VwGH 2007/18/0754

VwGH2007/18/075410.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der H B in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. März 2007, Zl. SD 1650/06, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 idF 2006/II/532;
KBGG 2001;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293 idF 2006/II/532;
KBGG 2001;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bangladesch, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am 26. Mai 2006 einen Verlängerungsantrag zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Sohn gestellt. Der Zusammenführende verfüge jedoch über kein ausreichendes Einkommen, um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu gewährleisten. Er beziehe ein Schulungsgeld in der Höhe von monatlich EUR 743,-- und habe für den Monat Februar 2007 eine Lohnabrechnung (der K M KEG) vorgelegt, wonach er netto EUR 341,03 verdient habe. Ab 5. März 2007 werde er einer vorgelegten Einstellungszusage zufolge bei einer Hotelgesellschaft mbH beschäftigt und dort EUR 1.176,-- brutto verdienen. Die Ehefrau des Zusammenführenden beziehe Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von EUR 618,-- (zuzüglich Familienbeihilfe).

"Der Einfachheit halber" - so die belangte Behörde - werte sie den in der Einstellungszusage angeführten Bruttoverdienst zugunsten des Beschwerdeführers als Nettoverdienst. Laut "Existenzminimumbroschüre des Bundesministeriums für Justiz (2007)" betrage das Existenzminimum bei zwei Unterhaltspflichtigen (Ehefrau und Kind) EUR 1.258,--. Die Leistungsfähigkeit des Zusammenführenden für die Bestreitung des Unterhaltes der Beschwerdeführerin betrage somit nur EUR 259,-- (EUR 1.176,-- von der Hotelgesellschaft mbH zuzüglich EUR 341,03 von der K M KEG abzüglich EUR 1.258,-- Existenzminimum), erforderlich wären jedoch EUR 726,--. "Kindergeld, Familienbeihilfe etc." seien zweckgewidmet und dürften nicht zur finanziellen Unterstützung der Beschwerdeführerin herangezogen werden. Eigene feste und regelmäßige Einkünfte seien von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Dem von der Beschwerdeführerin begehrten (weiteren) Aufenthaltstitel stehe daher ein Versagungsgrund entgegen, sodass sie gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG ausgewiesen werden könne.

Weiters gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin auch mit Blick auf Art. 8 EMRK zulässig sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin unstrittig während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, die Beschwerdeführerin habe den Besitz ausreichender Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht, weshalb die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nicht erfüllt sei und dies der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegenstehe.

Dabei hat sie jedoch verkannt, dass sie hinsichtlich der Deckung des Bedarfs für den Sohn der Beschwerdeführerin, seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau sowie das minderjährige Kind auf den Ausgleichszulagenrichtsatz gemäß § 293 ASVG (in der Fassung BGBl. II Nr. 532/2006) abzustellen gehabt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, Zl. 2008/21/0478). Demnach ist für den Zusammenführenden, seine Ehefrau und deren Kind ein Unterhalt in Höhe von EUR 1.167,23 erforderlich (vgl. zur Berechnung etwa das hg. Erkenntnis vom 26. August 2010, Zl. 2008/21/0024, mwN). Zur Deckung des Lebensbedarfs des Beschwerdeführers selbst hätte - insoweit ist die belangte Behörde im Recht - ein dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG entsprechender Betrag von EUR 726,-- zur Verfügung stehen müssen. Auf Basis der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage wäre damit zur Aufbringung der notwendigen Mittel ein monatliches Einkommen von EUR 1.893,23 erforderlich gewesen.

Soweit die belangte Behörde das Kinderbetreuungsgeld in Höhe von EUR 618,-- bei der Berechnung des "Haushaltseinkommens" unberücksichtigt ließ, hat sie die Rechtslage ebenfalls verkannt (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2010, Zl. 2009/22/0026, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Die Familienbeihilfe hat hier hingegen - diesbezüglich ist der belangten Behörde zuzustimmen - bei der Prüfung des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel für einen Fremden außer Betracht zu bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2007/18/0689).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass - basierend auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach von einem monatlichen Nettoeinkommen des Sohnes der Beschwerdeführerin in der Höhe von EUR 1.176,-- ausgegangen werde - bei Berücksichtigung der Sonderzahlungen sowie des Kinderbetreuungsgeldes ausreichende Mittel vorhanden wären, um sowohl für den Zusammenführenden, seine Ehefrau und sein Kind als auch für die Beschwerdeführerin den notwendigen Unterhalt sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, wenn der Zusammenführende - wovon die belangte Behörde bei ihren Berechnungen erkennbar ausging - weiterhin für die K M KEG tätig ist.

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, weshalb auf die weiteren Beschwerdeausführungen nicht mehr einzugehen war.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. Mai 2011

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