VwGH 2009/21/0073

VwGH2009/21/007325.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Christian Sparlinek, Mag. Alexander Piermayr und Mag. Doris Prossliner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. Februar 2009, Zl. St 15/09, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 21. Jänner 1986 geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, reiste erstmals am 11. Oktober 1991 in das Bundesgebiet ein. Nach einem Aufenthalt in Kroatien ab dem 27. April 1993 kehrte er mit seiner Familie am 5. Jänner 1994 nach Österreich zurück, wo er sich seither durchgehend aufhält. Ihm wurden wiederholte Aufenthaltstitel, zuletzt am 26. April 2007 der unbefristete Titel "Daueraufenthalt - EG" erteilt. Am 21. Dezember 2007 heiratete er die österreichische Staatsbürgerin A.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß den §§ 86 Abs. 1, 87 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom 10. April 2008 (eine Nichtigkeitsbeschwerde war mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 27. August 2008 zurückgewiesen, einer Strafberufung war mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. November 2008 teilweise Folge gegeben worden) wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 erster Satz, zweiter Fall StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe (davon 24 Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden sei.

Er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter am 23. Mai 2006 in Wels den A. dadurch, dass er rief "Überfall" und dass ihm die Täter eine Gas-Schreckschusspistole bzw. einen Colt gegen Kopf und Körper richteten und Geld forderten, also durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung von Waffen, zum Öffnen einer Kassa und Herausgabe von EUR 4.330,-- Bargeld mit dem Vorsatz genötigt bzw. ihm dieses Geld weggenommen, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Am 29. Juni 2006 habe der Beschwerdeführer in Wels mit einem anderen Mittäter unter Beteiligung einer weiteren in den Tatplan eingeweihten Person, welche die Kassa öffnete und das Bargeld herausgab, einen ähnlichen Raubüberfall verübt und dabei einen EUR 3.000,-- übersteigenden Geldbetrag erbeutet.

Auch unter Berücksichtigung der im Geständnis zum Ausdruck gebrachten inneren Umkehr des Beschwerdeführers, der teilweisen Schadenswiedergutmachung und der positiven Stellungnahme seines Bewährungshelfers vom 23. Jänner 2009 seien, so argumentierte die belangte Behörde, die (inhaltlich dargestellten) Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Satz 1 bis 5 FPG erfüllt. Aus dem als schwer zu gewichtenden Fehlverhalten ergebe sich eine erhebliche Gefahr für fremdes Vermögen. Diese werde, neben der Verwendung von Waffen, noch dadurch erheblich verstärkt, dass der Beschwerdeführer im Zusammenwirken mit Mittätern vorgegangen sei. Bei der Vorbereitung des ersten Raubüberfalles habe er nicht nur die zur Maskierung dienende Sturzhelme, sondern insbesondere auch eine für den Mittäter bestimmte (zweite) Waffe organisiert. Beim ersten Raubüberfall habe sich die Bedrohung zudem gegen zwei (an der Tat nicht beteiligte) Personen gerichtet. Bei beiden Raubüberfällen habe sich der Beschwerdeführer von einer weiteren Person zur Tat bestimmen lassen. Die Straftaten zeigten deutlich eine Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Gewaltanwendung. Die Verwendung ungeladener bzw. minder gefährlicher Waffen sei zwar bei der gerichtlichen Strafbemessung berücksichtigt worden, falle jedoch aus fremdenpolizeilicher Sicht nicht wesentlich ins Gewicht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer jeweils eine Waffe verwendet habe und damit bei den Opfern (in Unkenntnis der Ungeladenheit der Waffe) begründete Furcht erweckt habe bzw. auch erwecken wollte, lasse nämlich auf eine erhöhte und massive von ihm ausgehende Gefährlichkeit schließen. Weiters sei zum Nachteil des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass die beiden Taten nur etwas mehr als einen Monat auseinander gelegen seien.

