Normen
ABGB §1002;
ABGB §1005;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §10 Abs2 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §1002;
ABGB §1005;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §10 Abs2 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Antrag vom 18. April 2007 begehrte die Beschwerdeführerin, die den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge einerseits als Staatsangehörige von Georgien andererseits von Aserbaidschan geführt wird, bei der Bundespolizeidirektion Wien (unter anderem) gemäß § 65 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Aufhebung des gegen sie bestehenden Aufenthaltsverbotes. Dieser Antrag wurde von L F gestellt, der darin (auch) ausführte, von der Beschwerdeführerin zu deren Vertretung im Verwaltungsverfahren bevollmächtigt zu sein. Des Weiteren ist im Antragsschriftsatz unmittelbar unter dem Namen von L F der Zusatz "Dzt. Helping Hands" samt der Adresse dieses Vereines vermerkt.
Bereits am 29. März 2007 wurde der Bundespolizeidirektion Wien eine von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Vollmacht vorgelegt und in einem Aktenvermerk dieser Behörde am selben Tag festgehalten: "Bevollmächtigter ausgewiesen mit Personalausweis (...) nimmt am heutigen Tage Akteneinsicht".
Diese Vollmacht vom 26. März 2007 enthält (auszugsweise soweit hier relevant) folgenden Text:
"Hiermit bevollmächtige ich, (Daten der Beschwerdeführerin), Herrn L(...) F(...), geboren am (...), Staatsangehörigkeit:
Österreich, Verein helping hands, Taubstummengasse 7-9 1040 Wien, mich in meinen fremdenpolizeilichen Angelegenheiten zu vertreten und in meine Akten Einsicht zu nehmen.
..."
Mit Schreiben vom 20. April 2007 gewährte die Bundespolizeidirektion Wien der Beschwerdeführerin im von ihr angestrengten Verfahren Parteiengehör. Das diesbezügliche Schriftstück wurde L F an der Adresse des genannten Vereines zugestellt. Am 11. Mai 2007 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin ein, die von L F verfasst wurde und am Ende den Namen der Beschwerdeführerin mit dem Zusatz "vertreten durch L(...) F(...)" enthielt.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2007 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ab. Dieser Bescheid wurde wiederum L F - entsprechend der Zustellverfügung als Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin - an der Adresse des Vereins Helping Hands zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 19. November 2007 wurde gegen diesen Bescheid eine Berufung eingebracht, die im Namen der Beschwerdeführerin von Frau R gezeichnet wurde. Des Weiteren erliegt in den vorgelegten Verwaltungsakten ein als "Erteilung einer Untervollmacht" bezeichnetes Schriftstück, dem zufolge L F an R, ebenfalls mit Zustelladresse am Sitz des Vereins Helping Hands, "Untervollmacht" erteilte, die ihm von der Beschwerdeführerin in fremdenrechtlichen Fragen erteilte Vollmacht "vollinhaltlich wahrzunehmen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung ohne weiteres Verfahren gemäß § 8 iVm § 10 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) zurück.
In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass sich in den Verwaltungsakten eine von der Beschwerdeführerin persönlich unterfertigte Vollmacht sowie eine "Untervollmacht" befänden; deren jeweiligen Wortlaut gab die belangte Behörde im Anschluss wieder.
Nach Darstellung des § 10 Abs. 1 und 2 AVG führte die belangte Behörde aus, das Bevollmächtigungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und L F sei am 26. März 2007 geschlossen worden. Es sei aber aus dem Wortlaut der Vollmacht "nicht ableitbar, dass die Partei des gegenständlichen Verfahrens, nicht den Verein Helping Hands, sondern Herrn F(...) L(...) ad personam zur Vertretung bevollmächtigt" hätte. Es sei auch dieser Vollmacht nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin Herrn L F dazu bevollmächtigt hätte, das Vollmachtsverhältnis zu substituieren. Sohin sei das Einschreiten von R anhand der in den Verwaltungsakten erliegenden Vollmachten nicht gedeckt. Deshalb schreite R, ohne selbst Partei des Verfahrens zu sein, als "Vertreter ohne Vertretungsvollmacht" ein. Die von ihr eingebrachte Berufung sei der Beschwerdeführerin daher auch nicht zurechenbar.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, der angefochtene Bescheid sei erlassen worden, ohne der Beschwerdeführerin nach § 13 Abs. 3 AVG Gelegenheit gegeben zu haben, den "angeblich unklaren Zustand" aufzuklären. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
§ 10 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AVG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 158/1998) samt Überschrift lautet:
"Vertreter
§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
…
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
..."
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass anhand der im Akt erliegenden Vollmacht vom 26. März 2007 kein Zweifel besteht, dass die Beschwerdeführerin eine solche an L F erteilt hat. Dafür, dass sie den Verein Helping Hands bevollmächtigt hätte, gibt es, ungeachtet dessen, dass der Sitz des Vereines als Zustelladresse angeführt wurde, keine Hinweise. Auch den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass L F, nicht aber dem genannten Verein, als Vertreter der Beschwerdeführerin zahlreiche behördliche Schriftstücke zugestellt wurden. Dies blieb sowohl von der Beschwerdeführerin als auch L F unbeanstandet. Des Weiteren ist in diversen namens der Beschwerdeführerin an die Behörde erster Instanz erstatteten Eingaben Herr L F ausdrücklich als Vertreter der Beschwerdeführerin ausgewiesen.
Soweit im angefochtenen Bescheid offenbar - ohne dies klar auszusprechen - das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und Herrn L F in Frage gestellt wird, besteht dafür vor diesem Hintergrund weder eine aktenmäßige Grundlage noch enthält der angefochtene Bescheid insoweit eine nachvollziehbare Begründung.
Die belangte Behörde geht in ihrer Entscheidung tragend davon aus, dass L F nicht befugt gewesen sei, "Untervollmacht" an R zu erteilen. In diesem Zusammenhang weist die belangte Behörde darauf hin, dass anhand der im Verwaltungsakt befindlichen L F erteilten Vollmacht nicht ersichtlich sei, dass er diese hätte substituieren dürfen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zwischen dem Bestand einer Vollmacht und deren Beurkundung zu unterscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, Zl. 2008/22/0879). Nach § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.
Da die belangte Behörde Zweifel daran gehegt hat, dass der Bevollmächtigte L F zur Bestellung eines Untervertreters bevollmächtigt war und somit R von diesem bevollmächtigt werden konnte, hätte sie von Amts wegen entsprechende Ermittlungen vorzunehmen gehabt. In Betracht kommt dabei vor allem die Vernehmung der Vertretenen. Solche Ermittlungen sind nämlich nicht nur bei Zweifeln über den Bestand der Bevollmächtigung an sich, sondern auch bei Zweifeln über den Umfang der Bevollmächtigung oder daran, ob die Bevollmächtigung von einer hiezu befugten Person bzw. einer diesbezüglich handlungsfähigen Person erfolgte, vorzunehmen (vgl. zu einem gleichgelagerten Fall das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2005/18/0191, mwN).
Der bloße Hinweis, in der Vollmachtsurkunde vom 26. März 2007 sei die Zulässigkeit der Substitution nicht enthalten, reicht vor diesem Hintergrund nicht aus, um davon ausgehen zu können, die Berufungserhebung sei von der von der Beschwerdeführerin erteilten Vollmacht nicht gedeckt.
Sohin unterließ die belangte Behörde auf Verkennung der Rechtslage beruhend die Feststellung entscheidungserheblicher Sachverhaltselemente.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 16. Juni 2011
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