VwGH 2009/01/0048

VwGH2009/01/004819.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, geboren am 10. Oktober 1983, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. August 2009, Zl. MA 35/IV - T 566/20 05, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Kroatien, vom 13. Oktober 2005 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei ledig, lebe jedenfalls seit August 1996 rechtmäßig im Bundesgebiet und sei niedergelassen. Laut Mitteilung der "Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht" habe der Beschwerdeführer von Oktober 2005 bis Dezember 2007, somit innerhalb der letzten drei Jahre, Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs bezogen.

Bei der Verleihungsvoraussetzung des "gesicherten Lebensunterhalts" handle es sich um eine zwingende Einbürgerungsvoraussetzung, bei deren Fehlen eine Einbürgerung nicht zulässig sei. Ein fehlendes Verschulden an der finanziellen Notlage sei nicht zu berücksichtigen. Die Feststellung, ob die Einbürgerungsbedingungen erfüllt seien, liege nicht im freien Ermessen der Behörde. Der Lebensunterhalt sei gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG nur dann gesichert, wenn das Einkommen der letzten drei Jahre zumindest die Richtsätze des § 293 ASVG erreiche und keine Sozialhilfeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen worden seien.

Dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen - wie vom Beschwerdeführer (in schriftlichen Stellungnahmen gegenüber der belangten Behörde) angegeben - "automatisch" und lediglich als Begleitmaßnahme zu seinem Aufenthalt in einer verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft erfolgt sei, lasse sich weder durch die vorgelegten medizinischen Unterlagen noch durch die Stellungnahmen des Vereins Wiener Sozialdienste oder der zuständigen Abteilung des Magistrates der Stadt Wien bestätigen. Die Sozialhilfe sei auf Antrag gewährt worden und sei auch nicht zwingend oder "automatisch" mit einer Aufnahme in die genannte Wohngemeinschaft verbunden. Abgesehen von wiederholten Behauptungen habe der Beschwerdeführer auch keinerlei sonstige Nachweise vorgelegt, inwiefern der Bezug einer Sozialhilfeleistung "medizinisch verordnet" sein könne.

Auch der Hinweis auf die bisherige Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen an den Beschwerdeführer bewirke keine Änderung der Sach- und Rechtslage, da der Beschwerdeführer seit 12. Juli 2001 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge und dessen materielle Voraussetzungen - wie der gesicherte Lebensunterhalt - seither keiner gesonderten Überprüfung nach dem Fremdengesetz 1997 oder dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu unterziehen gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG (in der Fassung vor der Novellierung durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122) ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, wonach er im Zeitraum von Oktober 2005 bis Dezember 2007 Sozialhilfeleistungen bezogen habe.

Er bringt jedoch vor, dass nach der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG entgegen der Ansicht der belangten Behörde (nur) von der Vermutung auszugehen sei, dass ein Antragsteller, der im Durchrechnungszeitraum der letzten drei Jahre keinerlei Sozialhilfe bezogen habe, grundsätzlich einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt nachweisen könne. Demgemäß stelle aber die vom Beschwerdeführer bezogene Sozialhilfeleistung während seines Aufenthalts in einer verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft kein unzweifelhaftes Indiz für einen nicht hinreichend gesicherten Lebensunterhalt dar. Der Beschwerdeführer habe nur zeitlich begrenzt, nämlich für die Dauer eines medizinisch bzw. therapeutisch verordneten Aufenthalts in einer verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft von 31. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2007 Sozialhilfe bezogen. Weder davor noch danach - und somit auch nicht zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde - habe er Sozialleistungen beantragt oder bezogen. Daraus gehe unmissverständlich hervor, dass der Beschwerdeführer zwar Sozialhilfe beantragt habe, dies jedoch als therapeutische Begleiterscheinung zum Aufenthalt in der verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft, um ihm ein eigenständiges Verhalten im Sinne einer Resozialisierung "aufzutragen". Dies zeige sich auch dadurch, dass die Sozialhilfeleistung ausschließlich zur Begleichung der Mietkosten in der verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft ausbezahlt worden sei. Wie jeder Studierende habe der Beschwerdeführer auf Grund seiner weiterhin bestehenden Unselbständigkeit einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern. Er habe der belangten Behörde im Rahmen einer aufgetragenen Stellungnahme Einkommensnachweise seiner Eltern übermittelt, sodass bereits aus dem Unterhaltsanspruch ein gesicherter Lebensunterhalt im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG abzuleiten sei. Dies habe die belangte Behörde bei der Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nicht berücksichtigt. Darüber hinaus stelle nicht jede Leistung, die nach dem Sozialhilfegesetz eines Landes in Anspruch genommen werde, eine Sozialhilfeleistung im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG dar, sondern seien damit vor allem jene Leistungen gemeint, die für den Lebensunterhalt notwendige feste und regelmäßige Einkünfte ergänzen bzw. ersetzen und somit den notwendigen Lebensunterhalt sichern würden. Demgegenüber habe der Bezug der Sozialhilfeleistung durch den Beschwerdeführer auf Grund seiner diagnostizierten schizoaffektiven Störung eine notwendige medizinisch indizierte psychotherapeutische Maßnahme dargestellt, um ihn entsprechend zu stabilisieren. Er habe mit der Sozialhilfeleistung seinen Lebensunterhalt weder ersetzen noch ergänzen müssen. Sein Lebensunterhalt sei auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht seiner Eltern vor und nach Inanspruchnahme der Wohngemeinschaft zweifelsohne gesichert gewesen, zumal ihm ansonsten wohl auch keine Niederlassungsbewilligung erteilt worden wäre. Schließlich stelle bereits der Besitz einer Niederlassungsbewilligung ein Indiz für das Vorliegen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts dar, da die materielle Umschreibung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts in § 10 Abs. 5 StbG vollständig jener in § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) entspreche.

