Normen
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs3;
FrPolG 2005 §54 Abs4;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs3;
FrPolG 2005 §54 Abs4;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der §§ 60, 61 und 86 FPG aus, der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 1995, sohin im Alter von 15 Jahren, straffällig geworden. Im Weiteren stellte die belangte Behörde die den - näher angeführten -
Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen dar.
In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde daraufhin - ungeachtet dessen, dass das gegenständliche Aufenthaltsverbot lediglich auf § 60 FPG gestützt wurde - näher aus, weshalb davon auszugehen sei, dass infolge des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers durch seinen Verbleib in Österreich die öffentliche Ordnung bzw. Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich (im Sinne des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG) gefährdet sei. Abschließend merkte die belangte Behörde (mit Blick auf § 61 Z 4 FPG) an, der Beschwerdeführer erfülle, obwohl er von klein auf im Inland aufgewachsen sei, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weil er zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.
Der angefochtene Bescheid enthält aber weder Ausführungen zur nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung noch zu jenen Gründen, die ausschlaggebend waren, das der Behörde zur Verfügung stehende Ermessen zu Lasten des Beschwerdeführers auszuüben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) die Ausweisung (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG (ebenfalls in der Stammfassung) darf eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1, 3 und 4 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1. die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen, 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen. Zufolge § 60 Abs. 6 FPG ist § 66 FPG auch im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn das Aufenthaltsverbot auf § 86 Abs. 1 FPG gegründet wird (vgl. zur Notwendigkeit der Vornahme einer Interessenabwägung auch in einem solchen Fall etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0173).
Der Beschwerdeführer rügt, dass sich die belangte Behörde mit seiner Lebenssituation nicht auseinandergesetzt habe. Die Beschwerde ist im Recht.
Der angefochtene Bescheid enthält, obwohl sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 66 FPG mit näherer Argumentation inhaltlich gegen die von der Behörde erster Instanz getroffene Interessenabwägung gewendet hat, überhaupt keine Ausführungen zu diesem Thema. Vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens und unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich geboren und zeitlebens hier aufhältig ist, war dies aber jedenfalls geboten.
Schon deswegen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aus diesem Grund aufzuheben war, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 16. Juni 2011
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