VwGH 2009/08/0181

VwGH2009/08/01817.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des J D in G, vertreten durch Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts KG in 8020 Graz, Mariahilfer Straße 20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 24. Juni 2009, Zl. LGS600/SfA/0566/2009-Mag.WM/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litd;
AlVG 1977 §12 Abs3 litd;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld stehende Beschwerdeführer ist nach der Aktenlage Minderheitsgesellschafter der mehrheitlich im Eigentum seiner Ehegattin befindlichen H-GmbH und seit 12. Juni 1986 als deren Prokurist selbständig vertretungsbefugt. Er wurde - laut KIAB-Anzeige - am 23. März 2009 im Zuge einer Kontrolle durch ein Organ des Finanzamtes U auf der Baustelle in G angetroffen, als er für die H-GmbH - seine Ehegattin ist auch Geschäftsführerin dieses Unternehmens - eine "benötigte Tür (mit dem Firmen-Kfz nach vorherigem Einkauf bei (einem näher bezeichneten) Baustoffunternehmen) zugestellt hat."

In einer am 22. April 2009 dazu bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommen Niederschrift hat der Beschwerdeführer Folgendes angegeben (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Fehler im Original):

"Ich (der Beschwerdeführer) erkläre, dass ich am 23.3.09 den Firmenbus der H-GmbH ausgeliehen habe, um Futter meine Alm zu fahren. Allerdings mußte ich für die Firma eine Türe zustellen, damit ich den Bus am gleichen Tag bekomme. Da die Tür nicht gelagert war, habe ich diese bei der Firma K-Baustoffe in G abgeholt und auf die Baustelle in G geliefert. Ich habe dafür ca. eine Stunde gebraucht. Mein Dienstgeber war zu diesem Zeitpunkt nicht da und ich habe von mir aus gesagt, dass ich die Türe hole, so dass ich den Bus noch am gleichen Tag benutzen kann."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 24. Februar 2009 bis 23. März 2009 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. zur Rückzahlung eines Betrages von EUR 1.192,52 verpflichtet.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit 23. Dezember 2008 arbeitslos sei und seitdem Arbeitslosengeld beziehe; wie auch viele Jahre davor habe er bei der H-GmbH gearbeitet und sei vom Dezember bis April jeden Jahres saisonarbeitslos gewesen. Am 23. März 2009 sei er von Organen des Finanzamtes, Abteilung KIAB, bei Tätigkeiten gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG (Transport einer Tür für die H-GmbH) betreten worden. Da er diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht unverzüglich (also noch an jenem Tag) gemeldet habe, gelte die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt sei. Er sei deshalb zur Rückzahlung des Arbeitslosengeldes für zumindest vier Wochen verpflichtet.

Dem Berufungseinwand, es habe sich dabei um eine (einmalige) eheliche Beistandsleistung gegenüber seiner Ehegattin, der Geschäftsführerin der H-GmbH, gehandelt, wurde entgegengehalten, dass es bei einer juristischen Person keine Möglichkeit der familiären Mithilfe gebe. Unabhängig davon würde nach § 12 Abs. 3 lit. d AlVG auch dann keine Arbeitslosigkeit vorliegen, wenn der Beschwerdeführer ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb der Ehegattin tätig sei, zumal dann ebenfalls die angeführte unwiderlegliche Rechtsvermutung gelte. Im Ermittlungsverfahren sei zusätzlich festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer selbst mit 25% an der H-GmbH beteiligt und berechtigt sei, diese seit 12. Juni 1986 selbständig zu vertreten, sowie dass er seit vielen Jahren als Prokurist (Angestellter) für dieses Unternehmen arbeite. Auf Grund der unwiderleglichen Rechtsvermutung würden sich - abgesehen von der Frage der Meldung der Tätigkeit gegenüber dem AMS - weitere Prüfungen erübrigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 12 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

  1. 2. ...
  2. 3. keine oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(2) …

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

b) wer selbständig erwerbstätig ist;

...

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist;

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

...

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde;

..."

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, dieses einzustellen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

§ 25 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet (auszugsweise) wie folgt:

"§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat. …

(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme eines die Arbeitslosigkeit ausschließenden Dienstverhältnisses wendet und (neuerlich) vorbringt, dass es sich bei dem Türtransport um einen einmaligen und ohne entgeltliche Gegenleistung ausgeführten Gefälligkeitsdienst über Ersuchen seiner Ehefrau im Rahmen seiner ehelichen Beistands- und Fürsorgepflicht gehandelt habe, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in einem Dienstverhältnis steht. Sie hat § 12 Abs. 3 lit. a AlVG dadurch als erfüllt angesehen, dass der Beschwerdeführer bei dem Transport einer Tür für die H GmbH von Organen des Finanzamtes, Abteilung KIAB, betreten wurde und der Beschwerdeführer diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht unverzüglich gemeldet hat. Die Behörde ging davon aus, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist und sich auf eine unwiderlegbare Rechtsvermutung gründet.

Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270).

Die im vorliegenden Fall mit dem Firmenfahrzeug vorgenommenen Transporttätigkeit, die eindeutig im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens erfolgte, indiziert insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer seit 12. Juni 1986 auch (durchgehend) Prokurist dieses Unternehmens ist und nach der Aktenlage regelmäßig von April bis Dezember als Dienstnehmer dieses Bauunternehmens beschäftigt zu sein pflegt, das Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG, welches gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG zum Ausschluss der Arbeitslosigkeit führt. Da unbestrittenermaßen keine Meldung dieser Tätigkeit beim AMS erfolgte, kommt die unwiderlegliche Rechtsvermutung gemäß § 25 Abs. 2 AlVG zum Tragen, wonach diese Tätigkeit als über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt anzusehen ist.

Bei der H-GmbH handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, weshalb - entgegen der Beschwerdeargumentation - die für dieses Unternehmen erbrachte Leistung nicht im Rahmen einer ehelichen Beistandspflicht gegenüber der Ehegattin - ungeachtet deren Geschäftsführerfunktion - erbracht werden kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0024).

Insgesamt begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde als Ergebnis ihrer nachvollziehbaren Begründung von weiteren Ermittlungen Abstand genommen und unter Anwendung des § 25 Abs. 2 AlVG das Vorliegen einer über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnten - und damit die Arbeitslosigkeit ausschließenden - Tätigkeit bejaht und die dazu vorgesehene Sanktion bezüglich des vier Wochen davor liegenden Zeitraumes vorgenommen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 7. September 2011

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