VwGH 2009/06/0143

VwGH2009/06/014323.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des M S in T, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. Mai 2009, Zl. Ve1-8-1/549-1, betreffend Mängelbehebungsauftrag und Baueinstellung gemäß § 37 TBO (mitbeteiligte Partei: Gemeinde T), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BauO Tir 2001 §37 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BauO Tir 2001 §37 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde bewilligte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 17. Juli 2007 die Errichtung eines Schwimmteiches mit Pergola auf dem Grundstück Nr. 240/1, KG. T.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erließ am 14. Mai 2008 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Der Bürgermeister der Gemeinde T trägt Ihnen hiermit gem. § 37 TBO 2001, Abs. 1, 2 u. 3 Folgendes auf:

1. Der Badeteich erstreckt sich über die Grundstücksgrenze der Gp 239/1 und 240/1. Da der Badeteich eine oberirdische bauliche Anlage darstellt, ist dies nicht zulässig. Eine Korrektur der Grundstücksgrenze ist erforderlich.

2. Vom betroffenen östlichen Nachbar wurde nur die Zustimmung hinsichtlich der Einfriedungsmauer mit einer Höhe von über 2,00 m ausdrücklich eingeholt. Die ausdrückliche Zustimmung für die gleichzeitig geplante Geländeaufschüttung ist durch diese Unterschrift nicht gegeben. Es bedarf der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Nachbarn.

3. Es gibt Höhendiskrepanzen zwischen den Teichoberkanten in den verschiedenen Plandokumenten. Die vorn Nachbarn anerkannte Höhe ist baulich herzustellen.

4. Vom südlichen und westlichen Nachbarn (Herr (Beschwerdeführer) selbst) liegen keine ausdrücklichen Zustimmungen zum Bauvorhaben vor. Die Tatsache, dass der Antragsteller des Bauvorhabens auch Grundeigentümer der betroffenen Grundstücke ist, ist nicht Ausdruck genug der Zustimmung.

5. Der nachträglich errichtete Umgang um den Badeteich stellt eine bauliche Anlage dar, die derart in den Mindestabstandsflächen nicht zulässig ist.

6. Das geplante Rankgerüst stellt ebenso eine bauliche Anlage dar, welche in den Mindestabstandsflächen nicht zulässig ist.

7. Die bereits errichtete Bank entlang der südseitigen Grundgrenze stellt auch eine bauliche Anlage dar, welche in den Mindestabstandsflächen nicht zulässig ist.

8. Die Absturzsicherung auf der Betoneinfriedungsmauer im Osten der Teichanlage entspricht nicht der Ö-Norm.

9. Die Pergola wurde im Abstandsbereich zum östlichen Nachbarn entgegen der Ausführungen im Baubescheid mit einem Dach versehen. Dies ist nur im Rahmen einer Zusammenbauvereinbarung möglich. Kann diese nicht erwirkt werden, so ist das Dach im Abstandsbereich abzutragen und der gesetzmäßige Zustand herzustellen.

Es wird Ihnen aufgetragen, bis zum 14.6.2008 die erforderlichen Zustimmungen einzuholen und um die erforderlichen Genehmigungen anzusuchen, bzw. die oben angeführten Mängel zu beheben.

Bis zur Behebung der Mängel bzw. bis zum Vorliegen der erforderlichen Genehmigungen wird für die Anlage ein Baustop verhängt."

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 17. November 2008 ab.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, es handle sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Mai 2008 ergangenen Anordnung um eine Verfahrensanordnung, gegen die gemäß § 63 Abs. 2 AVG keine abgesonderte Berufung zulässig gewesen wäre. Die Berufungsbehörde hätte daher die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückweisen müssen. Durch die abweisende Entscheidung der Berufungsbehörde sei im Ergebnis keine Schlechterstellung des Beschwerdeführers eingetreten, sodass der bekämpfte Berufungsbescheid dessen subjektiv-öffentliche Rechte nicht habe verletzen können.

Abschließend wurde festgestellt, dass aus den Aktenunterlagen nicht hervorgehe, welche baulichen Anlagen auf den Grundstücken Nr. 240/1 und 239/1, beide KG. T., noch nicht vollendet seien, denn nur unter dieser Voraussetzung könnte die Behörde Maßnahmen auf § 33 Abs. 3 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001) stützen und eine Einstellung der Bauarbeiten verfügen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (TBO 2001), in der Fassung LGBl. Nr. 73/2007 zur Anwendung.

§ 33 Abs. 1 und 3 und § 37 Abs. 1 TBO 2001 lauten wie folgt:

"§ 33

Mängelbehebung, Baueinstellung (1) Werden im Rahmen der Bauaufsicht wesentliche Mängel in

der Ausführung eines Bauvorhabens festgestellt, so hat die Behörde dem Bauherrn die weitere Ausführung der betreffenden Teile des Bauvorhabens zu untersagen und ihm die Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen. Der Berufung gegen einen solchen Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Bei Gefahr im Verzug kann die Behörde die weitere Bauausführung durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt einstellen.

