VwGH 2008/21/0032

VwGH2008/21/003219.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Kaigasse 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 20. November 2007, Zl. Fr-527/07, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, lebt seit November 1993, sohin seit seinem dreizehnten Lebensjahr, in Österreich. Bis zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes war sein Aufenthalt legal. Seiner Ehefrau, mit der er seit Juli 2000 verheiratet ist, und den zwei gemeinsamen Kindern wurde am 18. Oktober 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 24. November 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer in erster Instanz, mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 6. Mai 2004 in zweiter Instanz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen; diesem lag zugrunde, dass er wegen zahlreicher, zwischen November 2001 und März 2004 begangener Straftaten, insbesondere wegen (teils gewerbsmäßiger) Einbruchsdiebstähle, Körperverletzungen, gefährlicher Drohungen und eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz, vier Mal zu (teils bedingten) Freiheitsstrafen in der Höhe von insgesamt vier Jahren und zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden war. Eine gegen das Aufenthaltsverbot erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2004/18/0339, dem auch die näheren Umstände der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten entnommen werden können). Aus der letzten Strafhaft wurde er am 19. Jänner 2005 entlassen.

Am 7. Dezember 2004 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und verwies zur Begründung insbesondere auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an seine Ehefrau und seine Kinder. In einer Stellungnahme vom 27. September 2007 wies er außerdem darauf hin, dass er sich seit seiner Haftentlassung ordnungsgemäß verhalten habe und seit August 2005 einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter nachgehe. Er lebe mit seiner Ehefrau, die ein drittes Kind erwarte, seinen Kindern, seiner Mutter und seinen Brüdern zusammen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zu behandeln sei. Gemäß § 87 FPG gelte für ihn § 86 FPG. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers sei als tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr (im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG) für die Allgemeinheit zu werten, und sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Der seit der Begehung der letzten Straftaten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum sei viel zu kurz, um für ihn eine positive Zukunftsprognose erstellen zu können. Die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstärkten familiären Bindungen des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, seine privaten Interessen den öffentlichen überzuordnen. Die Durchsetzung des unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbotes zum Schutz der in Österreich lebenden Bevölkerung vor weiteren schweren Rechtsbrüchen habe demgegenüber oberste Priorität.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2011, Zl. 2009/21/0387, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Annahme der belangten Behörde, dass sein Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG darstelle. Seine Taten lägen bereits mehr als drei Jahre zurück (seither habe er keine Straftat begangen), seien sohin nicht gegenwärtig, und die Begehung eines Diebstahls stelle auch keine erhebliche Gefahr dar. Dazu komme, dass sich der Beschwerdeführer bereits mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet aufhalte; in diesem Fall müsste die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik maßgeblich gefährdet sein, wovon bei Begehung von vier Diebstählen in der Vergangenheit keine Rede sein könne.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht bloß vier Diebstähle begangen hat, sondern vier Mal rechtskräftig verurteilt worden ist, dies wegen insgesamt vierzig (teils versuchter) Einbruchsdiebstähle sowie wegen Körperverletzungen, gefährlicher Drohungen, eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz und einiger weiterer Straftaten. Schon die demnach erwiesene schwere Eigentumskriminalität reicht aber aus, um eine tatsächliche und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG zu bejahen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0568). Was das vom Beschwerdeführer behauptete Wohlverhalten seit Begehung der letzten Straftat bzw. die von ihm in diesem Zusammenhang vorgebrachte fehlende Aktualität einer Gefährdung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters primär daran zu prüfen ist, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2007/21/0447, mwN). Der Zeitraum zwischen der Haftentlassung im Jänner 2005 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides im November 2007 ist aber unter Einbeziehung der bisher gezeigten kriminellen Energie viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG schließen zu können, zumal ihn in der Vergangenheit weder die Verbüßung von Haftstrafen noch die erstinstanzliche Erlassung des Aufenthaltsverbotes von der Begehung weiterer Straftaten abhalten konnten. Dazu kommt noch - worauf die erstinstanzliche Behörde in ihrem von der belangen Behörde bestätigten Bescheid ausdrücklich hingewiesen hat -, dass der Beschwerdeführer der ihn auf Grund des Aufenthaltsverbotes treffenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, sodass von einem Wohlverhalten im fremdenrechtlichen Sinn keine Rede sein kann.

§ 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG - auf den die Beschwerde mit ihrem Vorbringen zum mehr als zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers offenbar abzielt - war auf ihn nicht anzuwenden, weil er die Voraussetzung eines zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht schon vor der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes - das ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, wobei im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbots das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten vom "maßgeblichen Sachverhalt" umfasst ist (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2007/21/0447, mwN) - erfüllt hatte.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 (Abs. 1 und 2) FPG vorgenommene Interessenabwägung. Er weist darauf hin, dass er sich seit über zwanzig Jahren (entsprechend der Aktenlage und dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren richtig: seit vierzehn Jahren) in Österreich aufhalte, mit einer Österreicherin verheiratet sei, mit dieser drei minderjährige Kinder habe und in Österreich völlig integriert sei. Auch seine Brüder lebten in seinem Haushalt, zu seinem Heimatland habe er überhaupt keine Verbindungen mehr.

Trotz der unbestrittenen persönlichen und familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich kann der belangten Behörde aber im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts der von ihm zu verantwortenden schweren Eigentumskriminalität und seiner mehrfach gezeigten Gewaltbereitschaft meint, dass die Auswirkungen auf seine Lebenssituation nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Die Trennung von seiner österreichischen Familie ist infolge des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Straftaten, insbesondere der Eigentumskriminalität, in Kauf zu nehmen. Aus dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 26. September 1997, 85/1996/704/896, (Mehemi gegen Frankreich) ist für ihn mangels Vergleichbarkeit des zugrundeliegenden Sachverhaltes - der Beschwerdeführer vor dem EGMR war bereits in Frankreich geboren worden und hatte bis zu seiner Abschiebung im Alter von 33 Jahren dort gelebt - nichts zu gewinnen.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2011

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