VwGH 2010/11/0198

VwGH2010/11/019823.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Dr. M F in D, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Kajetanerplatz/Schanzlgasse 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 6. Oktober 2010, Zl. P832617/16-PersC/2010, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages i.A. Wehrgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
WehrG 2001 §10 Abs1;
WehrG 2001 §20;
WehrG 2001 §24 Abs1;
AVG §56;
WehrG 2001 §10 Abs1;
WehrG 2001 §20;
WehrG 2001 §24 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des am 25. April 1975 geborenen Beschwerdeführers festzustellen, dass seine Pflicht zur Leistung des Grundwehrdienstes erloschen sei, als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei anlässlich der Stellung vom 16. April 1993 für tauglich befunden worden und danach für den Einrückungstermin 5. April 1994 zum Grundwehrdienst einberufen worden. Das Militärkommando Tirol habe in der Folge auf Grund des Studiums des Beschwerdeführers den Antritt seines Grundwehrdienstes mehrmals, zuletzt bis 30. November 2002, aufgeschoben. Einberufungsbefehle, die in den Jahren 2003 bis 2007 an den Beschwerdeführer ergangen seien, seien jeweils hinsichtlich der Einrückungstermine abgeändert worden. Zuletzt sei mit Bescheid vom 5. November 2007 der für Jänner 2008 festgesetzt gewesene Einrückungstermin auf 10. Jänner 2011 abgeändert worden.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2010 habe der Beschwerdeführer die Feststellung beantragt, dass gemäß § 20 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) seine Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes erloschen sei. Er habe dies damit begründet, dass er am 25. April 2010 das 35. Lebensjahr vollendet habe und daher ex lege nicht mehr zur Ableistung des Grundwehrdienstes verpflichtet sei. Eine solche Verpflichtung träfe nämlich nur Wehrpflichtige, die zu einem vor Vollendung des 35. Lebensjahres gelegenen Termin zur Leistung des Grundwehrdienstes erstmalig einberufen worden seien. Der Beschwerdeführer vertrete die Ansicht, dass er erst durch den genannten Bescheid vom 5. November 2007 erstmals einberufen worden sei, weil die vorangegangenen Einberufungsbefehle jeweils durch Abänderung aus dem Rechtsbestand ausgeschieden seien. Sein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er sich im Hinblick auf den aufrechten Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 bei Nichtantritt des Grundwehrdienstes der Gefahr der behördlichen Verfolgung aussetzen würde, solange die Behörde nicht die beantragte Feststellung getroffen habe.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, das WG 2001 sehe einen Feststellungsantrag wie den vorliegenden nicht vor. Zwar sei die Erlassung von Feststellungsbescheiden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig, wenn die begehrte Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen sei. Feststellungsbescheide ohne gesetzliche Grundlage seien aber dann unzulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden könne. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, die strittige Frage, ob er den Grundwehrdienst leisten müsse, durch eine Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts klären zu lassen. Von diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht, sodass sein nunmehriger Feststellungsantrag unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in der Beschwerde in seinem Recht auf meritorische Entscheidung verletzt und bringt vor, dass gegen den Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 kein ordentliches Rechtsmittel, sondern nur das außerordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde zulässig gewesen sei. Es sei ihm unerfindlich, wie die Frage des Erlöschens der Grundwehrpflicht mittels Bescheidbeschwerde gegen den Einberufungsbefehl hätte entschieden werden können. Durch den Verwaltungsgerichtshof hätte der Einberufungsbefehl lediglich aufgehoben werden können. Im Hinblick auf die Gefahr einer behördlichen Verfolgung im Falle der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles habe der Beschwerdeführer jedenfalls ein vitales privates rechtliches Interesse an der gegenständlichen Feststellung, sodass sein Antrag nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Vielmehr hätte die belangte Behörde die Frage klären müssen, ob beim Beschwerdeführer "mangels eines Einberufungsbefehls, der den Termin der Einberufung mit einem vor Vollendung meines 35. Lebensjahres liegenden Datum festsetzte", die Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes mit der Vollendung des 35. Lebensjahres "kraft Gesetzes erloschen" ist. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1992, Zl. 92/11/0130, seien nämlich Wehrpflichtige, die das 35. Lebensjahr bereits vollendet haben, ex lege nicht mehr zur Ableistung des Grundwehrdienstes verpflichtet, es sei denn, sie wären zu einem vor Vollendung des 35. Lebensjahres gelegenen Termin zur Leistung des Präsenzdienstes einberufen worden. An dieser Rechtslage habe sich nach Ansicht des Beschwerdeführers durch die zahlreichen zwischenzeitlich beschlossenen Novellen des Wehrgesetzes, insbesondere auch BGBl. I Nr. 140/2000, "nicht das Geringste geändert".

