VwGH 2008/11/0204

VwGH2008/11/020424.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Mag. G P in G, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. Oktober 2008, Zl. P661385/43-PersC/2008, betreffend amtswegige Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Auslandseinsatzpräsenzdienstes und Entlassung aus diesem, zu Recht erkannt:

Normen

AuslEG 2001 §2 Abs1;
AuslEG 2001 §3 Abs6;
KSE-BVG 1997 §4 Abs2;
VwRallg;
WehrG 2001 §19 Abs1 Z9;
WehrG 2001 §26 Abs1 Z1;
WehrG 2001 §28 Abs4;
WehrG 2001 §45;
AuslEG 2001 §2 Abs1;
AuslEG 2001 §3 Abs6;
KSE-BVG 1997 §4 Abs2;
VwRallg;
WehrG 2001 §19 Abs1 Z9;
WehrG 2001 §26 Abs1 Z1;
WehrG 2001 §28 Abs4;
WehrG 2001 §45;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Heerespersonalamt erließ gegenüber dem Beschwerdeführer folgenden Bescheid vom 2. Oktober 2008:

"Sie werden von der Verpflichtung zur Leistung des Auslandseinsatzpräsenzdienstes aus militärischen Rücksichten von Amts wegen mit Ablauf des 2. Oktober 2008 befreit.

Sie werden daher mit Ablauf des 2. Oktober 2008 vorzeitig aus

diesem Präsenzdienst entlassen.

Rechtsgrundlage:

§ 26 Abs. 1 Z 1 im Zusammenhang mit § 28 Abs. 4 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) BGBl. I Nr. 146;

§ 2 Abs. 1 sowie § 7 des Auslandseinsatzgesetzes 2001 (AuslEG 2001), BGBl. I Nr. 55."

Zur Begründung führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 17. März 2008 den Auslandseinsatzpräsenzdienst angetreten und sei ab 3. April 2008 bei AUCON EUFOR/ALTHEA verwendet worden. Auf Grund der Zurückziehung seiner freiwilligen Meldung am 25. September 2008 sei die Entsendung des Beschwerdeführers zum Auslandseinsatz aus militärischen Rücksichten mit 1. Oktober 2008 durch Repatriierung beendet worden. Da der Wehrpflichtige nur auf Grund einer schriftlichen freiwilligen Meldung zum Auslandseinsatzpräsenzdienst herangezogen werden könne und der Beschwerdeführer seine freiwillige Meldung zurückgezogen habe, sei ein Weiterverbleib im Auslandseinsatzpräsenzdienst nicht möglich. Er habe daher ungeachtet allfälliger Ansprüche auf Dienstfreistellung mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Datum befreit und entlassen werden müssen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er erklärte, er berufe gegen den Bescheid "hinsichtlich des falschen Datums des Beginns meiner Verwendung im Einsatzraum sowie gegen das dort genannte Ende meines Auslandseinsatzpräsenzdienstes." Es hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, dass er die Rückziehung seiner Meldung im Hinblick auf gegen ihn ausgeübtes Mobbing abgegeben habe und der Dienstgeber ihm eine adäquate Ersatzposition anbieten hätte müssen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 2008 die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde insbesondere § 3 Abs. 6 und § 7 des Auslandseinsatzgesetzes 2001 - AuslEG 2001 und § 26 Abs. 1 Z. 1 iZm. § 28 Abs. 4 des Wehrgesetzes 2001 - WG 2001 an.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Zurückziehung seiner freiwilligen Meldung zum Auslandeinsatz mit Schreiben vom 25. September 2008 die gemäß § 4 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland erforderliche Freiwilligkeit aufgegeben habe und daher ehestmöglich - im Fall des Beschwerdeführers mit 1. Oktober 2008 - aus militärischen Rücksichten aus dem Einsatzraum vorzeitig zu repatriieren und in weiterer Folge von Amts wegen von der Verpflichtung zur Leistung des Auslandseinsatzpräsenzdienstes zu befreien und zu entlassen gewesen sei. Hinsichtlich des behaupteten Anspruchs auf Dienstfreistellung sei darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Dienstfreistellung gemäß § 25 Abs. 2 des Wehrgesetzes 2001 vor der Entlassung gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. bestehe. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. entlassen sondern nach § 28 Abs. 4 leg. cit. vorzeitig entlassen worden. Die Befreiung und Entlassung habe daher ungeachtet allfälliger Ansprüche auf Dienstfreistellung ausgesprochen werden müssen. In Anbetracht des Umstandes, dass vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen worden sei, habe die Durchführung des Parteiengehörs unterbleiben können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Recht auf Unterbleiben einer vorzeitigen Beendigung eines Auslandseinsatzpräsenzdienstes nach dem AuslEG 2001 sowie auf Dienstfreistellung nach § 45 WG "samt entsprechenden Bezügen" sowie durch die unrichtige Anwendung von Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des AuslEG 2001

lauten (auszugsweise):

"Auslandseinsatzpräsenzdienst

§ 2. (1) Auf den Auslandseinsatzpräsenzdienst sind, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146, betreffend den Präsenzdienst anzuwenden.

