VwGH 2008/08/0202

VwGH2008/08/020219.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des M M in S, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 25. Juni 2008, Zl. LGS600/SfA/0566/2008-Sche/S, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
AVG §48;
AVG §55;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
AVG §48;
AVG §55;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 16. Mai 2008 wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Darin wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer am 14. April 2008 eine Beschäftigung als Instandhaltungstechniker und Maschinenschlosser beim Dienstgeber A mit einer Entlohnung von brutto 1.605,-- laut Kollektivvertrag zuzüglich Unterkunft, Verpflegung etc. zugewiesen worden sei, möglicher Arbeitsantritt sei der 5. Mai 2008 gewesen. Dem Beschwerdeführer wurde die Stellungnahme des Dienstgebers vorgehalten: Der Beschwerdeführer habe mindestens 1.750,-- brutto monatlich verlangt. Der Beschwerdeführer erklärte nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 AlVG, mit der Vorgehensweise des AMS nicht einverstanden zu sein. Er sei sich keiner Schuld bewusst. Er sei nicht bereit, eine Stellungnahme für das Nichtzustandekommen des Dienstverhältnisses bei A bekannt zu geben.

In einer Gesprächsnotiz vom 16. Mai 2008 hielt ein Mitarbeiter der regionalen Geschäftsstelle ein Telefonat mit einem Mitarbeiter des vorgeschlagenen Dienstgebers A fest. Der Beschwerdeführer habe sich am 2. Mai vorgestellt, er sei nicht eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe monatlich mindestens EUR 1.750,-- brutto gefordert, angeboten worden sei ein Betrag von EUR 1.605,-- brutto. Der Beschwerdeführer habe weitere Forderungen gestellt (wie geringe Bereitschaft für Überstunden; allenfalls nur mit Zeitausgleich in den darauf folgenden Tagen). A habe deswegen jegliches Interesse am Beschwerdeführer verloren. Diese Rückmeldung sei dem Beschwerdeführer bekannt gegeben worden. Der Beschwerdeführer habe mitgeteilt, nie behauptet zu haben, um den angebotenen Betrag nicht zu arbeiten. Er habe nur mitgeteilt, dass er sich in diesem Fall kein Auto mehr leisten könne und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müsse. Er habe auch nie behauptet, keine Überstunden zu machen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 2. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführer des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 5. Mai bis 15. Juni 2008 verlustig erklärt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ohne triftigen Grund die ihm zugewiesene Beschäftigung bei A nicht angenommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Beim Bewerbungsgespräche sei über Umfang und Inhalt der Arbeitsbedingungen gesprochen worden. Er habe den Eindruck gehabt, dass es sich eher um Hilfsarbeitertätigkeiten handle und nur zum Teil Tätigkeiten eines Maschinenschlossers ausgeführt werden sollten. Er habe lediglich seine Sorge geäußert, dass er, wenn er nicht als Facharbeiter entlohnt werde, Probleme bei der Finanzierung der Reisekosten zum und vom Arbeitsplatz haben könnte. Er habe aber keine dezidierte Lohnforderung gestellt und auch nicht gesagt, die Beschäftigung nicht annehmen zu wollen.

Die belangte Behörde wandte sich telefonisch an einen Mitarbeiter der A. Dieser teilte mit, das Vorstellungsgespräch mit dem Beschwerdeführer sei anfangs sehr angenehm verlaufen, der Beschwerdeführer habe über ausgezeichnete Bewerbungsunterlagen verfügt und einen sympathischen Eindruck hinterlassen. Im Verlauf des Gesprächs habe der Beschwerdeführer aber vermehrt Forderungen gestellt, wie etwa Überstunden nur in Ausnahmefällen leisten zu können, allenfalls hiefür am nächsten Tag Zeitausgleich konsumieren zu können. Außerdem habe er angegeben, mit dem angebotenen Gehalt von EUR 1.605,-- brutto (Kollektivvertrag Tischler) sich sein Auto nicht mehr leisten zu können; er sei Metallfacharbeiter und stelle sich daher eine Entlohnung nach dem Kollektivvertrag Metaller vor. Je länger das Gespräch gedauert habe, desto eher habe er den Eindruck gewonnen, dass der Beschwerdeführer bewusst unakzeptable Forderungen gestellt habe; er habe sich gezwungen gesehen, von einer Einstellung Abstand zu nehmen.

