VwGH 2010/02/0237

VwGH2010/02/023726.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des J K in R, vertreten durch DDr. Christian Schneider, Rechtsanwalt in 1220 Wien, ARES Tower, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 11. August 2010, Zl. UVS-1-922/E4-2009, betreffend Übertretungen des FSG, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs1;
FSG 1997 §37 Abs1;
KFG 1967 §113 Abs1;
KFG 1967 §113 Abs2;
EMRK Art7;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art18 Abs1;
FSG 1997 §37 Abs1;
KFG 1967 §113 Abs1;
KFG 1967 §113 Abs2;
EMRK Art7;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 22. Oktober 2009 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Leiter der Fahrschule T., Inhaber Verlassenschaft nach Ing. F. H., vertreten durch die Erbin H. S., mit Standort in B., "sohin als zur Vertretung nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG" zu verantworten, dass Fahrlehrer der Fahrschule T. am 24. Oktober 2008 und am 25. Oktober 2008 in L. und Umgebung Perfektionsfahrten im Rahmen der Mehrphasenausbildung - mit Beginn und Ende jeweils beim Parkplatz vor dem Bundesgymnasium L. bzw. dem Parkbad L. - durchgeführt hätten, wobei

1. die gemäß § 13a Abs. 2 FSG-DV in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. II Nr. 223/2004, festgesetzte Dauer von insgesamt zwei Unterrichtseinheiten (also 100 min) in den folgenden Fällen unterschritten wurde:

.... (Es folgt ein nähere Aufzählung der Fälle unter den

lit. a bis w)

2. sowohl die gemäß § 13a Abs. 3 FSG-DV in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. II Nr. 223/2004, festgesetzte Dauer der vorgeschriebenen Fahrt im Beisein des Ausbildners von mindestens einer Unterrichtseinheit (also 50 min) als auch die gemäß § 13a Abs. 2 FSG-DV festgesetzte Dauer der gesamten Perfektionsfahrt von zwei Unterrichtseinheiten (also 100 min.) in einem näher genannten Fall unterschritten worden sei;

3. bei der Perfektionsfahrt mit S. E., am 24. Oktober 2008 in der Zeit zwischen 13.30 Uhr und 16.00 Uhr entgegen § 13a Abs. 2 FSG-DV in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. II Nr. 223/2004, das Gespräch vor der Fahrt durchgeführt worden sei.

Er habe dadurch zu Z. 1 "§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 13a Abs. 2 FSG-DV", zu Z. 2, "§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 13a Abs. 2 FSG-DV und § 13a Abs. 3 FSG-DV" und zu Z. 3 "§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 13a Abs. 2 FSG-DV begangen, weshalb über ihn gemäß § 37 Abs. 1 FSG zu Z. 1 ein Geldstrafe von EUR 1.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 480 Stunden), zu Z. 2 eine Geldstrafe von EUR 500.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 228 Stunden), zu Z. 3 eine Geldstrafe von EUR 200.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 92 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. August 2010 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, er sei Leiter der Fahrschule T. im Sinne des § 113 KFG gewesen. Er sei deshalb zum Leiter dieser Fahrschule bestellt worden, weil der bisherige Fahrschulbesitzer Ing. F. H. verstorben sei. Inhaberin der Fahrschule sei aber die Verlassenschaft nach Ing. F. H., wobei die Verlassenschaft durch die Erbin H. S. vertreten werde. Der Beschwerdeführer sei jedoch als Leiter einer Fahrschule im Sinne des § 113 KFG kein zur Vertretung nach außen berufenes Organ i. S.d. § 9 Abs. 1 VStG. Die Stellung als verantwortlicher Leiter einer Fahrschule begründe keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit, weder nach dem KFG, noch nach dem FSG. Die Verantwortlichkeit des Leiters sei - ähnlich wie nach § 21 EisbG und nach § 15 GWG - so zu verstehen, dass diesen eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Unternehmensinhaber treffe und dass dies die Einräumung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis erfordere. Hätte der Gesetzgeber mit der Stellung als verantwortlicher Leiter auch eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung begründen wollen, so hätte er dies ausdrücklich anordnen müssen, wie dies etwa in § 370 Abs. 1 GewO in Bezug auf den gewerberechtlichen Geschäftsführer erfolgt sei.