...

Sonderbestimmungen für den Auslandspräsenzdienst

§ 3.

...

(6) Soldaten, die Auslandseinsatzpräsenzdienst leisten, haben Anspruch auf Dienstfreistellung nach § 45 Abs. 1 und 2 WG 2001.

...

Zuständigkeit

§ 7. (1) Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem Wehrgesetz 2001 und dem Heeresgebührengesetz 2001, jeweils im Zusammenhang mit dem Auslandseinsatzpräsenzdienst obliegt

  1. 1. in erster Instanz dem Heerespersonalamt und

  2. 2. in zweiter Instanz dem Bundesminister für Landesverteidigung.

    ..."

    Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des WG 2001

    lauten (auszugsweise):

    "Präsenzdienstarten

§ 19. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als

...

9. Präsenzdienst im Auslandseinsatz (Auslandseinsatzpräsenzdienst).

...

Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

...

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften in der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung zu verfügen

...

Entlassung und Aufschub der Entlassung aus dem Präsenzdienst

§ 28. (1) Wehrpflichtige sind nach jeder Beendigung eines Präsenzdienstes aus diesem zu entlassen. Der Zeitpunkt der Entlassung ist, sofern er nicht

  1. 1. durch das Gesetz angeordnet wird oder

  2. 2. anlässlich der Einberufung oder während des Präsenzdienstes durch die Behörde bestimmt wurde,

    nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Entlassungsbefehl festzusetzen. Gegen den Entlassungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Zeitpunkt der Entlassung kann, sofern es militärische Rücksichten erfordern, auch durch eine allgemeine Bekanntmachung des Bundesministers für Landesverteidigung festgesetzt werden.

    ...

(4) Wehrpflichtige gelten mit Ablauf des Tages als vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen, an dem ein Bescheid über eine Befreiung oder einen Aufschub erlassen wird, sofern in diesem Bescheid kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

...

Dienstfreistellung

§ 45. (1) Personen, die

  1. 1. den Wehrdienst als Zeitsoldat oder

  2. 2. den Aufschubpräsenzdienst oder

  3. 3. den Ausbildungsdienst

    leisten, haben Anspruch auf Dienstfreistellung. Die Dienstfreistellung beträgt 30 Werktage für je ein Jahr eines solchen Wehrdienstes. Für Bruchteile dieses Zeitraumes gebührt die Dienstfreistellung anteilmäßig. Dabei gelten Bruchteile von Werktagen als volle Werktage. Wird ein solcher Wehrdienst unmittelbar in Anschluss an einen anderen Wehrdienst geleistet, so sind auch die Zeiten dieses anderen Wehrdienstes sowie allenfalls diesem ununterbrochen vorangehende weitere Wehrdienstleistungen für die Bemessung der Dienstfreistellung heranzuziehen. Die Zeiten eines Wehrdienstes, für die bereits eine Dienstfreistellung gewährt wurde, sind bei einer solchen Heranziehung jedoch nicht zu berücksichtigen.

(2) Der Zeitpunkt der Dienstfreistellung nach Abs. 1 ist vom Einheitskommandanten oder einem diesen gleichgestellten Kommandanten nach den dienstlichen Erfordernissen festzusetzen. Dabei ist auf die persönlichen Verhältnisse des Soldaten angemessen Rücksicht zu nehmen. Sofern die Gesamtdauer der für die Bemessung der Dienstfreistellung heranzuziehenden Wehrdienstleistungen zwölf Monate nicht übersteigt, ist die Dienstfreistellung unmittelbar vor der Entlassung aus dem Wehrdienst zu gewähren. Aus wichtigen Gründen kann aber in diesen Fällen die Dienstfreistellung teilweise oder zur Gänze zu einem früheren Zeitpunkt gewährt werden. Eine Dienstfreistellung für Personen im Ausbildungsdienst darf frühestens ab Beginn des siebenten Monates dieses Wehrdienstes in Anspruch genommen werden. Eine frühere Inanspruchnahme ist nach Maßgabe dienstlicher Erfordernisse möglich

..."