Der Beschwerdeführer erklärte hiezu - ebenfalls telefonisch befragt -, er habe lediglich darauf hingewiesen, dass er Metallfacharbeiter sei. Ihm sei nicht klar gewesen, warum er nach dem Kollektivvertrag Tischler entlohnt werde. Er habe dem Mitarbeiter der A aber auch mitgeteilt, er wisse, dass er sich das nicht aussuchen könne, da er auf Grund seines Notstandshilfebezuges sowieso keinen Berufs- und Entgeltschutz mehr habe. Zutreffend sei, dass er darauf hingewiesen habe, sich bei der angebotenen Entlohnung sein Auto nicht mehr leisten zu können. Nicht zutreffend sei, dass er angegeben habe, nur in Ausnahmefällen zu Überstunden bereit zu sein. Er sei aber Alleinerzieher und wolle nicht Tag und Nacht arbeiten. Außerdem sei ihm Zeitausgleich lieber als Überstunden gegen Bezahlung. Betreffend den Zeitausgleich am nächsten Tag habe er lediglich gemeint, wenn er am Samstag Überstunden mache, habe er ohnehin am Sonntag frei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei gelernter Maschinenschlosser und habe die Lehrabschlussprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert. Sein letztes längeres Dienstverhältnis habe im Jahr 2000 geendet, seither sei die Arbeitslosigkeit nur durch einige sehr kurze Dienstverhältnisse unterbrochen worden. Nach Schilderung der telefonischen Erhebungen der belangten Behörde wurde ausgeführt, im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei der Eindruck gewonnen worden, dass die Angaben des Dienstgebers sehr nachvollziehbar erschienen, da dieser den Beschwerdeführer anfangs sehr positiv beschrieben habe; bei dem bekannten Metallfacharbeitermangel hätte der Dienstgeber keine Veranlassung gehabt, den Beschwerdeführer nicht einzustellen. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers lasse sich hingegen die in Anbetracht der langen Arbeitslosigkeit notwendige und zu erwartende Bereitschaft, alles daran zu setzen, das Beschäftigungsproblem zu lösen, nicht ableiten. Gerade nach langer Arbeitslosigkeit müsse man annehmen, zuerst ein Dienstverhältnis zu erlangen und erst nach erbrachten Leistungen gewisse Forderungen, wie zum Beispiel höhere Entlohnung, an den Dienstgeber zu stellen. Die aus dem Ermittlungsverfahren begründete Vermutung, die Integration des Beschwerdeführers in den Arbeitsmarkt sei weniger auf fachliche Defizite als auf die Einstellung und Prinzipien des Beschwerdeführers hinsichtlich Arbeit und Arbeitsverhältnis zurückzuführen, werde überdies durch Rückmeldungen anderer Dienstgeber sowie Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt, welche der Beschwerdeführer absolviert habe, bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder der die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung um weitere zwei Wochen.

Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG sinngemäß für die Notstandshilfe.

2. Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, anderseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzuhalten, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0064).

3. Der Beschwerdeführer räumt in der Beschwerde ausdrücklich ein, dass ihm die zugewiesene Arbeit zumutbar gewesen sei. Er rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Die belangte Behörde habe durch telefonische Befragung die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit verletzt. In diesem Zusammenhang wird auch die Beweiswürdigung bekämpft. Schließlich wird auch ausgeführt, das festgestellte Verhalten sei keine Vereitelungshandlung.

4. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass dem Verwaltungsverfahren die Grundsätze der Mündlichkeit wie auch der Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens fremd sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 55 Rz 2 mwN). Gemäß § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Als Beweismittel kommen demnach auch telefonische Befragungen in Betracht (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO § 48 Rz 12). Die Behörde darf sich allerdings nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit solchen Befragungen zu begnügen. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, Zl. 2008/08/0010, mwN).

Eine derartige niederschriftliche Befragung erfolgte im hier vorliegenden Fall nicht. Ein relevanter Verfahrensmangel kann damit allerdings nicht aufgezeigt werden, weil bereits unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers von einer Vereitelung auszugehen ist:

Nach diesen Angaben hat der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen, dass er Metallfacharbeiter sei und es ihm nicht klar sei, warum er nach dem Tischler-Kollektivvertrag entlohnt werde. Er habe auch gesagt, dass er wisse, als Notstandshilfebezieher könne er sich dies nicht aussuchen. Er habe auch darauf hingewiesen, dass er sich bei der angebotenen Entlohnung sein Auto nicht mehr leisten könne.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar zulässig, anlässlich eines Bewerbungsgespräches bestimmte Vorstellungen oder Wünsche bezüglich der Entlohnung zu äußern. Erfolgt aber im Hinblick darauf eine sofortige Absage des potenziellen Arbeitgebers oder führt die Bewerbung nicht sogleich zum Erfolg, weil sich etwa der Dienstgeber eine Entscheidung über die Anstellung vorbehält, so liegt es am Arbeitslosen, eine Klarstellung in der Richtung vorzunehmen, dass es sich bei seinen Äußerungen lediglich um eine Wunschvorstellung, nicht jedoch um eine konkrete Lohnforderung handelt und er auch bereit sei, zur angebotenen kollektivvertraglichen Entlohnung zu arbeiten. Bei Unterlassung einer solchen Klarstellung nimmt der Arbeitslose das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0064, mwN).

Der Hinweis des Beschwerdeführers, er wisse, dass er es sich nicht aussuchen könne, kann zwar allenfalls noch als derartige Klarstellung beurteilt werden. Im Zusammenhang mit dem weiteren Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass er sich in diesem Fall aber sein Auto nicht mehr leisten könne, musste der Gesprächspartner aber insgesamt den Eindruck gewinnen, der Beschwerdeführer bekunde kein wirkliches Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit, sondern er bewerbe sich nur unter Druck des Arbeitsmarktservice, ohne selbst tatsächlich die Stelle anzustreben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0142). Dieses Verhalten war - wie aus der geschilderten Stellungnahme des potentiellen Dienstgebers hervorgeht - kausal dafür, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande kam; durch dieses Vorgehen nahm der Beschwerdeführer dies auch in Kauf. Damit ist auch die Rechtsrüge nicht begründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Oktober 2011

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