jänner 2010 verlassen habe, sei ein mindestens fünfmonatiger Aufenthalt in Wien im letzten halben Jahr vor Hilfegewährung nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 44 des Wiener Sozialhilfegesetzes - WSHG, LGBl. Nr. 11/1973, hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 44. (1) Das Land Wien hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate lang in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.

(7) Über die Verpflichtung des Landes Wien zum Kostenersatz hat im Streitfalle die Landesregierung im Verwaltungsweg zu entscheiden."

Diese Regelung entspricht der Vereinbarung zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, der in der Folge auch Wien (LGBl. Nr. 9/1974) und Salzburg (Sbg. LGBl. Nr. 95/1975) beigetreten sind (Ländervereinbarung).

In der Beschwerde wird der festgestellte Sachverhalt nicht bestritten. Das beschwerdeführende Land macht ausschließlich geltend, dass unter dem Zeitraum "während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe" gemäß § 44 Abs. 3 WSHG entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht der Zeitraum vor der (erstmaligen) Auszahlung der Sozialhilfeleistung, sondern der Zeitraum gemeint sei, der vor jenem Zeitraum liege, für den die Sozialhilfeleistung gewährt werde. Herrn S. sei Sozialhilfe rückwirkend ab der Antragstellung am 12. Jänner 2010 gewährt worden. Da er sich in den sechs Monaten davor bis 4. Jänner 2010, somit mehr als fünf Monate, in Wien aufgehalten habe, seien die Voraussetzungen für den Kostenersatz nach § 44 WSHG gegeben.

Im vorliegenden Fall ist somit ausschließlich strittig, ob bei Zuerkennung von Sozialhilfeleistungen für einen bestimmten Zeitraum mit der Wortfolge "vor Gewährung der Hilfe" in § 44 Abs. 3 WSHG der Zeitraum vor der erstmaligen Auszahlung der Sozialhilfeleistung oder der Zeitraum vor dem ersten Tag, für den die Hilfe (rückwirkend) zuerkannt wird, gemeint ist.

Für ein Verständnis im Sinn des Beschwerdevorbringens spricht zunächst bereits deutlich der Wortlaut, wird doch eine für einen bestimmten Zeitraum zuerkannte Leistung zweifellos auch für den vor der tatsächlichen Auszahlung liegenden Teil dieses Zeitraumes "gewährt".

Darüber hinaus hätte die von der belangten Behörde vertretene Auffassung zur Folge, dass ein Sozialhilfeträger bei Zuzug einer hilfebedürftigen Person aus einem anderen Bundesland nur maximal einen Monat Zeit hätte, über die Zuerkennung von Sozialhilfe zu entscheiden und die (erstmalige) Auszahlung vorzunehmen, um den Ersatzanspruch nicht zu verlieren. Bei Antragstellung (bzw. amtswegiger Kenntnisnahme von der Hilfsbedürftigkeit) erst kurz vor Ablauf dieses Monats würde sich diese Frist noch deutlich verkürzen. Es ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Kostenersatzanspruch von einer derart raschen Durchführung des Verfahrens auf Gewährung von Sozialhilfe - das auch ein umfangreiches Ermittlungsverfahren erfordern kann - abhängig machen wollte.

Mit der Wortfolge "während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe" in § 44 Abs. 3 WSHG wird daher bei Zuerkennung einer zeitraumbezogenen Leistung der sechs Monate vor dem ersten Tag, für den die Leistung zuerkannt wird, liegende Zeitraum umschrieben.

Herrn S. wurde ab 12. Jänner 2010 Sozialhilfe gewährt. Da er sich in den sechs Monaten davor unstrittig bis 4. Jänner 2010 in Wien aufgehalten hat, ist das Erfordernis eines mindestens fünfmonatigen Aufenthalts in Wien während der letzten sechs Monate vor Hilfegewährung gemäß § 44 Abs. 3 WSHG erfüllt.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

In der Beschwerde wird lediglich ein allgemeiner Antrag auf Aufwandersatz gestellt. Über einen solchen Antrag sind gemäß § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG die Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und Verhandlungsaufwand sowie die tatsächlich entrichteten Kommissionsgebühren und die Eingabegebühr nach § 24 Abs. 3 leg. cit. im gebührenden Ausmaß jedenfalls zuzusprechen. Da das beschwerdeführende Land als Gebietskörperschaft gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 VwGG von der Entrichtung der Eingabegebühr befreit ist, käme fallbezogen nur der Ersatz von Schriftsatzaufwand in Betracht. Dabei handelt es sich gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG um den Aufwand, der mit der Einbringung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war. Da das beschwerdeführende Land - gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGG zulässigerweise - die Beschwerde nicht durch einen Rechtsanwalt eingebracht hat, kann auch kein Ersatz für den Schriftsatzaufwand zugesprochen werden. Das Aufwandersatzbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 31. März 2011

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