VwGH 2009/09/0184

VwGH2009/09/018424.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerden des Mag. S Sch in A, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 19a, gegen die Bescheide 1.) der Disziplinarkommission für Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung, vom 25. Juni 2009, Zl. DIS-57/1, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens und Verhandlungsbeschluss, und 2.) der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung, vom 7. Mai 2010, Zl. DOK-23-3, betreffend Schuldspruch in einem Disziplinarverfahren, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §124 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §78 Abs1;
LDG 1984 §78 Abs2;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92;
LDG 1984 §93 Abs2;
EMRK Art10;
EMRK Art6 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §78 Abs1;
LDG 1984 §78 Abs2;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92;
LDG 1984 §93 Abs2;
EMRK Art10;
EMRK Art6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60, sohin insgesamt EUR 1.221,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtete Disziplinarkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen (die erstbelangte Behörde) sprach mit Bescheid vom 25. Juni 2009 Folgendes aus (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Gemäß § 92 LDG 1984 wird gegen (den Beschwerdeführer) aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwurfs, er habe in einem an BSI W.A. gerichteten E-Mail vom 22.03.2009 unter anderem folgende Ausdrücke verwendet:

1. Dieses morbide Konglomerat BSR scheint nur dazu da zu sein, bestqualifizierte Kandidaten zugunsten weniger qualifizierter Parteigänger zu eliminieren.

2. Wer am meisten Klinken putzt und noch dazu das richtige Netzwerk und Parteibuch hat, ist nominiert.

3. Höchste Zeit, dass diese Einrichtung im Kuriositätenkabinett der Schulgeschichte landet - und das möglichst bald. Du bist leider auch ein Teil dieser Maschinerie.

4. Die Entscheidung, die ja schon gefällt wurde (Anmerkung der Bezirkshauptmannschaft: gemeint ist die Schulleiterbestellung an der HS K.) ist eine Schande, und muss jedem, der die Situation objektiv zu betrachten imstande ist, die Zornesröte ins Gesicht treiben. Mit der Behauptung, dies ist die Balkanisierung der Tiroler Schule, beleidigt man noch am ehesten die Balkanstaaten.

ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts,

er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 2

LDG 1984, begangen,

eingeleitet."

In einem weiteren Spruchpunkt wurde gemäß § 93 LDG 1984 wegen der angeführten Vorwürfe eine mündliche Verhandlung anberaumt.

Die erstbelangte Behörde führte begründend aus, die Bezirkshauptmannschaft I. habe als zuständige Schulbehörde mit Schriftsatz vom 3. April 2009 gegen den Beschwerdeführer Disziplinaranzeige erstattet. Dieser sei das E-Mail vom 22. März 2009 beigefügt gewesen. Auf Grund dieses E-Mails lägen hinreichend Anhaltspunkte für den Verdacht vor, dass der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Verhalten gesetzt habe. Die Äußerungen in dem E-Mail seien geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Landeslehrers zu erschüttern. Ein solches Verhalten bilde eine Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 2 LDG 1984. Da ausreichend Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt habe, das den Verpflichtungen eines Landeslehrers nach § 29 Abs. 2 LDG 1984 widerspreche, seien die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegeben.

Hinsichtlich des im weiteren Spruchpunkt des erstangefochtenen Bescheides verfügten Verhandlungsbeschlusses führte die erstbelangte Behörde aus, die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe seien ausreichend konkret , um eine mündliche Verhandlung durchführen zu können.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Disziplinaroberkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen (der zweitbelangten Behörde), vom 7. Mai 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe dadurch, dass er in einem an Bezirksschulinspektor W.A. gerichteten E-Mail vom 22. März 2009 die oben wiedergegebenen Ausdrücke verwendet habe, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 begangen. Eine Strafe werde nicht ausgesprochen.

Begründend führte die zweitbelangte Behörde aus, ein Landeslehrer habe gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Der Beschwerdeführer habe nie bestritten, das E-Mail selbst geschrieben und versendet zu haben. Ein Beamter habe zwar das Recht, sich zur Wehr zu setzen; dies müsse aber sachlich, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgetragen werden und dürfe nicht Behauptungen enthalten, die einer Beweisführung nicht zugänglich seien. Es komme darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Es komme hingegen nicht darauf an, ob das Verhalten des Beamten in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Grundsätzlich sei Kritik an übergeordneten Behörden der Schulverwaltung zulässig und durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Dies treffe nur dann nicht zu, wenn es sich um "unsachliche oder herabsetzende Kritik" handle. Eine sachliche - wenn auch scharfe - Kritik, bei der es deutlich erkennbar nur darum gehe, dass systembedingte Missstände bekämpft werden sollten, dürften nach Art. 10 EMRK in einer freien, demokratischen Gesellschaft nicht disziplinär bestraft werden. Die genannten Formulierungen seien als unsachliche und herabsetzende Kritik nicht mehr zulässig und deshalb als Dienstpflichtverletzung zu werten. Es wäre schon aus generalpräventiven Gründen ein ungünstiges Signal, wenn gegenüber Vorgesetzten oder übergeordneten Behörden eine derart unsachliche und herabsetzende Ausdrucksweise als noch zulässig bewertet werden würde, weil dadurch letztlich das Ansehen der gesamten Schulverwaltung leiden würde. Damit solle nicht eine Kritik an einer Entscheidung der Schulverwaltung disziplinarrechtlich sanktioniert, sondern verhindert werden, dass völlig unsachliche und herabwürdigende Äußerungen von Lehrern an der bestehenden Schulverwaltung und gegenüber Vorgesetzten Teil des Schulalltags würden. Daher sei ein Freispruch nicht möglich gewesen.

