VwGH 2009/18/0162

VwGH2009/18/016221.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des T M in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Dezember 2008, Zl. E1/493.920/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 60 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 7 und 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge im September 1998 in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug vom Asylgerichtshof (rechtskräftig mit 29. August 2008) abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel.

Am 17. April 2008 gegen 20.50 Uhr sei der Beschwerdeführer von Organen der Abgabenbehörde (als Lenker) eines näher genannten Taxis angetroffen worden, ohne dass die für die Beschäftigung erforderliche arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vorgelegen wäre. In seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2008 habe der Beschwerdeführer dazu ausgeführt, er habe bis 2006 über eine Arbeitserlaubnis verfügt und als Taxifahrer gearbeitet. Eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis sei beantragt, jedoch "abgelehnt" worden. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Er habe keine Familie, sei beschäftigt sowie versichert. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er im Taxiunternehmen "nicht richtig beschäftigt gewesen sei".

Am 9. Oktober 2008 sei der Beschwerdeführer wiederum von Organen der Abgabenbehörde beim Lenken eines Taxis angetroffen worden. Den vom Beschwerdeführer im Personenblatt selbständig (in Deutsch) gemachten Angaben zufolge sei er bereits seit 2006 bei diesem Unternehmen tätig und verdiene EUR 680,-- pro Monat. Einem Versicherungsdatenauszug zufolge sei der Beschwerdeführer bei diesem Unternehmen aufrecht beschäftigt.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, zwischen 2002 und 2006 durchgehend eine Arbeitserlaubnis besessen zu haben, als Taxifahrer gearbeitet und daher am österreichischen Arbeitsmarkt gut verankert zu sein. Er spreche die deutsche Sprache sehr gut, sei gut integriert, seit zehn Jahren in Österreich aufhältig und selbsterhaltungsfähig. Österreich stelle den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen dar.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei zweimal bei der illegalen Ausübung einer Beschäftigung betreten worden, weshalb der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG erfüllt sei. Da er weder über einen Einreise- noch einen Aufenthaltstitel verfügt habe, sei er nicht in der Lage, die Mittel für seinen Unterhalt für den Zeitraum des von ihm angestrebten Aufenthaltes im Bundesgebiet nachzuweisen. Daher gefährde sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG.

Es sei davon auszugehen, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes und der Verhinderung von "Schwarzarbeit", somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dennoch dringend geboten und im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers berge die Gefahr in sich, dass er seinen Lebensunterhalt - wie bereits in der Vergangenheit - durch "strafbares Verhalten" zu finanzieren trachte. Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf den bisherigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Diesen privaten Interessen stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Mit Blick auf § 66 FPG bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer halte sich bereits seit elf Jahren (richtig: zehn Jahren und etwa drei Monaten) in Österreich auf. Ein so langer Aufenthalt bringe schon naturgemäß "ein hohes Maß an Integration in jeglicher Hinsicht (sozial, gesellschaftlich etc.)" mit sich, was sich vor allem darin zeige, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spreche. Die belangte Behörde habe auch nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer all seine sozialen Bindungen zu seinem Heimatstaat verloren habe und nicht befugt sei, legal in einen anderen als diesen einzureisen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG aufgrund des langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgegangen, hat diesen jedoch im Grunde des § 66 FPG als zulässig beurteilt. Dabei hat sie jedoch nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund asylrechtlicher Bestimmungen für beinahe zehn Jahre (22. September 1998 bis 29. August 2008) rechtmäßig und danach nur etwa zweieinhalb Monate (30. August bis 12. Dezember 2008) unerlaubt war, der Beschwerdeführer während dieser Zeit erwerbstätig war und - Gegenteiliges wurde nicht festgestellt - zwischen 2002 und 2006 durchgehend eine Arbeitserlaubnis besessen hat. Gegen die "Ablehnung" der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis hat er berufen und anschließend Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der die "Ablehnung" zunächst mit Erkenntnis vom 18. September 2008 aufgehoben hat. Vor diesem Hintergrund ist auch die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dem Beschwerdeführer sei nicht bewusst gewesen, dass er "nicht richtig beschäftigt gewesen sei", zu sehen. Zusätzlich ist er der deutschen Sprache mächtig, wovon auch die belangte Behörde ausging, hat er doch bei seiner Betretung am 9. Oktober 2008 das Personenblatt selbständig in Deutsch ausgefüllt.

Dem diesen privaten Interessen gegenüberstehenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" kommt zwar ein großes Gewicht zu. Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere den beinahe zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine jahrelange, zum überwiegenden Teil erlaubte Berufstätigkeit, kommt jedoch den privaten Interessen des Beschwerdeführers ein so großes Gewicht zu, dass die Ansicht der belangten Behörde, die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in dem Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am 21. November 2011

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