Im vorliegenden Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2009, maßgebend:

"Dauer der Wehrpflicht

§ 10. (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. ...

Grundwehrdienst

§ 20. Zur Leistung des Grundwehrdienstes sind alle Wehrpflichtigen verpflichtet. Der Zeitpunkt, an dem dieser Präsenzdienst erstmalig anzutreten ist, hat vor Vollendung des 35. Lebensjahres des Wehrpflichtigen zu liegen. Die Wehrpflichtigen sind, sofern militärische Rücksichten nicht entgegenstehen, nach Möglichkeit zum Grundwehrdienst innerhalb von sechs Monaten nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zu diesem Präsenzdienst einzuberufen. Der Grundwehrdienst dauert sechs Monate.

...

Einberufung zum Präsenzdienst

§ 24. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Gegen den Einberufungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Einberufungsbefehl ist zu erlassen

1. spätestens vier Wochen vor dem Einberufungstermin zum Grundwehrdienst und

2. spätestens acht Wochen vor dem Einberufungstermin zu

  1. a) Milizübungen und
  2. b) freiwilligen Waffenübungen und Funktionsdiensten.

    ..."

    Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers vom 15. Juni 2010, dass seine Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes erloschen sei, zulässig war. Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für dieses Feststellungsbegehren ist dem WG 2001 nicht zu entnehmen.

    Wie die belangte Behörde aber zutreffend erkannt hat, ist die Erlassung von Feststellungsbescheiden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage zulässig, wenn dies im privaten rechtlichen oder öffentlichen Interesse gelegen ist. Ein hinreichendes privates Interesse an einer bescheidförmigen Feststellung ist nach der hg. Judikatur dann anzunehmen, wenn die betreffende Feststellung für die Partei im Einzelfall ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung bzw. Rechtsverfolgung darstellt, was wiederum voraussetzt, dass der Feststellung in concreto die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klar zu stellen. Ein Feststellungsinteresse liegt dann nicht vor, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen, verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens entschieden werden kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Rz 73 ff zu § 56 AVG und die dort referierte hg. Judikatur, sowie etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2010, Zl. 2008/11/0166).

    Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer mit Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 für den Einrückungstermin 10. Jänner 2011 zum Grundwehrdienst einberufen wurde. Da gegen diesen Einberufungsbefehl gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Satz WG 2001 ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist, stand dem Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid die Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offen. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid keinen Gebrauch gemacht.

    In seiner nunmehrigen Beschwerde gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2010 bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass durch eine Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 nicht hätte geklärt werden können, ob die im Zeitpunkt der Erlassung dieses Einberufungsbefehls (noch) gegebene Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes - nach diesem Zeitpunkt, nämlich mit Vollendung des 35. Lebensjahres des Beschwerdeführers am 25. April 2010 - kraft Gesetzes wieder "erloschen" sei. Die Klärung dieser Frage sei nur durch den beantragten Feststellungsbescheid möglich.

    Dieser Rechtsansicht ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer durch den Einberufungsbefehl vom 5. November 2007 verpflichtet wurde, den Grundwehrdienst am 10. Jänner 2011 - somit zu einem in der Zukunft, nach Vollendung seines 35. Lebensjahres, gelegenen Zeitpunkt - anzutreten. Im Rahmen einer Beschwerde gegen diesen Einberufungsbefehl hätte der Beschwerdeführer daher die Möglichkeit gehabt, geltend zu machen, dass die Einberufung für einen nach der Vollendung seines 35. Lebensjahres festgelegten Einrückungstermin unrechtmäßig sei, und die Aufhebung dieses Einberufungsbefehls beantragen können. Dem Beschwerdeführer stand daher, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren offen, um die Frage der Rechtmäßigkeit seiner Einberufung hinsichtlich des festgelegten Einberufungstermins zu klären, sodass die Erlassung des vom Beschwerdeführer nunmehr beantragten Feststellungsbescheides, der, weil er im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, nach der Rechtsprechung nur als subsidiärer Rechtsbefehl in Betracht kommt, im vorliegenden Fall nicht notwendiges, letztes und einziges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ist (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, aaO, unter Rz 77 wiedergegebene Judikatur, insbesondere das Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/10/0062).

    Da somit schon die Beschwerde zeigt, dass die belangte Behörde zutreffend von der Unzulässigkeit des genannten Feststellungsantrages des Beschwerdeführers ausgegangen ist und dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

    Wien, am 23. November 2010

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