Von der Verhängung einer Strafe könne aber abgesehen werden, weil die Dienstpflichtverletzung nur gering sei und deshalb ein Schuldspruch allein ausreiche, ohne dass dienstliche Interessen verletzt würden. Der Beschwerdeführer habe bisher seine Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben immer treu, gewissenhaft und unparteiisch besorgt. Daher genüge ein Schuldspruch allein, um ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Die Voraussetzungen nach § 83 LDG 1984 seien gegeben.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden, in welchen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangten Behörden legten die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren in Ansehung ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Nach § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen des 7. Abschnittes dieses Gesetzes zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Gemäß § 78 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorgesetzte jeden begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung unverzüglich zu melden, wenn nach seiner Ansicht eine Belehrung oder Ermahnung nicht ausreicht. Gemäß § 78 Abs. 2 erster Satz LDG 1984 hat die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Erhebungen zu pflegen und bei Verdacht einer Dienstpflichtverletzung Disziplinaranzeige an die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde zu erstatten. Eine Abschrift der Disziplinaranzeige ist, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, zufolge § 78 Abs. 3 LDG 1984 dem Beschuldigten unverzüglich zuzustellen. Ferner ist die Disziplinaranzeige auch dem Disziplinaranwalt zu übermitteln, sofern dieser landesgesetzlich vorgesehen ist.

Sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, finden gemäß § 91 Abs. 1 erster Satz LDG 1984 für das Verfahren vor diesen die §§ 92 bis 101 LDG 1984 Anwendung.

Gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist dieser Beschluss gemäß § 92 Abs. 2 LDG 1984 dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach dem BDG 1979 und dem LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2008/09/0326, mwN), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten (Landeslehrer) gegenüber klar zu stellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet werde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der dem Bescheid entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwieweit er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens. Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verdachtes ausgesprochen werden, der nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens war.

Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses im anschließenden Disziplinarverfahren als Prozessgegenstand behandelt werden darf.

Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens reicht es aus, wenn genügend Verdachtsgründe gegen den Beamten (Landeslehrer) vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein würden für die Einleitung eines Verfahrens nicht ausreichen.

Der Beschwerdeführer bestreitet das ihm im erstangefochtenen Bescheid vorgehaltene Verhalten im Wesentlichen nicht. Er meint indes, es sei nicht zu erkennen, warum er das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgabe beeinträchtigt habe. Es sei fraglich, ob die zum Teil im Konjunktiv verwendeten "Ausdrücke" über das normale und jedermann zustehende Kritikmaß hinausgehen würden. Diese ließen nicht erkennen, warum er seine dienstlichen Aufgaben nicht mehr sachlich wahrnehmen werde können.

Diesem im Hinblick auf die Berechtigung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 erstatteten Vorbringen ist zu entgegnen, dass das vom Beschwerdeführer versendete E-Mail hinreichende Anhaltspunkte dafür bietet, dass er die Grenzen einer zulässigen sachlichen Kritik überschritten und eine Ausdrucksweise gewählt hat, die auf eine offen gezeigte Geringschätzung, Beleidigung oder Herabsetzung seiner Vorgesetzten hindeuten. Dabei ist darauf abzustellen, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Es kommt weder auf die öffentliche Begehung der Tat noch darauf an, ob das Verhalten des Beamten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2003, Zl. 2002/09/0088, mwN). Der Verhandlungsbeschluss (§ 93 Abs. 2 LDG 1984) hat die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen, den vom Beschuldigten gesetzten strafbaren Sachverhalt darzustellen und alle Umstände anzugeben, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Insbesondere ist klarzustellen, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im Einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird, wobei die endgültige rechtliche Subsumtion dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Disziplinarbehörde vorbehalten bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2008/09/0326). Der im erstangefochtenen Bescheid gemeinsam mit dem Einleitungsbeschluss gefasste und entsprechend begründete Verhandlungsbeschluss wird diesen Anforderungen gerecht.

Der Beschwerdeführer bringt des Weiteren vor, ihm sei vor der Fassung des Einleitungsbeschlusses keine Möglichkeit gegeben worden, sich zu äußern. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK dar. Darauf ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, dass ihm nach der Aktenlage die Disziplinaranzeige vom 3. April 2009 gemäß § 78 Abs. 3 LDG 1984 zugestellt worden ist und daher keine Rede davon sein kann, dass ihm eine Möglichkeit zu Stellungnahmen vorenthalten worden sei.

