Normen
B-VG Art129a Abs3;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art89 Abs2;
StVO 1960 §43 Abs1 litb Z1;
StVO 1960 §43 Abs1;
StVO 1960 §96 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
B-VG Art129a Abs3;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art89 Abs2;
StVO 1960 §43 Abs1 litb Z1;
StVO 1960 §43 Abs1;
StVO 1960 §96 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Mit dem in Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Jänner 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 10. November 2008 von 07.54 bis 08.08 Uhr an einem näher genannten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges dieses Fahrzeug auf einer Straßenstelle, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet gewesen sei, geparkt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, aus der Bestimmung des § 96 Abs. 2 StVO könne für den Beschwerdeführer deshalb nichts gewonnen werden, weil deren Nichtbeachtung ohne Sanktion sei und die Rechtmäßigkeit verkehrsregelnder Maßnahmen nicht berührt werde, sondern lediglich einen Amtshaftungsanspruch bewirken könne. Es sei daher das Tatbild der gegenständlichen Übertretung als gegeben anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Beschwerde wird u.a. gerügt, der Beschwerdeführer habe bereits in der Berufung vorgebracht, dass sich an der inkriminierten Stelle vor drei Jahren ein Lagerplatz einer Baustofffirma befunden habe. Damals sei noch nachvollziehbar gewesen, das große LKWs einen entsprechenden Rangierraum benötigten, sodass die Zickzackfläche eine entsprechende Größe habe aufweisen müssen. Vor ca. 3 Jahren sei dieser Lagerplatz einem Spielplatz einer Schule gewichen. Dementsprechend sei die Zickzacklinie (Anm.: im Jahr 2009) erheblich verkleinert worden. Der Beschwerdeführer habe zum Beweis dafür, dass dieser Spielplatz schon vor ca. 3 Jahren den Lagerplatz ersetzt habe, seine Einvernahme, eine entsprechende Anfrage beim zuständigen Magistratischen Bezirksamt sowie eine Anfrage bei der entsprechenden Volksschule beantragt.
In Verkennung der Rechtslage habe die belangte Behörde keinerlei Ermittlungsverfahren eingeleitet, ob und wann durch den Wegfall des Lagerplatzes auch der entsprechende Rangierraum nicht mehr nötig gewesen sei und deshalb eigentlich hätte verkleinert werden müssen. Sie habe daher alle Ermittlungen unterlassen, ob die in Rede stehende Verordnung (Zickzackfläche) gesetzwidrig (geworden) sei.
Hätte die Behörde diesen Anträgen Folge geleistet, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass die der beschwerdegegenständlichen Zickzackfläche zugrunde liegende Verordnung seit mehr als zwei Jahren nicht kontrolliert und deshalb auch nicht rechtzeitig, nämlich unmittelbar nach Ablauf der 2-Jahresfrist, eine Verkleinerung der Zickzackfläche vorgenommen worden sei. Die der Zickzackfläche zu Grunde liegende Verordnung bzw. die Kundmachung der Verordnung durch die Zickzackfläche sei daher gesetzwidrig. Diese gesetzwidrige Verordnung hätte daher die belangte Behörde nicht anwenden dürfen.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO ist das Parken außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch im Bereich der Vorschriftszeichen "Parken verboten" und "Wechselseitiges Parkverbot" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z. 13a und 13c sowie auf Straßenstellen, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet sind, verboten.
Nach § 96 Abs. 2 StVO hat die Behörde alle zwei Jahre unter Beiziehung des Straßenerhalters alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs daraufhin zu überprüfen, ob sie noch erforderlich sind. Nicht mehr erforderliche Einrichtungen dieser Art sind zu entfernen.
Gemäß § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen.
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung nicht nur die zum Zeitpunkt ihrer Erlassung gegebenen Umstände maßgeblich, sondern dass auf die - möglicherweise geänderten - tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Prüfung abzustellen ist. Bei wesentlichen Änderungen in den für die Verordnungserlassung ausschlaggebenden tatsächlichen Verhältnissen wird eine Verordnung rechtswidrig. Deshalb obliegt es dem Verordnungsgeber, sich in angemessenen Zeitabständen vom Weiterbestehen der tatsächlichen Verordnungsgrundlagen zu überzeugen, um die Verordnung allenfalls den Änderungen anzupassen (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 2001, V 71/01, VfSlg. Nr. 16.366, m.w.N.)
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich aus § 96 Abs. 2 StVO einerseits, dass eine Überprüfung alle zwei Jahre von Amts wegen stattzufinden hat, anderseits aber auch, dass eine Verordnung während dieser Zweijahresfrist regelmäßig nicht "invalidieren" kann, das heißt, dass sie während dieser Zeit auch dann gesetzlich gedeckt ist, wenn die Voraussetzungen für ihre Erlassung in der Folge wegfallen. Dies gilt dann nicht, wenn der Behörde solche Umstände vorzeitig angezeigt wurden oder für sie bereits vorher erkennbar waren bzw. sie davon Kenntnis haben musste (vgl. das vorzitierte Erkenntnis vom 27. November 2001 m.w.N.).
Das bereits im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers war dahin zu verstehen, dass die betreffende Verordnung gesetzwidrig sei, weil sie zur Tatzeit im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO von den dort aufgezählten Voraussetzungen her (seit mehr als drei Jahren) nicht mehr erforderlich war. Eine Befassung mit diesem Vorbringen hat die belangte Behörde für entbehrlich gehalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner früheren Judikatur ausgesprochen, es gebe keine Bestimmung, welche die Behörde verpflichte, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Bescheidbegründung aufzunehmen. Eine dem Art. 89 Abs. 2 B-VG, wonach ein Gericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat, entsprechende Regelung in Bezug auf Verwaltungsbehörden sei der österreichischen Rechtsordnung fremd (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0193, m.w.N.).
Aus dieser Rechtsprechung ist für die belangte Behörde aber in Hinblick auf die nunmehrige Rechtslage nichts zu gewinnen. Bei der belangten Behörde handelt es sich nämlich um einen unabhängigen Verwaltungssenat, für welchen gemäß Art. 129a Abs. 3 B-VG die Bestimmung des Art. 89 B-VG sinngemäß gilt. Der Beschwerdeführer hat zwar kein subjektives Recht darauf, dass der unabhängige Verwaltungssenat von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnte daher darin, dass der unabhängige Verwaltungssenat Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung nicht teilt, nicht gelegen sein. Im Beschwerdefall ist der Beschwerdeführer in seinen Rechten aber dadurch verletzt worden, dass die belangte Behörde sein Vorbringen in Verkennung ihres Anfechtungsrechtes überhaupt für unbeachtlich gehalten hat. Damit wurde die rechtliche Position des Beschwerdeführers insoweit nachteilig berührt, als die Möglichkeit einer - die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach sich ziehenden - Aufhebung der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof bereits anlässlich des Berufungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/02/0237).
Da Feststellungen zu den maßgeblichen Umständen, etwa zum Zeitpunkt des behaupteten nachträglichen Wegfalls der Belassung der in Rede stehenden Zickzacklinie im ursprünglichen Umfang, der sich aus der Verordnung aus dem Jahre 1996 ergibt, im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO fehlen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage, bereits von sich aus mit einer Antragstellung gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG vorzugehen oder eine solche Notwendigkeit abschließend zu verneinen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. Oktober 2010
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