VwGH 2009/21/0111

VwGH2009/21/011112.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der M, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 24. März 2009, Zl. BMI-1017814/0002-II/3/2008, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Fremdenpolizeigesetzes 2005, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG;
AVG §38;
AVG §68 Abs1 impl;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG;
AVG §38;
AVG §68 Abs1 impl;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. März 2008 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Georgien, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen am 14. April 2008 Berufung und stellte in der Folge am 24. Oktober 2008, weil die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien über die Berufung noch nicht entschieden hatte, einen Devolutionsantrag an die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde).

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 24. März 2009 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG ab. Das begründete sie im Wesentlichen damit, dass das gegen den mutmaßlichen Arbeitgeber anhängige Strafverfahren noch nicht abgeschlossen und im Hinblick darauf "bis dato" kein Abschluss des gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahrens möglich gewesen sei. Auf Grund des Vorliegens einer Vorfrage gemäß § 38 AVG, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar und eine "notwendige Grundlage" sei, habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien innerhalb der gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Frist des § 73 AVG keine Entscheidung treffen können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs - so die belange Behörde weiter - sei zur Aussetzung eines Verfahrens nach § 38 AVG die Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides zwar zulässig, aber nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Aussetzung. Sofern die materiellen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gegeben seien, könne die Behörde auch ohne Erlassung eines förmlichen Aussetzungsbescheides die Entscheidung über die Vorfrage durch die zuständige Behörde bzw. das zuständige Gericht abwarten. Das bedeute, dass die Säumnis einer Behörde dann nicht ausschließlich von ihr verschuldet sei, wenn sie auf das Warten auf die Entscheidung einer Vorfrage zurückzuführen sei, auch wenn ihr Verfahren nicht mit Bescheid nach § 38 AVG ausgesetzt worden sei. Darüber hinaus sei zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung selbst ausgeführt habe, dass ein Aufenthaltsverbot ihrer Ansicht nach überhaupt erst dann erlassen werden könne, wenn eine rechtswidrige Beschäftigung außer Streit stehe oder aber eine rechtskräftige Bestrafung nach dem AuslBG vorliege. Andernfalls, so habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung weiter ausgeführt, würde "dem Aufenthaltsverbot der Boden entzogen" werden, weil das Strafverfahren gegen den Arbeitgeber aus Mangel an Beweisen (Ausreise des illegal Beschäftigten) eingestellt werden müsste, sodass nie feststellbar sei, ob Schwarzarbeit vorgelegen habe.

Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, so die belangte Behörde zusammenfassend, das bloße Abwarten der Entscheidung einer Vorfrage, von deren Vorliegen die Beschwerdeführerin selbst ausgehe, auch ohne Erlassung eines Aussetzungsbescheides das überwiegende Verschulden der Behörde an der Säumnis ausschließe, sei der gegenständliche Devolutionsantrag abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass das Ergebnis des gegen den mutmaßlichen Arbeitgeber der Beschwerdeführerin geführten Strafverfahrens im aufenthaltsbeendenden Verfahren gegen die Beschwerdeführerin nach § 60 Abs. 2 Z 8 FPG eine Vorfrage darstelle. Mit der Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung gegen das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Wien habe daher bis zum rechtskräftigen Abschluss des genannten Strafverfahrens zugewartet werden dürfen, sodass der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien kein überwiegendes Verschulden an der Nichterledigung dieser Berufung im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG anzulasten sei.

Mit dieser Auffassung verkannte die belangte Behörde die Rechtslage. Nach ständiger hg. Rechtsprechung bewirkt die rechtskräftige Bestrafung einer Person nach dem AuslBG wegen Beschäftigung eines Fremden entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nämlich keine Bindung in einem gegen diesen Fremden geführten aufenthaltsbeendenden Verfahren, und es stellt das Ergebnis eines solchen Strafverfahrens keine Vorfrage für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 FPG dar (vgl. etwa das noch zu § 36 Abs. 2 Z 8 Fremdengesetz 1997 ergangene, allerdings insoweit uneingeschränkt auch auf das FPG anwendbare hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2008, Zl. 2005/18/0115, mwN). Daran könnte auch eine gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin, die sich im Übrigen in ihrer Berufung diesbezüglich nicht deutlich äußerte, nichts ändern.

Liegt das von der belangten Behörde angenommene "Vorfrageverhältnis" nicht vor, so kann der von ihr für ein gerechtfertigtes Zuwarten mit der Berufungsentscheidung ins Treffen geführte Gesichtspunkt nicht zum Tragen kommen. Ihr Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 12. Oktober 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte