VwGH 2009/09/0010

VwGH2009/09/001024.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 77/2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 30. September 2008, Zl. LGS NÖ/RAG/08115/Vers.Nr. 2185 151073/2008, betreffend Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2005/I/101;
AuslBG §3 Abs8 idF 2005/I/101;
AuslBG §34 Abs28 idF 2005/I/101;
AVG §56;
VwRallg;
AsylG 1997 §19;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2005/I/101;
AuslBG §3 Abs8 idF 2005/I/101;
AuslBG §34 Abs28 idF 2005/I/101;
AVG §56;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 23. März 2005 beantragte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, die Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 i.V.m. § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG. Er sei am 1. Juli 2002 nach Österreich eingereist. Mit schriftlichem Adoptionsvertrag vom 27. Juni 2004, genehmigt durch das Bezirksgericht N am 24. September 2004, sei er vom Ehepaar A und S E. als Wahlkind angenommen worden. Die Eheleute E. seien österreichische Staatsbürger, die ihm Unterhalt gewährten. Damit sei er nach § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG (idF BGBl. I Nr. 133/2003) vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice N vom 21. April 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, für ihn als türkischen Staatsangehörigen bestehe für die Einreise nach Österreich Sichtvermerkspflicht. Er verfüge weder über einen Aufenthaltstitel noch über einen Sichtvermerk, der ihn zum Aufenthalt in Österreich berechtige.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. November 2005 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1999 mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Nach seiner Wiedereinreise im Jahr 2003 habe er einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. Am 19. März 2003 sei ihm gemäß § 19 AsylG ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gewährt worden. Seine Ehefrau sei ebenfalls Asylwerberin und nicht im Bundesgebiet beschäftigt. Die Voraussetzungen für eine Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG lägen nicht vor, weil der Beschwerdeführer keine regelmäßige fortgesetzte Unterhaltszahlung durch den österreichischen Elternteil gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG erhalte.

Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. März 2008, Zl. 2006/09/0048, auf. Er führte aus, von der Rechtsprechung werde lediglich verlangt, dass ein wesentlicher Teil des Lebensunterhaltes des Wahlkindes durch Aufwendungen des österreichischen Wahlelternteiles gedeckt werden könne. Die belangte Behörde habe die Einkommensverhältnisse der Beteiligten nicht erhoben und insbesondere die beantragte Vernehmung des Adoptivvaters des Beschwerdeführers nicht durchgeführt.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 30. September 2008 wurde der genannten Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 20 Abs. 3 iVm § 1 Abs. 2 lit. m und § 3 Abs. 8 AuslBG keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung u.a. vorgebracht, er genieße gemäß § 47 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 als begünstigter Drittstaatsangehöriger von Österreichern Niederlassungsfreiheit. Er habe daher ein Aufenthaltsrecht. Die Aufenthaltsberechtigung ergebe sich aus § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997. Dem "ausgestellten Papier" komme nur deklaratorische Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - verfüge seit dem 19. März 2003 über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 Asylgesetz. Das Asylverfahren sei am 11. Mai 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer habe das Bundesgebiet am 6. Juli 2007 verlassen. Über seinen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 2008 ebenfalls rechtskräftig negativ entschieden worden. Der Beschwerdeführer sei 1973 geboren und habe das 18. Lebensjahr überschritten. Er könne sich somit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 iVm Abs. 4 Z. 1 NAG nicht auf Grund seiner Eigenschaft als Kind (bzw. Adoptivkind) eines österreichischen Staatsbürgers auf ein Niederlassungsrecht nach dem NAG berufen. Überdies sei sein Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden. Die Berechtigung zur Niederlassung nach dem NAG, die der Beschwerdeführer nicht habe nachweisen können, sei gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG (idF BGBl. I Nr. 78/2007) eine Grundvoraussetzung für die Ausnahme vom Ausländerbeschäftigungsgesetz. Der Beschwerdeführer habe darüber hinaus die im § 2 Abs. 11 AuslBG festgesetzte Altersgrenze bereits überschritten. Die Voraussetzungen für eine Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG seien nicht gegeben. Eine Anhörung des Ausländerausschusses des Landesdirektoriums des Arbeitsmarktservice Niederösterreich sei gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG durchgeführt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, für ihn sei die günstigere, zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 23. März 2005 geltende Rechtslage maßgeblich, wonach er von der Anwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auch in solchen Fällen ausgenommen sei, in denen keine Berechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz vorliege. Er sei jedoch auch nach der geltenden Rechtslage vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen, weil die bloße Abweisung (des Antrags auf Erstniederlassungsbewilligung) die belangte Behörde "nicht von der selbständigen Beurteilung und Sachverhaltsermittlung betreffend die Berechtigung zur Niederlassung" entbindet. Die belangte Behörde hätte Ermittlungen dahin gehend anstellen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 NAG gegeben gewesen wären und sie hätte den ausgewiesenen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zum Vorliegen einer Niederlassungsbewilligung Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, bis zum negativen Abschluss des Asylverfahrens am 11. Mai 2007 lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 13 AsylG 2005 besessen zu haben. Er bestreitet weiters nicht, dass sein Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 2008 rechtskräftig abgewiesen worden ist.

