VwGH 2008/21/0509

VwGH2008/21/050927.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des U, vertreten durch Dr. Klaus Kocher & Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 23. Juni 2008, Zl. 2F 632/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §7;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, gemäß seinen Angaben ein nigerianischer Staatsangehöriger und am 20. Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist, stellte hier einen Asylantrag. Bereits im November 2003 wurde dieser Antrag vom Bundesasylamt gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen; außerdem sprach es aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 23. Mai 2007 als unbegründet ab. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007, Zl. 2007/20/1080, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde ab.

In der Folge wies die Bundespolizeidirektion Graz den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19. März 2008 gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus. Sie begründete das im Wesentlichen damit, dass der nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer keine Anstrengungen unternommen hätte, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Es habe daher eine Ausweisung zu erfolgen, zumal dem Beschwerdeführer "die Aufnahme jeglicher legaler Erwerbstätigkeit verwehrt" sei, was in Verbindung mit seinem bisherigen Verhalten "jeglichen Ansatz einer möglichen Integration im Bundesgebiet zunichte macht". Eigenen Angaben zufolge bestreite er zwar seinen Lebensunterhalt durch Arbeit für ein Medienunternehmen; außerdem habe er eine ungarische Freundin, welche er ehelichen wolle. Insofern verkenne die Behörde nicht, dass die Ausweisung unter Berücksichtigung der durch die bisherige Aufenthaltsdauer gegebenen Integration einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der fremdengesetzlichen Vorschriften jedoch ein solches Gewicht bei, dass der Verstoß des Beschwerdeführers gegen diese Normen die Erlassung der Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten erscheinen lasse. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid erhobenen Berufung keine Folge. Sie führte zunächst aus, sich den Ausführungen der Bundespolizeidirektion Graz vollinhaltlich anzuschließen und diese zum Inhalt ihres Bescheides zu erheben. Betreffend der Beziehung zu der ungarischen Staatsangehörigen, die schwanger sei, sei (ergänzend) aufzuzeigen, dass der Beschwerdeführer diese kennen gelernt habe, als er von vornherein noch nicht habe wissen können, nach Abschluss seines Asylverfahrens legal in Österreich verbleiben zu dürfen. Zwar bewirke die Ausweisung eine vorübergehende Trennung von der ungarischen Lebensgefährtin, dies sei jedoch erforderlich, weil der rechtswidrige Aufenthalt im Bundesgebiet eine erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstelle. Soweit der Beschwerdeführer ausgeführt habe, er müsse für den Lebensunterhalt seiner schwangeren Lebensgefährtin sorgen, habe er nicht dargetan, inwieweit er im Besitz der Mittel zur Deckung seines Unterhaltes sei. Er könne in Österreich nämlich keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Mit seinem Verbleib in Österreich verstoße der Beschwerdeführer gröblichst gegen die Normen, die den Aufenthalt von Fremden und den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt regelten. Zwar sei von einem relevanten Eingriff in das Privat- "oder" Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, seine Ausweisung werde jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten erachtet, zumal er seinen illegalen Aufenthalt in Österreich nicht legalisieren könne. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass sich die Mutter sowie die beiden Schwestern des Beschwerdeführers in Nigeria aufhielten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass sein Asylverfahren rechtskräftig beendet ist und dass er über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfügt. Er räumt demgemäß ein, dass "grundsätzlich" der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei. Er macht aber geltend, dass die belangte Behörde keine ausreichende Abwägung dahingehend durchgeführt habe, ob die verhängte Ausweisung verhältnismäßig und daher zulässig sei. Damit spricht er § 66 FPG an, demzufolge eine Ausweisung, wenn durch sie in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auch auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2007, B 328/07 und B 1150/07, in denen - wie zu ergänzen ist: vor "Kodifizierung" entsprechender Kriterien durch die hier noch nicht anwendbare Neufassung des § 66 Abs. 2 FPG mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 - die im Einzelnen zu beachtenden Parameter festgelegt worden seien. Konkret wird dann unter dem Gesichtspunkt "Familienleben" die Beziehung zur schwangeren ungarischen Lebensgefährtin angesprochen. Außerdem bringt der Beschwerdeführer vor, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehe und selbsterhaltungsfähig sei. Unter dem Aspekt "Grad der Integration" wird weiter geltend gemacht, dass sich die belangte Behörde nicht damit beschäftigt habe, in welchem Umfang er am sozialen Leben in seinem Umfeld teilnehme und dass sie mit keinem Wort darauf eingehe, dass er der deutschen Sprache mächtig sei. Schließlich weist der Beschwerdeführer noch darauf hin, dass er strafgerichtlich unbescholten sei, dass keine intensiven familiären Kontakte zu Familienmitgliedern in Nigeria bestünden und dass er während seines gesamten Aufenthalts in Österreich aufrecht gemeldet gewesen sei und sich keinerlei Anordnungen der Asyl- oder Fremdenpolizeibehörden entzogen habe.