Gegen den zweitangefochtenen Bescheid bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, er habe die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zum Beweis dafür gestellt, "dass nicht sachliche Gründe für seine Nichtnominierung als Hauptschuldirektor ausschlaggebend waren, wodurch seine nunmehr inkriminierte schriftliche Reaktion in einem anderen, verständlichen und entschuldbaren Licht zu sehen ist". Die Nichteinholung dieses Gutachtens durch die zweitbelangte Behörde begründe einen Verfahrensmangel.

Der Antrag auf Einholung eines berufskundlichen Gutachtens erfolgte laut Schriftsatz des Vertreters des Beschwerdeführers vom 13. Juli 2009 zum Beweis dafür, "dass seine (des Beschwerdeführers) Qualifikation die Verleihung der Leiterstelle an der Hauptschule K. gerechtfertigt hätte und seine Nichtnominierung insofern dann sachlich nicht gerechtfertigt war". Der Beschwerdeführer verkennt, dass es bei den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht darum geht, dass bzw. welche sachliche Kritik an der Personalentscheidung gerechtfertigt gewesen wäre, sondern darum, dass er die Grenzen einer sachlichen Kritik durch beleidigende Äußerungen überschritten haben soll, auch dann, wenn er mit seiner Ansicht im Recht gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher zu Recht davon Abstand genommen, das gewünschte Sachverständigengutachten einzuholen.

Im Übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer mit seinem E-Mail vom 22. März 2009 an den ihn vorgesetzten Bezirksschulinspektor die Grenzen einer sachlichen Kritik überschritten hat. Auch wenn der Beschwerdeführer sich selbst für den bestqualifizierten Bewerber gehalten hat und damit unzufrieden gewesen ist, bei der Schulleiterbestellung der Hauptschule K. nicht zum Zug gekommen zu sein, so sind seine Mutmaßungen über die für die Bestellung des Schulleiters maßgeblichen Beweggründe in einer über eine sachliche Kritik hinausgehenden polemischen anzüglichen und beleidigenden Form vorgetragen, die von der Meinungsäußerungsfreiheit iSd Art. 10 EMRK nicht mehr gedeckt ist. Zwar hat jeder Beamte das Recht, sich gegen (vermeintlich) ungerechte Behandlungen zur Wehr zu setzen. Es ist aber zu fordern, dass sich eine vorgetragene Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstands entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht beleidigende Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2002/09/0088).

Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich dagegen, dass die Öffentlichkeit einer Verhandlung durch § 93 Abs. 3 letzter Satz LDG 1984 auf die Teilnahme von drei Vertrauenspersonen besonderer Qualifikation einschränkt ist. Dies stelle keine öffentliche mündliche Verhandlung iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK dar. Er habe eine solche Verhandlung beantragt. Es werde anregt, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend § 93 Abs. 3 letzter Satz LDG 1984 einzuleiten.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die erstbelangte Behörde am 22. September 2009 über die gegenständliche Disziplinarsache mündlich verhandelt hat. In seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der zweitbelangten Behörde beantragt, jedoch ein neues, über seinen erstinstanzlichen Vortrag hinausgehendes Vorbringen nicht erstattet. Gemäß § 94a Abs. 3 Z. 5 LDG 1984 kann die Disziplinaroberkommission von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrags insbesondere dann Abstand nehmen, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Ein Sachverhalt im Sinne dieser Bestimmung ist dann als geklärt anzusehen, wenn dieser nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2008/09/0065, mwN). Von derartigen Zweifeln kann in Anbetracht des im vorliegenden Verfahren unstrittigen E-Mails des Beschwerdeführers vom 22. März 2009 keine Rede sein. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der zweitbelangten Behörde stellt daher keinen Verfahrensmangel dar.

Dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist zu entgegnen, dass er jedenfalls insofern Zugang zu einem Gericht iSd Art. 6 EMRK hatte, als die bescheidförmige Entscheidung der in letzter Instanz zuständigen Disziplinarbehörde (neben der Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen) der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Disziplinarkommissionen der Beamten in jeder Hinsicht den Anforderungen entsprechen, die Art. 6 Abs. 1 EMRK an ein "unparteiisches und unabhängiges Gericht" stellt. Ebenso wenig ist zu prüfen, ob das Verfahren vor den Disziplinarkommissionen sonst den Anforderungen an ein "faires Verfahren" zu entsprechen hat oder entsprach. Vielmehr genügt es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dem Art. 6 Abs. 1 EMRK, wenn diesem Erfordernis im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entsprochen wird (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2009, B 1008/07).

Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 9. Februar 2007 im Fall Stojakovic gegen Österreich, Nr. 30003/02, beruft, zeigt er keine Verletzung in seinem Recht auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung auf, weil in diesem Fall - anders als im vorliegenden Fall - keine Möglichkeit bestand, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben, bei welchem eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt werden kann.

Von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war abzusehen, weil der Beschwerdeführer innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt hat.

Demgemäß waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Februar 2011

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