...

(3) Wird ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt, so hat die Behörde dem Bauherrn die weitere Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen. Abs. 1 zweiter und dritter Satz ist anzuwenden. Wird innerhalb eines Monats nach der Untersagung der weiteren Bauausführung nicht nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung angesucht oder wird diese versagt, so hat die Behörde dem Bauherrn die Beseitigung des Bauvorhabens aufzutragen."

"§ 37

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden."

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass mit dem erstinstanzlichen Bescheid auch ein Baustopp für die bauliche Anlage des Beschwerdeführers verhängt worden sei. Diesbezüglich könne die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend das Vorliegen einer Verfahrensanordnung nicht angewendet werden. Das Vorliegen einer selbständig nicht anfechtbaren Verfahrensanordnung sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls immer dann zu verneinen, wenn durch den Verwaltungsakt die materielle Rechtslage gestaltet werde. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben, da mit dem verhängten Baustopp dem Beschwerdeführer die Möglichkeit verwehrt worden sei, das Bauvorhaben trotz Vorliegens des rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides vom 17. Juli 2007 fortzuführen bzw. zu vollenden. Es wäre daher der Vorstellung des Beschwerdeführers Folge zu geben gewesen. Weiters biete der herangezogene § 37 TBO 2001 keine gesetzlichen Grundlage für die Verhängung eines derartigen Baustoppes. § 33 TBO 2001, der eine solche Maßnahme ermögliche, habe nicht herangezogen werden können, weil überhaupt noch nicht aktenkundig sei, welche baulichen Anlagen auf welchen der beiden Grundstücke des Beschwerdeführers noch nicht vollendet seien. Daraus ergebe sich eine weitere Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides, die von der belangten Behörde nicht aufgegriffen worden sei.

Weiters erweise sich das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der von den Baubehörden nur behaupteten Mängel im Lichte des angefochtenen Bescheides als zutreffend, da die belangte Behörde auch festgestellt habe, dass keine Ermittlungsergebnisse vorlägen, aus denen hervorginge, welche tatsächlichen Abänderungen im Vergleich zum bewilligten Baubescheid vom 17. Juli 2007 vorlägen. Die im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Abweichungen und Mängel stützten sich weiters auf Feststellungen, die sich aus einer nicht näher datierten Besichtigung und Überprüfung der baulichen Anlage des Beschwerdeführers vor dem Datum des Bescheides ergeben hätten. Diese Ermittlungsergebnisse seien dem Beschwerdeführer bis dato nicht zur Kenntnis gebracht worden und habe er daher zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, zu diesen Ermittlungsergebnissen im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG Stellung zu nehmen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 37 Abs. 1 TBO 2001 ausgesprochen, dass eine gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 im Zusammenhang mit einer Bauführung ohne Baubewilligung bzw. einer von der Baubewilligung maßgeblich abweichenden Bauführung angeordnete Fristsetzung zur Einbringung eines Bauansuchens lediglich eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrensanordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG darstellt. Während unanfechtbare Verfahrensanordnungen nur den Gang des Verfahrens regeln (wie etwa Aufforderungen zur Stellungnahme, Fristsetzungen, Aufforderungen zur Vorlage von Urkunden etc.), sprechen etwa verfahrensrechtliche Bescheide über die sich aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen ergebenden formellen Rechtsverhältnisse gestaltend oder feststellend ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 2002/06/0110).

Der verfahrensgegenständliche Ausspruch einer Untersagung der weiteren Ausführung der baulichen Anlage auf dem Baugrundstück trifft nicht bloß den Gang des Verfahrens und stellt weder eine bloße unanfechtbare Verfahrensanordnung noch einen verfahrensrechtlichen Bescheid dar. Mit dieser bescheidmäßigen Anordnung wurden vielmehr die materiellen Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers gestaltet und liegt insoweit ein materiellrechtlicher Bescheid mit dem inhaltlichen Gebot vor, die Bautätigkeit auf dem Baugrundstück einzustellen. Es stellt sich somit als inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, dass die belangte Behörde diese rechtsgestaltende materielle Anordnung der Baubehörden im Rahmen ihrer Vorstellungsentscheidung nicht zum Gegenstand ihrer Überprüfung gemacht hat.

In gleicher Weise stellt der verfahrensgegenständliche Mängelbehebungsauftrag eine bescheidmäßige Anordnung der Baubehörden dar, mit der die Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers gleichfalls materiell gestaltet wurden und mit der der Beschwerdeführer zu einem bestimmten Tätigwerden verpflichtet werden sollte. Auch in dieser Hinsicht erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Auf das weitere Beschwerdevorbringen betreffend den Mängelbehebungsauftrag und den Baustopp war daher nicht mehr einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher, da jene Teile, die als bloße Verfahrensanordnungen beurteilt werden könnten, mit dem Mängelbehebungsauftrag bzw. dem Baustopp sprachlich untrennbar verbunden sind, insgesamt inhaltlich rechtswidrig und insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. Februar 2011

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