VwGH 2010/15/0180

VwGH2010/15/018021.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Feldkich in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 25. Jänner 2008, Zl. RV/0184-F/05, betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003, (mitbeteiligte Partei: C Z in L, vertreten durch Mag. Martin Feurstein, Steuerberater in 6850 Dornbirn, Montfortstraße 18c), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs7;
EStG §3 Abs1 Z10;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art140 Abs7;
EStG §3 Abs1 Z10;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der in Österreich wohnhafte Mitbeteiligte stand in den Streitjahren 2001 bis 2003 in einem Dienstverhältnis zu einem Schweizer Arbeitgeber und wurde von diesem in verschiedene europäische und asiatische Länder zur Montage und Inbetriebnahme von Strickmaschinen entsandt.

Das Finanzamt unterzog die vom Mitbeteiligten im Rahmen seiner Auslandstätigkeiten erzielten Einkünfte der Einkommensteuer.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2003 vom Mitbeteiligten erhobene Berufung.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Mitbeteiligte in den Streitjahren 2001 bis 2003 (u.a.) in der Türkei, in Rumänien, Thailand, Italien, Spanien und Korea tätig war und Österreich nach den mit den genannten Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (Hinweis auf Art. 15 Abs. 2 der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen) berechtigt sei, die dafür bezogenen Vergütungen zu besteuern. Auch der auf die Tätigkeit in Hong Kong entfallende "Gehaltsteil" unterliege (mangels Doppelbesteuerungsabkommens) der österreichischen Besteuerung. Die vom Mitbeteiligten in den genannten Ländern ausgeübten Tätigkeiten erfüllten jedoch - abgesehen vom Erfordernis eines inländischen Betriebes - alle Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988. Da die Einschränkung der Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe eine gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßende Diskriminierung darstelle, die vom Gemeinschaftsrecht (Hinweis auf das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, BGBl. III Nr. 133/2002) verdrängt werde, sei der Berufung des Mitbeteiligten stattzugeben.

Dagegen wendet sich die vorliegende, vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.

Indem die belangte Behörde die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ihrer Ansicht nach gemeinschaftsrechtlich gebotenen Modifikation angewendet hat, erwies sich die Bestimmung auch für den Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren als präjudiziell. Mit Beschluss vom 29. April 2010, A 2010/0016, stellte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, die genannte Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof hegte Bedenken gegen die Sachlichkeit der genannten Befreiungsbestimmung, insbesondere im Lichte deren Ausweitung auf Fälle, die ihre sachliche Rechtfertigung auch nicht mehr in Gründen der Exportförderung zu finden vermögen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des zitierten Beschlusses verwiesen.

In Entsprechung des vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsantrages hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. September 2010, G 49/10-8 u.a., § 3 Abs. 1 Z 10 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, u.a. in der (im Beschwerdefall einschlägigen) Stammfassung als verfassungswidrig auf. Hiebei sprach er aus, dass frühere Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdefall bildete einen der Anlassfälle für die Aufhebung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988.

Art. 140 Abs. 7 erster und zweiter Satz B-VG lauten:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht mit seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist nach ständiger Rechtsprechung daher so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobene Bestimmung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, 93/17/0401).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Einkommensteuer des Mitbeteiligten im Instanzenzug festgesetzt und dabei den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ihrer Ansicht nach gemeinschaftsrechtlich gebotenen Modifikation angewendet. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid auf eine Gesetzesbestimmung gestützt, die nach dem Gesagten im Beschwerdefall nicht (mehr) anzuwenden ist.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 21. Dezember 2010

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