VwGH 2010/17/0009

VwGH2010/17/00099.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der M B in R, vertreten durch Aigner Fischer Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in 4910 Ried im Innkreis, Gartenstraße 38, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 25. September 2009, Zl. BMLFUW.LE.4.1.10/0750- I/7/2009, betreffend einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2008 (Anerkennung als Sonderfall Neueinsteiger), zu Recht erkannt:

Normen

32003R1782 GAP-Beihilfen Art29;
32003R1782 GAP-Beihilfen Art42 Abs3;
MOG 2007 §8 Abs2 Z10;
32003R1782 GAP-Beihilfen Art29;
32003R1782 GAP-Beihilfen Art42 Abs3;
MOG 2007 §8 Abs2 Z10;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 30. Dezember 2008 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2008 negativ beschieden. Zum "Sonderfall-Neubeginner" führt die Bescheidbegründung aus, dass die Voraussetzung (für eine positive Beurteilung) nicht erfüllt sei. Weiters heißt es, die einheitliche Betriebsprämie könne nur gewährt werden, wenn der Betriebsinhaber über Zahlungsansprüche verfüge und ein entsprechender Antrag gestellt werde.

1.2. Mit ihrem Bescheid vom 25. September 2009 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens (einschließlich des Beweisverfahrens vor der belangten Behörde) und der nach Ansicht der belangten Behörde heranzuziehenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde entscheidungswesentlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass zwar die in § 8 Abs. 2 Z. 10 MOG 2007 genannten Voraussetzungen für die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner gegeben seien, dass jedoch unabhängig davon gemäß Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für den Erhalt der Zahlungen künstlich geschaffen worden seien.

Die Flächen des Betriebes der Beschwerdeführerin seien in den Vorjahren von (den Vorpächtern) E. B. (ihrem Ehemann) bzw. der B. KEG (an dieser ist nach dem Beschwerdevorbringen der Ehemann der Beschwerdeführerin als Komplementär beteiligt) bewirtschaftet worden. Mit der Weitergabe der Flächen wurden von den bisherigen Bewirtschaftern keine Zahlungsansprüche mitübertragen oder weitergegeben. Dies sei - so die belangte Behörde - insofern bemerkenswert, als beide Betriebsinhaber (E. B. und die B. KEG) Zahlungsansprüche ohne Weitergabe von beihilfefähigen Flächen an einen Dritten, nämlich H. B. (den Bruder des Ehemannes der Beschwerdeführerin) übertragen hätten.

Im Zusammenhang mit der nichterfolgten Weitergabe von Zahlungsansprüchen sei klar erkennbar, dass hier bewusst und auch künstlich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Neubeginnerregelung geschaffen worden seien.

Auch wenn die Beschwerdeführerin Rechnungsbelege zu Betriebsmitteln bzw. zum Produktverkauf und teilweise auch zum Maschineneinsatz habe vorlegen können, werde ein nicht unerheblicher Teil der Arbeiten innerhalb der Familie geleistet bzw. erfolge eine gemeinsame Nutzung innerhalb der Familie. Es liege keine Abrechnung wie unter Fremden vor. Eine derartige Abrechnung wie unter Fremden sei aber Voraussetzung, um von einem eigenständigen Betrieb sprechen zu können.

Die bloße Heraustrennung der Flächen (bzw. auch der Betriebsstätte) aus den beiden Betrieben der Vorbewirtschafter, eine gemeinsame Nutzung von Maschinen und die Mithilfe im Familienverband ohne Abrechnung wie unter Fremden sowie eine idente Bewirtschaftungsform zeige, dass es keine betriebswirtschaftlichen Überlegungen - wie etwa eine Spezialisierung der Betriebszweige - gewesen seien, die die Beschwerdeführerin zur Betriebsgründung veranlasst hätten. Wesentliches Ziel und Zweck sei es vielmehr gewesen (zusätzliche) Zahlungsansprüche zu erhalten, was bei weiter andauernder Nutzung der Flächen durch die bisherigen Betriebsinhaber nicht möglich gewesen wäre.

