VwGH 2010/22/0186

VwGH2010/22/018614.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. September 2010, Zl. E1/18421/2010, betreffend Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. September 2010 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am 4. August 2003 eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei "mit 26.3.2010 gemäß den §§ 7, 8 Asylgesetz 1997, ohne Ausweisung, rechtskräftig negativ abgeschlossen worden". Am 28. April 2010 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG eingebracht.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

Mit der Ausweisung erfolge ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben. Dieser Eingriff mache die Ausweisung aber nicht unzulässig. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse daran, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit August 2003, sohin seit sieben Jahren, sei "von vornherein nicht auf Dauer angelegt" gewesen und seit einem halben Jahr rechtswidrig. Es bestehe kein Familienleben in Österreich. Der Beschwerdeführer sei volljährig und ledig und lebe allein in einem Flüchtlingsheim in I. Sein Onkel lebe mit eigener Familie in I; die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers lebten in der Türkei. Der Beschwerdeführer gelte - infolge Tilgung seiner Vorstrafe - als strafgerichtlich unbescholten und habe in den Jahren 2006 bis 2008 gearbeitet. Er sei am inländischen Arbeitsmarkt nicht integriert.

Es überwögen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich darin manifestierten, dass das Asylrecht nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen dürfe. Das Privatleben des Beschwerdeführers wiege "nicht zu Ihren Gunsten, sodass sich im Ergebnis die Ausweisung als zulässig erweist". Durch die Rückkehr in die Türkei bewirkte Unannehmlichkeiten müsse der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung in Kauf nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde. Da auch sonst kein Hinweis auf eine Rechtmäßigkeit seines inländischen Aufenthalts ersichtlich ist, hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Heranziehung des Ausweisungstatbestandes des § 53 Abs. 1 FPG durch die belangte Behörde.

Es ist aber auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 FPG nicht zu beanstanden.

§ 66 FPG lautet auszugsweise:

"§ 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

    (3)…"

    Der Beschwerdeführer hält sich zwar nunmehr bereits ca. sieben Jahre in Österreich auf, verfügt aber hier weder über eine berufliche Integration noch über eine Kernfamilie.

    Die belangte Behörde hat zutreffend auf das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften verwiesen, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Die lange Dauer des Asylverfahrens führte zwar zu einer Integration in Österreich, mindert aber an sich noch nicht das genannte öffentliche Interesse, demzufolge Asylwerber nach Ablehnung ihrer Asylanträge den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise herzustellen haben. Dabei kann es dahinstehen, dass - wie die Beschwerde behauptet - es erst mit Einrichtung des Asylgerichtshofs "zu einer radikalen und nicht zu erwarten gewesenen Änderung der Judikatur" gekommen sei. Der Beschwerdeführer übersieht, dass er jedenfalls nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages von einem unsicheren Aufenthaltsstatus auszugehen hatte. Auch wenn der Beschwerdeführer bereits als Straßenarbeiter für die Stadt I in den Jahren 2006 bis 2008 tätig gewesen sei und nunmehr über eine Einstellungszusage eines Betreibers eines Gasthofes verfüge, kann nicht von einer solchen beruflichen Integration gesprochen werden, die die Erlassung einer Ausweisung unzulässig machen würde.

    Letztlich wird zur Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren geführt, kein relevantes Vorbringen erstattet.

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 14. Dezember 2010

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