§ 4 des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) hat (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"§ 4. (1) Für Zwecke nach § 1 können entsendet werden

  1. 1. Angehörige des Bundesheeres,

  2. 2. Angehörige der Wachkörper des Bundes und

  3. 3. andere Personen, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben.

(2) Nach § 1 Z 1 lit. a bis d dürfen Personen nur auf Grund freiwilliger Meldung entsendet werden. Für Entsendungen nach § 1 von Personen, die den Grundwehrdienst oder Truppenübungen oder die ersten sechs Monate des Ausbildungsdienstes leisten, ist jedenfalls deren persönliche freiwillige Meldung in schriftlicher Form erforderlich.

..."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, 2004/11/0054), erlangt der Auslandseinsatzpräsenzdiener nach der erfolgten Einberufung eine Rechtsposition dahin, dass die Behörde die amtswegige Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Auslandseinsatzpräsenzdienstes, der nach § 19 Abs. 1 Z. 9 WG 2001 als Präsenzdienst gilt, nur aussprechen darf, wenn die im § 26 Abs. 1 Z. 1 WG 2001 umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. "wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern". Dem Auslandseinsatzpräsenzdienst Leistenden steht insofern das Recht zu, sich gegen eine amtswegig verfügte Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung seines Auslandseinsatzpräsenzdienstes mit der Begründung zu wehren, dass die gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen.

Wie oben wiedergegeben wandte sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht gegen die mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochene Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Auslandseinsatzpräsenzdienstes - aus militärischen Rücksichten - an sich, sondern bekämpfte ihn nur insoweit, als seinem Ausspruch auf die "im Anschluss an den Einsatz zu gewährende Dienstfreistellung" nicht Rechnung getragen wurde. Im Lichte dessen ist der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde ausgeführte Beschwerdepunkt im Hinblick auf die vorgebrachten Beschwerdegründe dahin zu verstehen, dass der Beschwerdeführer sich in dem Recht verletzt sieht, erst nach Ablauf der Zeit der Dienstfreistellung entlassen zu werden.

Hierzu ist dem Beschwerdeführer Folgendes zu entgegnen:

Nach § 4 Abs. 2 KSE-BVG dürfen Personen nur auf Grund freiwilliger Meldung ins Ausland entsendet werden. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 503 Blg. NR XX. GP, 9 f.) kommt damit der Grundsatz der Freiwilligkeit zum Ausdruck (der im Übrigen für sonstige Angehörige des Bundesheeres im engen Bereich der Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen nicht gilt). Es kann daher die erkennbare Auffassung der belangten Behörde, es erfordern die militärischen Rücksichten, dass die Entsendung nur fortbestehen kann, wenn die Freiwilligkeit auch während der Dauer der Entsendung aufrecht vorliegt und dass die Zurückziehung der freiwilligen Meldung einen Befreiungs- bzw. Entlassungsgrund aus militärischen Rücksichten darstellt, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Für die vom Beschwerdeführer vertretende Auffassung, ungeachtet der Rückziehung der freiwilligen Meldung könne eine Befreiung - so er seine Dienstfreistellung noch nicht konsumiert habe - nur unter Berücksichtigung und unter Einrechnung der Tage Dienstfreistellung ausgesprochen werden, besteht jedoch keine gesetzliche Grundlage. Denn ausgehend von § 26 Abs. 1 Z. 1 WG 2001 hat der Beschwerdeführer mit seiner Erklärung vom 25. September 2008, mit der er unmissverständlich zum Ausdruck brachte, seine freiwillige Meldung zum Auslandseinsatz "mit sofortiger Wirkung" zurückzuziehen, seine Einsatzbereitschaft für eine Entsendung im Ausland aufgegeben und war damit, da er nicht mehr im Ausland eingesetzt werden konnte, aus militärischen Rücksichten ehestmöglich von der Leistung des in Rede stehenden Dienstes zu befreien. Im Hinblick auf seine eindeutige Erklärung konnte eine noch nicht konsumierte Dienstfreistellung den Auslandseinsatzpräsenzdienst für die Dauer der noch nicht verbrauchten Tage der Dienstfreistellung wegen der nicht mehr gegebenen Freiwilligkeit nicht verlängern.

Der Beschwerdeführer wurde daher im Hinblick auf § 26 Abs. 1 Z 1 WG 2001 und, was die Entlassung anlangt, unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 4 WG 2001, in dem von ihm geltend gemachten Recht "auf Dienstfreistellung" durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2011

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