§ 1 Abs. 2 lit. m des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 lautet:

"(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

(...)

m) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist."

Gemäß § 34 Abs. 28 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 treten § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG sowie § 3 Abs. 8 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

Ob der Beschwerdeführer vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen und ihm daher eine Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG auszustellen ist, ist im Allgemeinen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, Zl. 2007/12/0064, mwN) nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen. Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2005, enthält zu den Änderungen (des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) keine Bestimmung, wonach die bis dahin (oder bei Antragstellung) geltende Gesetzeslage weiterhin anzuwenden wäre (vgl. etwa das zur FrG-Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 ergangene hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2005/18/0190). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (ErlRV 948 BlgNR 22. GP, 3) ergibt, diente die Einführung der Voraussetzung einer rechtmäßigen Niederlassung dem Ziel einer Abstimmung der Aufenthalts- und der Beschäftigungsrechte, die einerseits im NAG, andererseits im AuslBG geregelt sind. Der Umstand, dass das Erfordernis der rechtmäßigen Niederlassung ohne die vom Beschwerdeführer gewünschten Übergangsbestimmungen eingeführt wurde, wirft keine verfassungsrechtlichen Bedenken auf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2008/09/0025).

Selbst wenn die Behörde positiv hätte entscheiden können, solange die früher geltende Gesetzeslage noch in Geltung gestanden ist - was vorliegend nicht der Fall ist, weil der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht mehr über eine vorliegende Aufenthaltsberechtigung iSd § 19 AsylG verfügte und überdies seit dem 6. Juli 2007 nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig ist -, könnte dies für einen Entscheidungszeitpunkt nach dem 1. Jänner 2006 nicht die Anwendbarkeit dieser früher geltenden Bestimmungen bewirken (vgl. zur Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0414, und vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0209).

Gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 ist sohin Voraussetzung für die Ausnahme von der Anwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, dass der betreffende Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist. Ausnahmen vom Geltungsbereich des AuslBG gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG können unter der Voraussetzung angenommen werden, dass dem drittstaatsangehörigen Angehörigen ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wurde, der zur Niederlassung im Bundesgebiet und zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2008/09/0226). Der Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt - außerhalb der Freizügigkeitssachverhalte - konstitutive Wirkung zu. Da dem Beschwerdeführer bisher kein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden ist, der zur Niederlassung im Bundesgebiet und zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt (sein Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wurde rechtskräftig abgewiesen), hat die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG verneint und den Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung iSd § 3 Abs. 8 AuslBG abgewiesen. Anhaltspunkte für das Bestehen eines Aufenthaltsrechts gemäß § 57 NAG, das zu einer Ausnahme gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG führen könnte, bestehen nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. März 2011

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