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde geltend, dass dem Beschwerdeführer das im angefochtenen Bescheid angeführte Schreiben der "Magistratsabteilung 40" vom 15. Juni 2009 nicht zur Kenntnis gebracht und ihm dadurch die Möglichkeit einer Stellungnahme genommen worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Zur Bestimmung des § 10 Abs. 5 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass diese nicht bloß "demonstrativen Charakter" hat, sondern damit eine "Definition" der in § 10 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Verleihungswerbers vorgenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2007/01/0864, mwH).

Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmung kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang. Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Gesetzgeber die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG angeknüpft.

Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat die Verleihungserfordernisse im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu beurteilen. § 10 Abs. 5 StbG stellt klar, dass in Bezug auf das Erfordernis des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Einbürgerungswerbers nicht nur auf sein Einkommen im Entscheidungszeitpunkt abgestellt werden soll. Vielmehr erfordert die Annahme eines "hinreichend gesicherten Lebensunterhalts" eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung, die nach den gesetzlichen Vorgaben nur dann gegeben ist, wenn vom Verleihungswerber zum Entscheidungszeitpunkt feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und eine im Gesetz näher umschriebene Mindesthöhe erreichen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, Zl. 2008/01/0592, mwN).

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach fallbezogen kein unter § 10 Abs. 5 StbG fallender Sozialhilfebezug zur Sicherung des Lebensbedarfs vorliege, ist zu entgegnen, dass es sich bei den bezogenen Sozialhilfeleistungen - den insofern unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge - um vom Beschwerdeführer beantragte Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs (nach den entsprechenden Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes) gehandelt hat, und diese auch der Tragung seiner Wohnkosten (in einer verhaltenstherapeutischen Wohngemeinschaft) - und damit seiner Lebensführung - gedient haben. Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in dieser Wohngemeinschaft therapeutisch indiziert war (und ihn somit an den Umständen, die zum Bezug von Sozialhilfeleistungen geführt haben, allenfalls kein Verschulden trifft), vermag daran nichts zu ändern.

Soweit der Beschwerdeführer meint, sein Lebensunterhalt wäre durch das Bestehen eines Unterhaltsanspruches gegenüber seinen Eltern auch ohne Sozialhilfe gesichert gewesen, kommt es nach dem Gesagten auch darauf nicht an, da entsprechende Sozialhilfeleistungen unbestritten bezogen wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1408) .

Weiters hat die belangte Behörde die Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Lebensunterhalts zutreffend selbständig und allein aus Sicht des Staatsbürgerschaftsrechts vorgenommen. Zudem hat der Beschwerdeführer nicht einmal vorgebracht, einen Aufenthaltstitel innezuhaben, zu dessen Ausstellung die Sicherung seines Lebensunterhalts auf Grund der Voraussetzungen des NAG geprüft worden wäre.

Schließlich widerspricht die Behauptung einer Verletzung des Parteiengehörs im Hinblick auf das Schreiben der "Magistratsabteilung 40" vom 15. Juni 2009 der Aktenlage (und beinhaltet darüber hinaus auch keine Darstellung der Relevanz eines etwaigen Verfahrensmangels). Zum maßgeblichen Inhalt des genannten Schreibens, wonach dem Beschwerdeführer Sozialhilfe sowohl als Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs wie auch "der möglichen Höchstmiete" gewährt wurde und ein "automatischer" Bezug von Sozialhilfe nicht möglich sei, da Sozialhilfe nur auf Antrag gewährt werde, wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 30. Juli 2009 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (welche von ihm auch wahrgenommen wurde).

Davon ausgehend kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des Bezuges von Sozialhilfe durch den Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm Abs. 5 StbG als nicht erfüllt angesehen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. Oktober 2011

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