Die zentral ins Treffen geführte Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer - schwangeren - ungarischen Staatsangehörigen hat die belangte Behörde ohnehin berücksichtigt. Wenn sie auch ausführte, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 18. Februar 2008 ihren Nachnamen nicht habe nennen können, so folgte sie doch seinen Behauptungen zu dieser Beziehung und zum erwarteten gemeinsamen Kind. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht kann nicht davon die Rede sein, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer vorgeworfen, seine Lebensgemeinschaft (nur) zur Erschleichung eines Aufenthaltstitels eingegangen zu sein. Richtig ist, dass die belangte Behörde von einer Einvernahme der Lebensgefährtin absah; mit dem Vorbringen, bei einer solchen Einvernahme wäre hervorgekommen, dass sie (die erst seit Mai 2008 im Bundesgebiet gemeldete Lebensgefährtin) in Österreich über keine Familienangehörigen verfüge, wird aber kein relevanter Verfahrensmangel dargetan, zumal gemäß den Angaben des Beschwerdeführers vom 18. Februar 2008 - er hatte ausgeführt, seine "Lebensgefährtin" lebe in Ungarn und komme immer wieder nach Graz - offenkundig noch Bindungen zu Ungarn bestehen. Im Übrigen hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang der Sache nach zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können. Dass die erstinstanzliche asylrechtliche Entscheidung bereits im November 2003 erging und dass dem Beschwerdeführer spätestens ab diesem Zeitpunkt sein unsicherer Aufenthaltsstatus im Besonderen bewusst gewesen sein musste, sei der Vollständigkeit halber angemerkt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt in Bezug auf die hier maßgebliche Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086; siehe nunmehr, in der Fassung der genannten Novelle, § 66 Abs. 2 Z 8 FPG). Dass die Beziehung zu der ungarischen Staatsangehörigen bereits davor begonnen hätte, lässt sich weder dem Beschwerdevorbringen noch den Verwaltungsakten entnehmen.

Was die Beschäftigung des Beschwerdeführers anlangt, so ist es richtig, dass sich die belangte Behörde mit der im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptung, er verdiene als "neuer Selbständiger" in einem Medienunternehmen zwischen 350,-- und EUR 500,-- monatlich, nicht näher auseinander gesetzt hat. Ihrer Einschätzung, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, inwieweit er über ausreichende Mittel verfüge, um - wie von ihm behauptet - für seinen Lebensunterhalt und den seiner Lebensgefährtin zu sorgen, kann indes in Anbetracht der Höhe des monatlichen Verdienstes im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Bezüglich des ergänzend angesprochenen "Grades der Integration" ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführer unterlässt darzulegen, was unter dem Gesichtspunkt "Teilnahme am sozialen Leben in seinem Umfeld" bei weitergehenden Ermittlungstätigkeiten zutage getreten wäre. Mit der Behauptung, der deutschen Sprache mächtig zu sein, verstößt der Beschwerdeführer aber gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG). Im Verwaltungsverfahren waren (gute) Deutschkenntnisse nämlich nicht vorgebracht worden, vielmehr hat sich ergeben, dass der am 18. Februar 2008 erfolgten Einvernahme des Beschwerdeführers vor der Bundespolizeidirektion Graz ein Dolmetscher beigezogen werden musste.

Zusammenfassend vermag der Beschwerdeführer somit keine Umstände aufzuzeigen, die im Rahmen der gebotenen Abwägung zu dem Ergebnis hätten führen müssen, seine Ausweisung aus Österreich wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. unter Bedachtnahme auf die von ihm angesprochenen Kriterien des Verfassungsgerichtshofes (zu ihrer Berücksichtigung vor der Neufassung des § 66 Abs. 2 FPG durch die Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vgl. etwa 2.3.2. des hg. Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348) unzulässig. Die geltend gemachten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von knapp fünf Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und hätte akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde, wie schon erwähnt, vor allem auch berücksichtigen, dass er auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können.

Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Mit der belangten Behörde ist aber auch darauf hinzuweisen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens in Österreich - unrechtmäßig - verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt. Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher bewertete als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit Anfang 2008 unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden, woran letztlich auch die von ihm noch angesprochene strafrechtliche Unbescholtenheit, die nur mehr losen familiären Kontakte in Nigeria sowie die Einhaltung der melderechtlichen Vorschriften in Österreich nichts zu ändern vermögen. Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Jänner 2011

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