Normen
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §61 Z3;
EMRK Art8 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs1 C litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §61 Z3;
EMRK Art8 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs1 C litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 25. Mai 1966 geborene Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, kam Ende März 1993 gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem 1989 geborenen Kind nach Österreich. Hier wurden 1994 und 1996 zwei weitere gemeinsame Kinder geboren. Seit November 2004 ist die Ehe geschieden. Er hat mit N., seiner (damaligen) Lebensgefährtin, ein weiteres, am 1. September 2006 geborenes, Kind. Am 10. Februar 2004 war dem Beschwerdeführer ein Niederlassungsnachweis - unbefristet - ausgestellt worden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 2009 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolzeigesetz 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.
Begründend ging die belangte Behörde nach zusammenfassender Wiedergabe des Bescheides der Erstbehörde und der Berufung sowie nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften und Darstellung der gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren und der gegen ihn ergangenen Gerichtsurteile davon aus, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG insofern erfüllt sei, als der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei.
Dabei legte die belangte Behörde - unter erkennbarer Übernahme der Feststellungen der Erstbehörde - zugrunde, dass der Beschwerdeführer erstmals am 29. November 2004 wegen des Vergehens der (nach der Aktenlage: am 10. September 2004 begangenen) Körperverletzung an seiner damaligen Ehefrau zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Danach sei über ihn mit Urteil vom 23. März 2005 wegen der Vergehen der versuchten Nötigung und der gefährlichen Drohung - wiederum zum Nachteil seiner ehemaligen Gattin - eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt worden. Zu einer weiteren Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten sei es sodann am 12. Oktober 2006 (richtig: am 27. September 2006), und zwar neuerlich wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung, gekommen. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit Urteil vom 11. August 2008 (richtig: 25. Juli 2008) wegen der Vergehen der Körperverletzung, der versuchten Nötigung und der gefährlichen Drohung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten und zu einer Geldstrafe verurteilt worden, wobei sich aus den dazu von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen ergibt, dass diese Tathandlungen wieder gegen die ehemalige Ehefrau gerichtet waren.
Die belangte Behörde ging aufgrund der eingangs wiedergegebenen Umstände davon aus, dass durch die fremdenpolizeiliche Maßnahme "zweifelsohne in gravierender Form" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Demgegenüber sei jedoch zu beachten, dass Nötigungen und gefährliche Drohungen - und noch dazu in "zahlreicher Form" - sehr ernst zu nehmen seien. Könnten, wie im vorliegenden Fall, ständige Bestrafungen und Verurteilungen einen Fremden nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten, sei von der Möglichkeit eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen, zumal es scheine, dass andere Mittel nicht ausreichten, den Beschwerdeführer zur Einhaltung der Rechtsordnung seines Gastlandes zu bewegen. Das Aufenthaltsverbot sei daher iSd § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und unter Abwägung der wechselseitigen Interessen auch iSd § 66 Abs. 2 FPG zulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die belangte Behörde stützte das gegenständliche Aufenthaltsverbot auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG. Nach der erstgenannten Bestimmung kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht (u.a.) mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Die genannte Alternative dieses Tatbestandes des § 60 Abs. 2 FPG ist im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten, oben angeführten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen, die wiederholt wegen einschlägiger Straftaten erfolgten, erfüllt. Davon ausgehend kam die belangte Behörde im Ergebnis zu der Ansicht, es sei die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Bei dieser Beurteilung hat die belangte Behörde jedoch völlig außer Acht gelassen, dass dem Beschwerdeführer bereits am 10. Februar 2004, noch im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997, ein Niederlassungsnachweis erteilt worden war, der gemäß § 11 Abs. 1 Abschnitt C lit. b NAG-DV nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" gilt. Dem Beschwerdeführer kommt daher die Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen zu, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig wäre (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Das setzte aber voraus, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine (gegenwärtige, hinreichend) schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 56 FPG dar. Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten (in der hier noch maßgeblichen Stammfassung):
"§ 56. (1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' oder 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger' verfügen, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(2) Als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
rechtskräftig verurteilt worden ist."
Demgegenüber verlangt § 60 Abs. 1 FPG ("Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" oder "Zuwiderlaufen anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen") ein geringeres Maß für die zu befürchtende, vom Fremden ausgehende Gefahr (siehe auch dazu das schon genannte Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Angesichts dessen ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall schon dadurch in Rechten verletzt, dass die belangte Behörde nicht auf den - das Bestehen einer qualifizierten Gefährdung erfordernden - Tatbestand des § 56 FPG, der in seiner beispielsweisen Aufzählung im Abs. 2 die rechtskräftige Verurteilung wegen hier nicht gegebener Straftaten bzw. zu einem hier nicht verhängten Strafausmaß verlangt, abgestellt und lediglich eine Gefährdungsprognose iSd § 60 Abs. 1 FPG erstellt hat.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Es ist daher nicht mehr näher darauf einzugehen, dass die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Aufenthaltsverbots-Verbotstatbestände des § 61 Z 2 iVm § 55 Abs. 3 FPG und des § 61 Z 3 FPG auch darauf Bedacht zu nehmen gehabt hätte, ob der Beschwerdeführer - wie schon in der Berufung geltend gemacht wurde und nunmehr auch in der Beschwerde ins Treffen geführt wird - vor Verwirklichung der ersten maßgeblichen Straftat bereits mehr als zehn Jahre in Österreich rechtmäßig niedergelassen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 19. Mai 2011
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