Betrachte man alle drei Betriebe im Jahre 2008 gemeinsam, zeige sich als einziger Unterschied, dass nunmehr anstelle von bisher zwei Betrieben drei Betriebe vorhanden seien; hinsichtlich des Ausmaßes und der Nutzung der bewirtschafteten Flächen selbst bzw. des geleisteten Maschinen- und Arbeitseinsatzes seien keine Unterschiede erkennbar. Die Zusammenarbeit der Familienmitglieder könne nicht dazu benutzt werden, die für eine Anerkennung als Sonderfall Neubeginner notwendige Selbständigkeit der Betriebe und damit insbesondere auch das Vorliegen einer Abrechnung wie unter Fremden zu umgehen.

Bei der vorliegenden "Neugründung" des Betriebes handle es sich daher um eine wirtschaftlich ungewöhnliche und unangemessene Sachverhaltskonstellation, die künstlich geschaffen worden sei und die nur durch die Möglichkeit der Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve zu erklären sei. Zusätzlich käme der neue Betrieb auch noch für die ersten EUR 5.000,-- Direktzahlungen in den Genuss des Modulationsfreibetrages.

Auch die auf der einen Seite erfolgte Weitergabe von Zahlungsansprüchen ohne Fläche an einen Dritten durch die bisherigen Bewirtschafter der Flächen, während auf der anderen Seite die Flächen ohne Zahlungsansprüche an die Beschwerdeführerin weitergegeben worden sei, zeige, dass diese Transaktionen künstlich und "bar jeder wirtschaftlichen Realität durchgeführt" worden seien.

Zusammenfassend kam die belangte Behörde daher zu dem Schluss, dass ein Anwendungsfall des Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vorliege und dem Antrag auf Anerkennung als Sonderfall Neubeginner nicht stattgegeben werden könne.

1.3. Mit Beschluss vom 30. November 2009, B 1352/09-3, lehnte der dagegen zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

1.4. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin in ihrer - ergänzten - Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001, ABl. L 270 vom 21. Oktober 2003, Seite 1, können die Mitgliedstaaten die nationale Reserve nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen vorrangig zur Gewährung von Referenzbeträgen an Betriebsinhaber, die nach dem 31. Dezember 2002 - oder im Jahr 2002, ohne jedoch Direktzahlungen erhalten zu haben - eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben, verwenden.

Art. 29 der genannten Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 lautet

wie folgt:

"Beschränkung der Zahlungen

Unbeschadet besonderer Bestimmungen in einzelnen Stützungsregelungen erhalten Betriebsinhaber keine Zahlungen, wenn feststeht, dass sie die Voraussetzungen für den Erhalt solcher Zahlungen künstlich geschaffen haben, um einen der Zielen der betreffenden Stützungsregelung zuwider laufenden Vorteil zu erwirken."

§ 8 Abs. 2 Z. 10 des Marktordnungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 55/2007, in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung lautete wie folgt:

"10. In Anwendung des Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 werden in den Antragsjahren 2008 und 2009 Betriebsinhaber, die

a) seit 1. Jänner 2004 begonnen haben, einen landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu führen und keine Zahlungsansprüche für diesen Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen erhalten haben und

b) die Voraussetzungen für die Niederlassungsbeihilfe gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, ABl. Nr. L 277 vom 21.10.2005, Seite 1 erfüllen,

Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve zugewiesen. Die Anzahl der zuzuteilenden Zahlungsansprüche ergibt sich aus dem verfügbaren Ausmaß an beihilfefähigen Flächen, für die bislang keine Zahlungsansprüche zugeteilt wurden, wobei mindestens 4 ha beihilfefähige Flächen vorhanden sein müssen. Flächen, für die Zahlungsansprüche mitübertragen worden sind, sind nicht einzubeziehen."

Gemäß § 7 Abs. 2 der bis 31. Dezember 2009 geltenden Einheitliche Betriebsprämie-Verordnung 2007, BGBl. II Nr. 322, war die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner im Sinne des § 8 Abs. 2 Z. 10 MOG 2007 spätestens bis zum Ende der Antragsfrist für den Sammelantrag 2008 oder, sofern nicht bereits auf Grund des Antrags im Jahr 2008 eine Anerkennung als Sonderfall Neubeginner erfolgte, Sammelantrag 2009 mittels eines von der AMA aufzulegenden Formblattes zu beantragen. Das Vorliegen der Voraussetzungen war durch geeignete Unterlagen zu belegen.