Da, wie sich auch aus dem angefochtenen Bescheid ergebe, Rechtsträger der Fahrschule im Tatzeitpunkt eine Verlassenschaft gewesen sei, sei zur Vertretung nach außen berufenes Organ i.S.d.

§ 9 Abs. 1 VStG der Vertreter der Verlassenschaft; dies sei aber nicht der Beschwerdeführer, sondern die Erbin H. S. Mangels verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlichkeit i.S.d. § 9 Abs. 1 VStG sei es daher unzulässig, dass der Beschwerdeführer für die ihm zur Last gelegten Verstöße gegen § 13a FSG-DV bestraft werde.

Gemäß § 37 Abs. 1 erster Satz FSG begeht derjenige, der diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Nach § 13a Abs. 2 FSG-DV haben die erste Perfektionsfahrt im Rahmen der Fahrausbildung gemäß § 4b Abs. 1 FSG sowie das darauf folgende Gespräch gemäß § 4a Abs. 5 FSG aus näher angeführten Inhalten in der Dauer von insgesamt zwei Unterrichtseinheiten zu bestehen.

Nach § 13a Abs. 3 FSG-DV umfasst die Perfektionsfahrt gemäß Abs. 2

1. eine Fahrt im Beisein eines Ausbildners in der Dauer von mindestens einer Unterrichtseinheit pro Teilnehmer,

2. ein Gespräch mit dem Ausbildner in der Dauer von insgesamt höchstens einer Unterrichtseinheit, wobei dieses Gespräch in Gruppen mit bis zu drei Teilnehmern durchgeführt werden kann.

Gemäß § 13a Abs. 5 FSG-DV hat eine Unterrichtseinheit im Sinne der §§ 13a bis 13c 50 Minuten zu betragen.

Gemäß § 113 Abs. 1 KFG hat der Fahrschulbesitzer den Betrieb seiner Fahrschule außer in den im Abs. 2 angeführten Fällen selbst zu leiten; dies erfordert für die sich aus diesem Bundesgesetz und aus den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen ergebenden Pflichten, wie insbesondere die Aufsicht über die Lehrtätigkeit und die wirtschaftliche Gebarung, die hiefür notwendige Anwesenheitsdauer in der Fahrschule. Der Fahrschulbesitzer darf sich zur Erfüllung dieser Pflichten nur in den Fällen des Abs. 2 durch einen verantwortlichen Leiter, den Fahrschulleiter, vertreten lassen.

Nach § 113 Abs. 2 KFG ist ein Fahrschulleiter erforderlich, wenn

a) der Fahrschulbesitzer durch eine länger als sechs Wochen dauernde Abwesenheit daran gehindert ist, den Betrieb seiner Fahrschule selbst zu leiten, oder wenn ihm dies von der Bezirksverwaltungsbehörde untersagt wurde (§ 115 Abs. 3) oder

b) eine Fahrschule nach dem Tod ihres Besitzers vom hinterbliebenen Ehegatten oder von Nachkommen ersten Grades weitergeführt wird (§ 108 Abs. 3), die die Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 nicht erfüllen.

Das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens. Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des Art. 7 EMRK im Zusammenhalt mit § 1 Abs. 1 VStG der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (vgl. zu dem Ganzen das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2003/02/0202, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird § 113 Abs. 2 KFG, der von der belangten Behörde in der erstatteten Gegenschrift als Rechtsgrundlage für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers im vorliegenden Beschwerdefall angeführt wird, im Hinblick auf das Erfordernis der Normierung einer besonderen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters nicht gerecht. Auch in Verbindung mit § 113 Abs. 1 KFG ist eine solche Verantwortlichkeit eines Fahrschulleiters nicht zu erkennen.

Das FSG selbst (insbesondere dessen § 37 Abs. 1) lässt gleichfalls keinen Anhaltspunkt für eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung im Sinne der vorstehenden Ausführungen für einen Fahrschulleiter erkennen. Damit handelt es sich auch um keinen Fall der in § 9 Abs. 1 zweiter Halbsatz VStG genannten Möglichkeit ("sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen") einer Abweichung von der grundsätzlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der zur Vertretung nach außen Berufenen.

Es fehlt auch aufgrund der Aktenlage an Anhaltspunkten, dass der Beschwerdeführer in einer dem § 9 Abs. 2 und 4 VStG entsprechenden Weise (inkludierend dessen nachweisliche Zustimmung) zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG für die gegenständliche Zulassungsstelle bestellt worden wäre.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt es sich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. November 2010

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