VwGH 2008/18/0028

VwGH2008/18/002822.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl über die Beschwerde der AB (vormals: R) in Wien, geboren am 24. September 1982, vertreten durch Mag. Georg Morent, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juni 2007, Zl. E1/226449/07, betreffend Erlassung einer Ausweisung nach § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführerin sei am 15. November 2004 (während der Geltung des Fremdengesetzes 1997 - FrG) eine Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 49 Abs. 1 FrG ausgestellt worden, weil ihre Großmutter österreichische Staatsbürgerin sei. Diese Niederlassungsbewilligung sei auch bereits einmal verlängert worden.

Im auf Grund des hier gegenständlichen Verlängerungsantrages vom 4. Dezember 2006 geführten Verlängerungsverfahren sei die Niederlassungsbehörde nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG (Verständigung der Fremdenpolizeibehörde zur allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) vorgegangen.

Nach § 54 Abs. 1 Z 2 FPG könnten Fremde, die sich während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegenstehe.

Die Beschwerdeführerin sei kein Kind der Zusammenführenden und darüber hinaus auch nicht mehr minderjährig. Sohin sei sie nicht als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG anzusehen. Dementsprechend dürfe ihr nach § 47 Abs. 2 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.

Des Weiteren lägen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG nicht vor. Das Einkommen der Großmutter der Beschwerdeführerin betrage EUR 1.169,--. Sohin könne sie "den Richtsatz des § 293 ASVG, d. s. für das Jahr 2007 726 EUR nicht erfüllen", weil "ihr dann selbst nur 443 EUR verblieben". Dieser Betrag liege weit unter dem Existenzminimum. Das Einkommen des Ehemannes der Zusammenführenden könne nicht berücksichtigt werden.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Erlassung der Ausweisung auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerde, die behauptet, die Großmutter der Beschwerdeführerin habe als österreichische Staatsbürgerin das ihr gemeinschaftsrechtlich (nunmehr: unionsrechtlich) zustehende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen, kein Sachverhalt zu entnehmen ist, wonach davon ausgegangen werden könnte, diese Beurteilung treffe zu.

Soweit in der Beschwerde auf ein "Verbot(es) der Inländerdiskriminierung für österreichische Staatsbürger" hingewiesen wird, ist dem zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof den damit in Zusammenhang stehenden Bedenken nicht gefolgt ist (vgl. dessen Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, Zl. G 244/09 ua.).

Zu Recht macht die Beschwerde allerdings geltend, die belangte Behörde hätte das Einkommen des Großvaters der Beschwerdeführerin in ihre Beurteilung miteinbeziehen müssen. Insoweit ist es hier ausreichend, hinsichtlich der Grundsätze der Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel und der Beurteilung der Tragfähigkeit einer Haftungserklärung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0637, zu verweisen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist im vorliegenden Fall aber auch kein Hinweis dafür vorhanden, dass die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel nach § 47 Abs. 2 NAG anstreben würde. Insoweit hat auch die Niederlassungsbehörde - zutreffend - den gegenständlichen Antrag aus dem Blickwinkel des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG geprüft. Die Ausführungen der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei nicht als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG anzusehen, gehen daher ins Leere. In diesem Zusammenhang ist die belangte Behörde allerdings auch darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag im Falle des alleinigen Fehlens besonderer Erteilungsvoraussetzungen von der Niederlassungsbehörde abzuweisen gewesen wäre und sich eine allein darauf abstellende Erlassung einer Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Z 2 FPG als nicht zulässig darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0608, mwN).

Da die belangte Behörde nach dem Gesagten den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat, war er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. März 2011

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