2.2. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin die in § 8 Abs. 2 Z. 10 MOG 2007 (in der hier anzuwendenden Fassung) genannten Voraussetzungen (unabhängig von der Frage, ob nicht diese Bestimmung voraussetzt, dass Flächen vorhanden waren, "für die bislang keine Zahlungsansprüche zugeteilt wurden") erfülle, diese Voraussetzungen jedoch im Sinne des Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 künstlich geschaffen worden seien.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - von der Beschwerde unwidersprochen - darauf verwiesen, dass zu den beiden Betrieben der Vorbewirtschafter nunmehr als dritter Betrieb derjenige der Beschwerdeführerin hinzugetreten sei; weder an den bewirtschafteten Flächen noch an der Art der Bewirtschaftung oder dem Maschinen- und Arbeitseinsatz habe sich Wesentliches geändert. (Soweit die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof angibt, die B. KEG habe sich das Ziel gesetzt, Ölkürbisse anzubauen, handelt es sich - worauf die Gegenschrift zutreffend verweist - um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Aber selbst bei deren Berücksichtigung würde sich an der rechtlichen Beurteilung nichts Entscheidendes ändern.)

Bei der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung ergibt sich somit ein Bild, bei dem der Verwaltungsgerichtshof der Beurteilung durch die belangte Behörde, es sei hier zu einem künstlich geschaffenen Betrieb gekommen, nicht entgegentreten kann.

Es liegt auf der Hand, dass - jedenfalls im Beschwerdefall - die Schaffung eines derartigen Betriebes den Zielen der gemeinsamen Agrarmarktordnung und der diesbezüglichen Regelungen dann zuwiderläuft, wenn durch das Entstehen des neuen Betriebes (vorwiegend oder ausschließlich) Prämienzahlungen zusätzlich in Anspruch genommen werden sollen. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde im Beschwerdefall auf den Umstand abgestellt, dass der Beschwerdeführerin keine Flächenzahlungsansprüche übertragen wurden. Wenn auch die Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke als Verpächter unbestritten nicht über derartige Zahlungsansprüche verfügen konnten (weshalb die diesbezügliche Verfahrensrüge sich auch als nicht zielführend erweist), ist mit der belangten Behörde davon auszugehen, dass die Übertragung von Zahlungsansprüchen durch die Vorbewirtschafter an die Beschwerdeführerin angesichts der Umstände des Beschwerdefalls zumindest nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen musste.

Diesbezüglich bringt die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, sie habe als Pächterin keinen Einfluss darauf und es könne ihr daher nicht zum Vorwurf reichen, dass sie keine Zahlungsansprüche von den Vorpächtern erhalten habe; die Betriebsprämie sei ein wesentlicher Bestandteil des landwirtschaftlichen Einkommens, weshalb es aus betriebswirtschaftlicher Sicht logisch sei, Produkterlös, Prämien und Betriebsausgaben zu optimieren. Der Gatte der Beschwerdeführerin habe mit seinem Betrieb in den letzten Jahren auf hohe Flächenproduktivität geachtet. Bei diesen Kulturen sei aber nur ein begrenzter Markt vorhanden. Somit mache es wenig Sinn, mehr zu produzieren, vielmehr sei es sinnvoll, Pachtflächen aufzulassen, die mit gewöhnlichen Marktfrüchten kultiviert würden. Weil die Betriebsprämie unabhängig zur Fläche den Wert darstelle, sei es wiederum "logisch, diese bestmöglich zu verwerten". Deshalb habe der Mann der Beschwerdeführerin rund 4,3 Zahlungsansprüche an seinen Bruder abgegeben, wobei Hintergrund ein Verlust an Pachtflächen gewesen sei.

Dieses Vorbringen vermag jedoch die Annahme der belangten Behörde nicht zu widerlegen, wäre doch auch die entgeltliche Übertragung von Zahlungsansprüchen an die Beschwerdeführerin danach nicht ausgeschlossen gewesen. Wenn die belangte Behörde daher zu dem Schluss kam, die (künstliche) Neugründung des Betriebes habe den Zweck gehabt, zusätzliche Zahlungsansprüche zu erwerben und damit der Zielsetzung des Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 widersprochen, wird dies durch die Beschwerdeausführungen nicht widerlegt.

2.3. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 9. Juni 2010

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