VwGH 2008/22/0809

VwGH2008/22/080913.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der AD in L, geboren am 3. Oktober 1971, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2. Juli 2008, Zl. 151.881/2-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §24;
FrPolG 2005 §24 Abs1 Z1;
NAG 2005 §41;
NAG 2005 §8 Abs2 Z1;
AuslBG §24;
FrPolG 2005 §24 Abs1 Z1;
NAG 2005 §41;
NAG 2005 §8 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den im Wege der Österreichischen Botschaft Kiew eingebrachten Erstantrag der Beschwerdeführerin, einer ukrainischen Staatsangehörigen, vom 21. Dezember 2007 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft gemäß § 13 Abs. 1 und 2, § 29 Abs. 2 und § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie gemäß § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab.

Begründend verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. Februar 2008 und vom 9. April 2008, wonach die beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin und Gesellschafterin der P Consulting GmbH nicht als die einer selbständigen Schlüsselkraft anzusehen sei.

Die Beschwerdeführerin beabsichtige - so die belangte Behörde - in Österreich als Geschäftsführerin und 40 %ige Gesellschafterin der P Consulting GmbH, einer Tochtergesellschaft einer in der Ukraine befindlichen Muttergesellschaft, selbständig erwerbstätig zu werden. Das Unternehmen solle den Kunden als Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen in den Bereichen Produktion sowie An- und Verkauf eine breite Palette wirtschaftlicher (darunter auch außenwirtschaftlicher), juristischer, organisatorischer etc. Dienstleistungen anbieten. Es solle sich mit der Durchführung von Seminaren von kurzer Dauer (Konferenzen, Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Tagungen) unter Beteiligung hochqualifizierter Fachleute aus verschiedenen Wirtschaftsbranchen befassen. Die Beratungsdienstleistungen sollten durch entsprechende Verträge und Abkommen geregelt werden. Zu den Kunden würden Industrie-, Produktions- und Handelsunternehmen, Finanzinstitutionen, Bildungseinrichtungen und andere Institutionen zählen. Es würden 10 bis 15 Kundenaufträge pro Monat und eine Intensivierung des Geschäftsverkehrs zwischen der Ukraine und Österreich erwartet. Entsprechende Verträge seien bis dato jedoch nicht vorgelegt worden. Das Unternehmen würde voraussichtlich drei bis vier weitere Personen beschäftigen, ohne dass die Schaffung von Arbeitsplätzen durch entsprechende betriebliche Unterlagen nachgewiesen worden sei, aus denen die tatsächliche Rekrutierung von Arbeitskräften glaubhaft hervorgehe. Lediglich die Behauptung geplanter Einstellungen von Mitarbeitern stelle keinen geeigneten Nachweis dafür dar, sodass die nachhaltige Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen nicht nachvollzogen werden könne. Die tatsächliche Rekrutierung von Arbeitskräften müsse von vornherein als evident angesehen werden können, in unmittelbarem Konnex mit dem Beginn einer selbständigen Erwerbstätigkeit stehen und sei durch betriebliche Unterlagen nachzuweisen. Ein diesbezügliches Beweisangebot sei nicht erbracht worden. Auf Grund der vorgelegten Unterlagen sei auch kein Transfer von Investitionskapital nach Österreich ersichtlich; es werde lediglich auf den zu erwartenden Umsatz von EUR 60.000,-- im ersten, EUR 120.000,-- im zweiten und EUR 250.000,-- im dritten Jahr verwiesen. Unterlagen dafür, dass dieser konkret für Investitionen in Österreich verwendet werde, seien ebenso wenig vorgelegt worden wie ein konkreter Zeitplan, ein Finanzplan für die Umsetzung oder ein konkretes betriebliches Konzept. Eine Umsatzsteigerung sowie eine Sicherung von Arbeitsplätzen bei einem anderen österreichischen Unternehmen seien durch die Tätigkeit der P Consulting GmbH nicht zu erkennen; auch eine Ankurbelung des Reiseverkehrs von der Ukraine nach Österreich sei nicht nachvollziehbar.

Derzeit könne in der beabsichtigten Tätigkeit der Beschwerdeführerin kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG erkannt werden, und eine ökonomische Gesamtbedeutung scheine nicht gegeben. Sie sei daher nicht als selbständige Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG zu qualifizieren.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ergibt sich aus § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein solcher vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2011, 2008/22/0309, mwN).

Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, weshalb die Beurteilung der belangten Behörde, sie erfülle diese Kriterien nicht, unrichtig sei. Die Beschwerde wiederholt im Wesentlichen jene Argumente, die bereits während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden, ohne auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid einzugehen, wonach weder ein konkreter Zeitplan noch ein Finanzplan oder ein konkretes Betriebskonzept vorgelegt wurden, die eine realistische Prognose für die in Aussicht genommene Umsatzsteigerung von EUR 60.000,-- im ersten auf EUR 250.000,-- im dritten Geschäftsjahr zuließen. Mangels entsprechender Konzepte ist auch nicht nachvollziehbar, dass durch die Tätigkeit der Beschwerdeführerin ein Transfer von Investitionskapital nach Österreich erfolgen wird, zumal - unbestritten - keine Vertragskonzepte mit in Aussicht genommenen Geschäftspartnern vorgelegt wurden. Wenn die Beschwerde diesbezüglich rügt, die Beschwerdeführerin sei wegen der abweisenden Bescheide daran gehindert gewesen, ihre unternehmerische Tätigkeit auszuüben, lässt sie dabei unberücksichtigt, dass das Vorliegen der begehrten Niederlassungsbewilligung gemäß § 8 Abs. 2 Z. 1 NAG zum Zweck der Abwicklung geschäftsanbahnender Verhandlungen - sofern dies nicht schon selbst als Ausübung einer Erwerbstätigkeit anzusehen ist - nicht erforderlich ist; für die Aufnahme einer kurzfristigen, bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit wäre auch die Erteilung eines Visums zu Erwerbszwecken gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 in Betracht gekommen.

Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die beabsichtigte Schaffung von Arbeitsplätzen nicht durch entsprechende betriebliche Unterlagen (etwa über die tatsächliche Rekrutierung von Arbeitskräften) glaubhaft gemacht worden sei, geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.

Der Beschwerde ist zwar zuzustimmen, dass in Konstellationen wie der vorliegenden (die Eintragung der Gesellschaft erfolgte erst etwa zehn Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) eine Prognoseentscheidung zu treffen ist, es wäre jedoch Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, der Behörde entsprechende Unterlagen vorzulegen, die eine realistische Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens zulassen. Lediglich die Information über geführte Gespräche und erste Vertragskonzepte - ohne diese Konzepte der Behörde vorzulegen - sind dafür jedenfalls nicht ausreichend. Im Übrigen wurde auch nicht vorgebracht, dass beabsichtigt sei, positive Betriebsergebnisse in Österreich zu investieren.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag anhand der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht zu erkennen, inwiefern durch die beabsichtigte Tätigkeit der Beschwerdeführerin ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist. Die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin erfülle die an eine selbständige Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG zu stellenden Kriterien nicht, kann somit nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. September 2011

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