VwGH 2010/08/0146

VwGH2010/08/014615.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der EV Ges.m.b.H. in T, vertreten durch Jirovec & Partner Rechtsanwalts-Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Mai 2010, Zl. GS5-A-948/797-2010, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 2 ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1;
AVG §17 Abs1;
ASVG §113 Abs1;
AVG §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 18. Februar 2010 gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 3.300,-- vorgeschrieben. Im Zuge der am 7. Mai 2009 erfolgten Betretung durch das Finanzamt B/Team KIAB, sei festgestellt worden, dass für die Versicherten GS, FG, GK, KS und JS zumindest am 7. Mai 2009 die Anmeldungen nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte die beschwerdeführende Partei vor, der Beitragszuschlag sei zu Unrecht vorgeschrieben worden, "da vorerst auf die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Unterlagen betreffend gegenständliche Dienstnehmer und auch bei der Informationseinholung hingewiesen werden muss". Es sei infolge eines erhöhten Bedarfs an Mitarbeitern häufig vorgekommen, dass bereits arbeitende Dienstnehmer Kollegen oder Kolleginnen vorgeschlagen hätten, die sich dann bei der beschwerdeführenden Partei vorgestellt hätten. Dabei sei die Überprüfung von ordnungsgemäßen "Papieren" oft schwierig gewesen, weil "potenzielle Dienstnehmer sich offensichtlich teilweise mit falschen Papieren ausgaben, sodass sie in diesen Fällen tatsächlich eine andere Identität hatten". Dies habe zum Ergebnis geführt, dass "die vermeintlich richtigen Dienstnehmer lt. vorgelegten Papieren" angemeldet worden seien, tatsächlich aber andere Personen die Arbeit verrichtet hätten. Bei der Kontrolle seien sohin Dienstnehmer vorhanden gewesen, welche unter einem anderen Namen angemeldet worden seien. Die oben angeführten Personen seien "teilweise bereits angemeldet" gewesen, andere seien dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei völlig unbekannt.

Des Weiteren wurde im Einspruch ausgeführt:

"Diesbezüglich wird um Übermittlung der im Bescheid angeführten Prüfergebnisse höflich gebeten, damit dazu entsprechende Stellungnahme abgegeben werden kann. Insbesondere ist es erforderlich für eine detaillierte Rechtfertigung zu den einzelnen in der Aufforderung der Behörde genannten Tatbeständen und Personen den Inhalt der gegenständlichen Anzeige zu prüfen, um festzustellen, welche Personen unter den in der Anzeige angeführten Namen bezeichnet sind, sodass festgestellt werden kann, unter welchen Namen sie von der Einspruchswerberin allenfalls geführt wurden. Es wird daher infolge dieser auch in einem anderen Verfahren zu entscheidenden Vorfrage und auch aus verfahrensökonomischen Gründen beantragt, das gegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens beim Finanzamt zu unterbrechen."

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Auf Grund mehrerer dem Finanzamt B/Team KIAB bekannt gegebenen Informationen (e-mails, niederschriftliche Einvernahmen), wonach eine Vielzahl von Personen im Auftrag der beschwerdeführenden Partei tätig werde, ohne bzw. mit einer zu geringen Beitragsgrundlage zur Versicherung gemeldet zu sein, seien am 7. Mai 2009 durch das Finanzamt B/Team KIAB unter Assistenzleistung der Polizeiinspektion T Kontrollen an den von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Niederlassungen in O und T erfolgt. Im Zuge dieser Kontrollen sei eine Anwesenheitsliste der in der laufenden Woche (4. Mai bis 10. Mai 2009) tätigen Personen sichergestellt sowie den einschreitenden Organen Anwesenheitslisten der im Zeitraum vom 29. März bis zum 3. Mai 2009 tätig gewesenen Personen ausgehändigt worden.

Dabei seien (neben einer Frau HW, die unter dem falschen Namen "CW", und einem Herrn GU, der unter dem falschen Namen "CY" zur Versicherung gemeldet gewesen seien) die oben genannten fünf Personen bei diversen Arbeiten angetroffen worden, wobei für keine der letztgenannten Personen zum Zeitpunkt der Betretung eine Anmeldung zur Pflichtversicherung vorgelegen sei, und zwar auch nicht unter einem anderen (falschen) Namen.

Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Unterlagen der gegenständlichen Dienstnehmer sowie der Umstand, dass sich (andere) Dienstnehmer offensichtlich teilweise mit falschen Papieren gegenüber der beschwerdeführenden Partei ausgewiesen haben, könnten die verspätete oder unterlassene Abgabe von sozialversicherungsrechtlich bedeutsamen Meldungen und Unterlagen nicht entschuldigen. Vielmehr könne von einem sorgfältigen und verantwortungsvollen Dienstgeber erwartet werden, dass er entsprechende organisatorische Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erstattung von möglichst gesetzeskonformen und fehlerfreien Meldungen treffe. Als Meldepflichtiger habe er sich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse zu verschaffen und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten.

Die Angabe der beschwerdeführenden Partei, die namentlich angeführten Personen seien teilweise bereits angemeldet gewesen und andere wären dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei völlig unbekannt, sei eine Schutzbehauptung, zumal entgegen dieser Angabe keine der angeführten Personen zum Zeitpunkt der Betretung zur Versicherung, auch nicht unter anderem (falschen) Namen, gemeldet gewesen sei.

Die genannten Personen seien zum Zeitpunkt ihrer Betretung im Wesentlichen mit der Verrichtung von Hilfstätigkeiten (z.B. Abladen von Containern, Verpackungs- und Sortierarbeiten) in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG entgeltlich beschäftigt gewesen.

Der Beitragszuschlag setze sich grundsätzlich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten würden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung belaufe sich auf EUR 500,-- für jede nicht vor Arbeitsantritt angemeldete Person, der Teilbetrag für den Prüfeinsatz belaufe sich auf EUR 800,--. Außergewöhnliche oder besonders berücksichtigungswürdige Umstände, die eine Reduktion des vorgeschriebenen Beitragszuschlages bzw. ein Absehen von der Vorschreibung rechtfertigen würden, könne die belangte Behörde nicht erkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 33 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007, lautet auszugsweise:

"§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

(1a) Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

..."

§ 113 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 hat

auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Beitragszuschläge

§ 113. (1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

  1. 3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
  2. 4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 EUR je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 EUR. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 EUR herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

..."

Wie bereits in ihrem Einspruch verweist die beschwerdeführende Partei darauf, dass es schwierig gewesen sei "die von den Beschäftigungswilligen vorgelegten Arbeitspapiere sofort genau zu prüfen". Sie habe Dienstnehmer "wie dargelegt größtenteils gemeldet". An der Unterlassung von Anmeldungen treffe sie kein Verschulden. Sie hätte "alle ihr zumutbaren Überprüfungen und Maßnahmen gesetzt, um eine ordnungsgemäß Anmeldung der Dienstnehmer/innen zu gewährleisten". Sie hätte "rechtzeitig" Dienstnehmer zur Pflichtversicherung angemeldet und auch die Beiträge entrichtet. Erst später hätte sich herausgestellt, "dass es die angemeldeten Personen nicht (beim DG) gibt, bzw. diese andere Identität haben".

Die beschwerdeführende Partei wendet sich mit diesem Vorbringen nicht gegen die Feststellungen der belangten Behörde, wonach die fünf konkret genannten Personen bei diversen Arbeiten für die beschwerdeführende Partei angetroffen worden seien, wobei für keine dieser Personen zum Zeitpunkt der Betretung eine Anmeldung zur Pflichtversicherung vorgelegen sei, und zwar auch nicht unter einem anderen (falschen) Namen.

Beitragszuschläge nach § 113 Abs. 1 ASVG (auch in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007 - SRÄG 2007, BGBl. I Nr. 31) sind nicht als Verwaltungsstrafe, sondern als eine (neben der Bestrafung nach § 111 ASVG ermöglichte) wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 99/08/0074). Soweit die beschwerdeführende Partei hervorhebt, dass sie am Unterbleiben der Anmeldungen der genannten Dienstnehmer kein Verschulden treffe, ist ihr zu erwidern, dass das Fehlen der subjektiven Vorwerfbarkeit des Meldeverstoßes die Verhängung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG nicht ausschließt. Es kommt vielmehr nur darauf an, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, Zl. 2004/08/0141 sowie vom 20. November 2002, Zl. 2000/08/0186).

Die beschwerdeführende Partei rügt als Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde es trotz ihres Antrages im Einspruch unterlassen habe, ihr "die Prüfungsberichte" zu übermitteln. Dies wäre für sie

"zur näheren Aufklärung wesentlich gewesen und hätte auch zu einem anderen Ergebnis geführt, da sich ergeben hätte, dass ein Teil der Dienstnehmer (ohne Verschulden des DG) bereits (auf andere Namen) angemeldet waren, sodass kein Beitragszuschlag festzusetzen gewesen wäre. Die belangte Behörde hat das Vorbringen der Partei daher völlig ignoriert und auch nicht begründet, weshalb die Prüfungsergebnisse nicht übermittelt wurden, sodass sie auch einen wesentlichen Begründungsmangel zu verantworten hat."

Da der beschwerdeführenden Partei "nicht alle Akteninhalte bekannt gegeben" worden seien, habe sie nicht zu den Vorwürfen im Bescheid Stellung nehmen können. Die belangte Behörde habe ihren Antrag mit Stillschweigen übergangen, wodurch die beschwerdeführenden Partei in ihrem Recht auf Parteiengehör grob verletzt worden sei.

Die beschwerdeführende Partei behauptet weder, dass ihr die Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile verweigert worden wäre, noch, dass sie ein konkretes Verlangen auf Vornahme der Akteneinsicht iSd § 17 Abs. 1 AVG gestellt hätte. Abgesehen davon war die belangte Behörde in keinem Fall verpflichtet, Akten, Aktenteile oder Kopien davon an die beschwerdeführende Partei zu übersenden. Auch eine Unterlassung der Mitteilung, dass eine Aktenkopie nicht übersendet werde, stellt für sich keine Verweigerung der Akteneinsicht dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. April 1999, Zl. 97/08/0160), weil die beschwerdeführende Partei jederzeit die Möglichkeit hatte, bei der Behörde in die Akten Einsicht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1190).

Soweit die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt des § 113 Abs. 2 letzter Satz ASVG "außergewöhnliche und/oder berücksichtigungswürdige Umstände" darin erblickt, dass sie teilweise Dienstnehmer angemeldet hätte und andere ihr unbekannt gewesen wären, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Inwieweit die beschwerdeführende Partei schließlich dadurch in Rechten verletzt sein soll, dass die belangte Behörde ihrem im Einspruch gestellten Antrag, das Verfahren zu unterbrechen, "bis das Verfahren beim Finanzamt rechtskräftig entschieden ist", ohne Begründung nicht entsprochen hat, ist nicht ersichtlich, zumal eine Präjudizialität einer Entscheidung eines Finanzamtes für den angefochtenen Bescheid iSd § 38 AVG nicht zu erkennen ist.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. September 2010

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