VwGH 2008/18/0355

VwGH2008/18/035522.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des TP in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 2008, Zl. E1/58460/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 12. September 2003 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am 29. Dezember 2004 sei ein gemeinsamer Sohn, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger sei, geboren worden.

Mitte September 2003 sei der Beschwerdeführer mit einem bis 16. Dezember 2003 gültigen Visum rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Auf Grund seines Antrages vom 23. September 2003 habe er eine vom 15. Oktober 2003 bis 15. Oktober 2004 gültig gewesene Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger nach dem Fremdengesetz 1997 erhalten. Dieser Aufenthaltstitel sei mit Gültigkeit bis 13. Oktober 2005 verlängert worden. Den Antrag vom 11. Oktober 2005 auf Ausstellung eines Niederlassungsnachweises habe der seit 1. Jänner 2006 für Niederlassungsangelegenheiten zuständige Landeshauptmann von Wien am 31. Juli 2006 abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. Februar 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, wobei zwölf Monate bedingt nachgesehen worden seien. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mindestens 32 Stück gefälschte 100-Euro-Banknoten von einem namentlich nur als "M" bekannten Dritten mit dem Vorsatz übernommen habe, sie an die Kunden seines Arbeitgebers als echt und unverfälscht auszuzahlen. Er habe zu diesem Zweck jeweils mehrere echte Banknoten aus dem Tresor seines Arbeitgebers entnommen und sie durch eine entsprechende Anzahl von Falsifikaten ersetzt. Diese seien dann zum Teil von Kollegen des Beschwerdeführers an Kunden ausgefolgt worden.

Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer bereits in den Jahren 2005 bis 2007 wegen zahlreicher schwerwiegender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden. Darunter befänden sich sieben Bestrafungen wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die dafür gültige Lenkberechtigung nach § 1 Abs. 3 Führerscheingesetz.

In ihrer rechtlichen Beurteilung stellte die belangte Behörde darauf ab, auf Grund der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe, seien gemäß § 87 FPG die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes anhand der Bestimmung des § 86 Abs. 1 FPG zu prüfen. Ausgehend von den rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers und des ihnen zugrunde liegenden Verhaltens könne kein Zweifel bestehen, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorlägen. Ein Fremder, der vorsätzlich gefälschte Banknoten der "im Gastland geltenden Währung" übernehme und als echt und unverfälscht in Verkehr bringe, gefährde die öffentliche Ordnung empfindlich. Das dahinterstehende Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an der Sicherheit des Verkehrs mit Geld, berühre.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, auf Grund des bisherigen - allerdings noch keine fünf Jahre dauernden - Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner starken familiären Bindungen müsse von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgegangen werden. Ungeachtet dessen sei es zulässig, die gegenständliche Maßnahme zu setzen. Im Hinblick "auf die besondere Gefährlichkeit der Geldfälschungskriminalität" sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, als dringend geboten zu erachten. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung, konkret für die ordnungsgemäße Abwicklung des Geldverkehrs sowie des Straßenverkehrs, sowie sein Unvermögen oder seinen ausgeprägten Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten. Einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht (mehr) zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers hätten gegenüber den oben genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Im Rahmen der Ermessensübung sei nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen gewesen, weil dies im Hinblick auf die Begehung eines Verbrechens nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Betracht gekommen sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen des in § 86 Abs. 1 FPG enthaltenen Gefährdungsmaßstabes bejaht. Das strafbare Verhalten liege bereits 3 1/4 Jahre zurück. Seit der Verurteilung seien bereits mehr als drei Jahre vergangen. Seitdem sei der Beschwerdeführer strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Es sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass ein Großteil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer an der Ausführung der Straftat nur in untergeordneter Rolle beteiligt gewesen.

Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall die Fremdenpolizeibehörde die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes ungeachtet strafgerichtlicher Erwägungen zur (teil)bedingten Strafnachsicht eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0939, mwN). Anders als der Beschwerdeführer meint, kann auch keine Rede davon sein, dass er bei den gegenständlichen Taten in lediglich untergeordneter Rolle tätig gewesen sei, zumal gerade seine Handlungen darauf abgezielt haben, verfälschte Geldscheine in Verkehr zu setzen, und er im Gegenzug die echten Geldscheine durch Austausch an sich genommen hat. Dass der Beschwerdeführer die gefälschten Geldscheine nicht selbst hergestellt hat, vermag die von ihm zu vertretenden Taten nicht in einem günstigeren Licht darzustellen. In Anbetracht seiner Handlungen kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, im vorliegenden Fall wäre die Aktualität einer vom Beschwerdeführer im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG ausgehenden Gefahr zu verneinen gewesen. Es bedarf nämlich fallbezogen eines entsprechend langen Zeitraumes, um davon ausgehen zu können, die vom Beschwerdeführer herrührende Gefahr sei bereits als weggefallen oder als maßgeblich gemindert anzusehen. Im gegenständlichen Fall kann der seit der Haftentlassung verstrichene Zeitraum noch nicht als ausreichend beurteilt werden, um dies verlässlich als gegeben zu erachten. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass sich seine Lebenssituation seit der Verurteilung stabilisiert hätte, legt er nicht dar, auf Grund welcher Umstände eine derartige Annahme gerechtfertigt gewesen wäre. Soweit er in diesem Zusammenhang seine familiären Bindungen ins Treffen führt, ist ihm entgegen zu halten, dass diese auch bereits vor den Tatbegehungen bestanden und ihn nicht daran gehindert haben, die hier in Rede stehenden strafbaren Handlungen zu begehen. Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Verlässlichkeit des Geldverkehrs berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft.

Der Beschwerdeführer wendet sich im weiteren auch gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Allerdings hat die belangte Behörde die Dauer seines bisherigen Aufenthalts, die familiären Bindungen und seine bisherige berufliche Tätigkeit in Österreich ausreichend berücksichtigt. Soweit der Beschwerdeführer auf die Unmöglichkeit der Führung des Familienlebens in seinem Heimatland hinweist, ist ihm zu entgegnen, dass die allfällige Trennung der Familienangehörigen mit Blick auf sein Verhalten und der von ihm ausgehenden Gefahr im öffentlichen Interesse hinzunehmen ist. Ebenso hat der Beschwerdeführer die mit der Wiedereingliederung in seinem Heimatland verbundenen Schwierigkeiten und ein allenfalls auf Grund der dortigen Arbeitsmarktsituation geringeres Einkommen hinzunehmen.

Vor dem Hintergrund des oben Gesagten kann dann aber den in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängeln schon deshalb keine Relevanz beigemessen werden, weil anhand der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, deren Feststellung er vermisst, nicht erkennbar ist, inwieweit diese zu einem anderen Bescheid hätten führen können.

Der Beschwerdeführer rügt auch die Ansicht der belangten Behörde, im Rahmen der Ermessensübung sei zu keinem anderen Ergebnis zu kommen, als das Aufenthaltsverbot zu erlassen. Angesichts des dargestellten Fehlverhaltens und der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z 1 FPG) wäre aber - worauf die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat - eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte Erkenntnis vom 16. Juni 2011, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes und bringt vor, es sei nicht zulässig gewesen, dieses unbefristet zu erlassen. Dem damit im Zusammenhang stehenden Vorbringen kommt aber schon deswegen keine Berechtigung zu, weil dem angefochtenen Bescheid zufolge das gegenständliche Aufenthaltsverbot auf die Dauer von zehn Jahren befristet wurde.

Anders als der Beschwerdeführer abschließend meint, ist die Anordnung oder Vornahme einer allenfalls mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot verbundenen Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem nach den Regeln des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Hinweise dafür, dass eine solche im Gefolge der gegenständlichen Maßnahme vorzunehmende Ausschreibung den Beschwerdeführer konkret in von Art. 8 EMRK berührten Interessen beeinträchtigen würde und daher im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG darauf Bedacht zu nehmen gewesen wäre, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Da sich sohin die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. September 2011

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