VwGH 2009/01/0020

VwGH2009/01/002017.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der M R in W, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 1. Dezember 2008, Zl. MA 35/IV - R 206/2006, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11a Abs4 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §15 Abs1 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §15 Abs1 Z3 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11a Abs4 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §15 Abs1 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §15 Abs1 Z3 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 2008 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, vom 15. November 2005 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 1, 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: StbG), ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin erfülle weder die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (ununterbrochener und rechtmäßiger zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet) noch jene des § 11a Abs. 4 StbG (ununterbrochener und rechtmäßiger sechsjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet bei Vorliegen eines der Gründe der Z. 1 bis 4 dieser Bestimmung), da sie sich erst seit Herbst 2004 nachweislich (gemeint: wieder) in Österreich aufhalte. Für den Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 habe sie lediglich punktuelle Anwesenheiten in Österreich, nicht aber ihren ununterbrochenen (gemeint: tatsächlichen) Aufenthalt im Bundesgebiet nachzuweisen vermocht. Da sie sich somit laut Aktenlage im Zeitraum der letzten zehn Jahre länger als 20 v.H. - nämlich (bis auf wenige Tage) im Zeitraum Juli 1998 bis Herbst 2004 - nicht in Österreich aufgehalten habe, sei gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts unterbrochen und habe diese erst wieder im Herbst 2004 neuerlich zu laufen begonnen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die 1979 geborene Beschwerdeführerin halte sich ihren Angaben zufolge seit 1986 im Bundesgebiet auf. Ein ununterbrochener Aufenthalt sei aber erst ab 19. Oktober 2004 - ab diesem Zeitpunkt liege eine Inskriptionsbestätigung der Universität für angewandte Kunst Wien vor - nachgewiesen. Eine Anfrage dort habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin zu ihrer Vorbildung ein "Certificate of passing examinations, Student Azadegan Arts School Teheran, fourth grade of graphics; Juni 1998" angegeben habe. In einem Schreiben vom 10. Jänner 2008 habe die Beschwerdeführerin angegeben, von 1998 bis 2004 "künstlerische und grafische Projekte in Österreich" betrieben zu haben, ohne darüber weitere Nachweise vorzulegen. Einem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung zufolge würden von 27. Juni 1997 (Ende der Mitversicherung bei ihrem Vater) bis zum 11. Juni 2005 keine Versicherungszeiten hinsichtlich der Beschwerdeführerin aufscheinen. Für den fraglichen Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 - ihren eigenen Angaben gegenüber der Universität für angewandte Kunst Wien zufolge habe sich die Beschwerdeführerin bis Juni 1998 jedenfalls in Teheran/Iran aufgehalten, um dort die 4. Stufe in Grafik zu absolvieren - habe die Beschwerdeführerin mit Urkundenvorlage vom 12. Dezember 2007 lediglich eine Zeitbestätigung einer Ärztin vom 3. August 2001, ein Schreiben einer Bank vom 18. November 1999 sowie einen Impfpass mit eingetragenen Daten vom 6. August und 17. September 2002 sowie vom 4. Oktober und 22. Dezember 2003 als Nachweise für den tatsächlichen und ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich vorgelegt.

Daran anschließend führte die belangte Behörde weitere, von der Beschwerdeführerin über Aufforderung, nähere Angaben zu ihrem tatsächlichen Aufenthalt in Österreich von 1998 bis 2004 zu machen, vorgelegte Unterlagen an und beurteilte diese wie folgt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Mit Schreiben der Antragstellerin vom 25. März 2008 wurden der Behörde betreffend den Zeitraum Juli 1998 bis Herbst 2004 folgende Unterlagen vorgelegt (welche teilweise auch schon vorher dem Aktenbestand angehörten):

Später wurden noch folgende Unterlagen vorgelegt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Gemäß § 11a Abs. 4 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn weitere nachfolgend in den Ziffern 1 bis 4 genannte Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG wird die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz unterbrochen, wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0063, und vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0047, jeweils mwH).

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Aufenthaltsfristen zwar keine (besondere) "Beweispflicht" - die belangte Behörde bedient sich in diesem Zusammenhang des insoweit irreführenden Ausdrucks "nachweisen" - trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2002/01/0064), sie aber im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG verpflichtet war, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht, 7. Auflage (2006), S. 48).

Gegen die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitraum von Juli 1998 bis Herbst 2004 nicht ununterbrochen (im Sinne der dargestellten Bestimmungen) im Bundesgebiet aufgehalten, bringt die Beschwerde (nur) vor, sie habe ihren ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet einerseits durch die ständig aufrechte polizeiliche Meldung in Wien, andererseits durch die vorgelegten Urkunden, welche nur punktuelle Aufenthaltszeiten hätten betreffen können, schlüssig und nachvollziehbar nachgewiesen.

Damit zeigt sie eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung, wonach die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden zwar auf ihre punktuelle Anwesenheit, nicht aber auf ihren ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet zwischen 1998 und 2004 schließen lassen, nach den bei der Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof anzulegenden Maßstäben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2007/01/1018, mwH) nicht auf.

Es kann der belangten Behörde nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie es als nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend ansieht, dass die Beschwerdeführerin angesichts eines behaupteten (ununterbrochenen) Aufenthaltes im Bundesgebiet im Zeitraum von 1998 bis 2004 - für den sie in ihrem am 10. Jänner 2008 vor der belangten Behörde angefertigten Lebenslauf angibt, sich mit künstlerischen und grafischen Projekten in Österreich beschäftigt zu haben - nicht in diversen Lebensbereichen in Erscheinung getreten sei und demnach ihre tatsächliche Anwesenheit in Österreich durch entsprechende (weitere) Nachweise belegen könne. Ebenso ist es nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde davon ausgehend in der "Lücke" in den österreichischen Sozialversicherungsdaten der Beschwerdeführerin von 27. Juni 1997 bis 11. Juni 2005 einen weiteren, gegen ihre überwiegende Anwesenheit im Bundesgebiet sprechenden Hinweis sieht.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, die vorgelegten Urkunden hätten (gemeint offenbar: stets) nur punktuelle Aufenthaltszeiten betreffen können, ist anzumerken, dass es ihr etwa auch offen gestanden wäre, der belangten Behörde Zeugen für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet namhaft zu machen oder die von ihr angegebenen Projekte näher zu konkretisieren.

Soweit die Beschwerde auf den Begriff des Hauptwohnsitzes verweist und dazu ausführt, die Beschwerdeführerin habe "zumindest" ihren Willen, in Österreich aufhältig zu sein, seit 1986 niemals aufgegeben, ist ihr zu entgegnen, dass es nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 1 ("rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten") bzw. des § 11a Abs. 4 StbG ("nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von") in der hier maßgeblichen Fassung nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht mehr auf den Hauptwohnsitz, sondern auf den durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde, ankommt. Aus § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erforderlich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0065, sowie vom 16. Dezember 2009, Zl. 2007/01/1030).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. November 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte