VwGH 2010/06/0109

VwGH2010/06/010917.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des E V in X, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 8. April 2010, Zl. 005532/2008/0004, betreffend einen Bauauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BauG Stmk 1995 §40 Abs1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §38;
BauG Stmk 1995 §40 Abs1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Gebäudes in Graz. Bei einer baubehördlichen Überprüfung (wohl zu Beginn des Jahres 2008, wobei das Datum der Amtshandlung im Erhebungsbericht nicht genannt ist) wurde vom behördlichen Organ, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, festgestellt, das mit baubehördlichen Bescheid vom 25. Mai 1959 bewilligte Espresso mit Bäckerladen werde nur mehr als Bar benützt und die Lokalfläche sei um den Gangbereich südlich des ehemaligen Verkaufsraumes erweitert worden.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates vom 20. Februar 2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 5 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) die Unterlassung der vorschriftwidrigen Nutzung von Teilen des Gebäudes, nämlich des ursprünglich bewilligten Verkaufsraumes und des dazugehörigen Vorraumes beim straßenseitigen Eingang zu anderen Zwecken als für Geschäftsnutzung, nämlich als Gaststätte, mit sofortiger Wirkung aufgetragen. Zur Begründung heißt es, es sei diese Nutzungsänderung vorgenommen worden, ohne dass hiefür eine baubehördliche Bewilligung vorliege, denn die bewilligte Nutzung könne nicht unter dem Begriff "Gaststätte" subsumiert werden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er vorbrachte, der Auftrag sei gesetzwidrig, weil von einem rechtmäßigen Bestand im Sinne des § 40 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG ausgegangen werden könne. Eine geänderte Nutzung (gemeint: im nunmehrigen Sinn) liege zumindest seit dem Jahr 1982 vor, was auch aus einem gewerbebehördlichen Bescheid vom 1. Juli 1983 hervorgehe. Überdies sei von einem früheren Eigentümer des Gebäudes das Gast- und Schankgewerbe in der Zeit vom 1. März 1974 bis Ende 1981 ausgeübt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, es sei eine Nutzungsänderung durchgeführt worden. Aus den erhaltenen Vorakten ergebe sich, dass die erteilten baubehördlichen Bewilligungen keinesfalls die nunmehrige Nutzung umfassten. Es könne daher kein vermuteter Konsens im Sinne des § 40 Stmk. BauG vorliegen, weil hiefür eine Voraussetzung sei, dass keine Unterlagen mehr auffindbar seien, was hier nicht zutreffe. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lasse bei Vorhandensein archivierter Bauakte keine Überprüfung eines konsensgemäßen Bestandes im Sinne des § 40 leg. cit. zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit für den Beschwerdefall relevant, ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, idF LGBl. Nr. 6/2008 maßgeblich.

Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

§ 40 Abs. 1 und 2 lautet:

"(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem 1. Jänner 1969 und 31. Dezember 1984 errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären."

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens erblickten die Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 41 Abs. 3 Stmk. BauG im Beschwerdefall darin, dass eine konsensbedürftige Nutzungsänderung vorgenommen worden sei, der hiefür erforderliche Konsens aber niemals erteilt worden sei.

Auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ein förmlicher baubehördlicher Konsens für die nunmehrige Nutzung als Gaststätte nicht vorliegt, beruft sich aber (in der Beschwerde nur mehr) auf die Bestimmung des § 40 Abs. 2 leg. cit.; die Auffassung der belangten Behörde, diese Bestimmung sei nicht anwendbar, sei unzutreffend.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht: Die von der belangten Behörde angesprochene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "vermuteten Konsens" (siehe dazu die bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, in E 37 - 42 zu § 70a BO angeführte hg. Judikatur) ist im Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 und 2 Stmk. BauG praktisch überholt (in diesem Sinn auch Hauer / Trippl, Steiermärkisches Baurecht4, Anm. 1 zu § 40 Stmk. BauG). Der maßgebliche § 40 Abs. 2 Stmk. BauG kommt vielmehr auch dann zur Anwendung, wenn bei gegebener Vollständigkeit der Akten oder sonstwie feststeht, dass der im Einzelfall erforderliche Konsens niemals erteilt wurde. Diese Bestimmung kommt auch bei konsensbedürftigen Nutzungsänderungen zur Anwendung (siehe das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2006/06/0011), die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 leg. cit. sind auch in einem Bauauftragsverfahren gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG von der Baubehörde erster Instanz, allenfalls auch von der Berufungsbehörde, als Vorfrage zu prüfen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2007/06/0003, mwN).

Dies hat aber die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen, weshalb sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. August 2010

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