Der Beschwerdeführer sei mit einer Österreicherin verheiratet und lebe mit ihr in Linz im gemeinsamen Haushalt. Seine gesamte Familie halte sich in Österreich auf. Auf Grund einer gerichtlichen Weisung gehe er seit 21. Juni 2008 einer Tätigkeit als Hilfsarbeiter nach, sodass ihm "eine entsprechende Integration zuzubilligen" sei. Die Maßnahme greife somit in sein Privat- und Familienleben ein. Dies sei jedoch auf Grund der beiden dargestellten gravierenden Straftaten in Kauf zu nehmen. Aus diesen ergebe sich nämlich, dass der Beschwerdeführer gegenüber den zum Schutz des Eigentums anderer Personen erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt sei, er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle und sein weiterer Aufenthalt in Österreich somit die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährden würde. Das Aufenthaltsverbot erweise sich daher auch im Grunde des § 66 FPG als zulässig. Ebenso seien keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründen könnten.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes ergebe sich daraus, dass erst nach Ablauf von fünf Jahren erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 87 FPG kann gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) ein Aufenthaltsverbot nur unter den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG verhängt werden. Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Darüber hinaus ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach Satz 5 des § 86 Abs. 1 FPG gegen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, nur dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Auf Grund der beiden, der dargestellten strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden, knapp nacheinander unter Verwendung von Waffen ausgeführten schweren, mit wechselnden Mittätern begangenen Raubüberfälle hat sich eine hohe Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers gezeigt. Ebenso hat dieser gravierend gegen das große öffentliche Interesse am Unterbleiben von Delikten gegen fremdes Vermögen verstoßen. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass ein weiterer inländischer Aufenthalt des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität berührt, sowie ihre Annahme, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde, ist danach nicht zu beanstanden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0340).

Soweit die Beschwerde die Ansicht vertritt, das zweite deliktische Vorgehen vom 29. Juni 2006 wäre nicht als Verbrechen des schweren Raubes, sondern als schwere Nötigung neben einer Beitragstäterschaft zur Veruntreuung zu qualifizieren gewesen, ist dies mit der Rechtskraft der beschriebenen (vom Obersten Gerichtshof gebilligten) strafgerichtlichen Verurteilung nicht in Einklang zu bringen.

Auch sind die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände (insbesondere sein Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, der Gebrauch ungeladener und daher minder gefährlicher Waffen, die teilweise Schadensgutmachung sowie das Wohlverhalten nach den Taten verbunden mit einer positiven Stellungnahme des Bewährungshelfers), die zu einer Reduzierung der erstinstanzlich verhängten (vierjährigen) Freiheitsstrafe durch das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht und zu einer teilbedingten Strafnachsicht geführt haben, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht unberücksichtigt geblieben. Vielmehr haben gerade diese Umstände - zu Recht - zur Befristung des Aufenthaltsverbotes auf eine Dauer von lediglich fünf Jahren geführt (vgl. dazu etwa das die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes betreffende hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2007/21/0510).

Weiters verweist die Beschwerde auf § 61 Z. 3 FPG, wonach die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig gewesen wäre. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass die Anwendung dieser Bestimmung nach ihrem klaren Wortlaut schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der gegen den Beschwerdeführer unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe ein Ausmaß von einem Jahr aufweist.

Was die Beurteilung nach § 66 FPG anlangt, so ging die belangte Behörde ohnehin davon aus, dass mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot in hohem Maße in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Dabei berücksichtigte sie insbesondere, dass der Beschwerdeführer erstmals im Oktober 1991 und neuerlich am 5. Jänner 1994 gemeinsam mit seiner Familie nach Österreich gekommen war, hier die Schule besuchte und seine Berufsausbildung absolvierte, über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügte und am 21. Dezember 2007 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet hatte. Wenn sie ungeachtet dessen zum Ergebnis gelangte, dass der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten sei, so begegnet dies angesichts der kurze Zeit nacheinander erfolgten Begehung zweier schwerer Verbrechen keinen Bedenken. Dazu kommt, dass die Taten noch nicht allzu lang zurückliegen.

Auch die Abwägung nach § 66 Abs. 2 FPG erweist sich als frei von Rechtsirrtum. Die Schwierigkeiten angesichts eines wirtschaftlichen Neubeginns im Heimatland sind auf Grund der vom Beschwerdeführer ausgehenden großen Gefährlichkeit in Kauf zu nehmen.

Soweit die Beschwerde mit dem Fall Maslov (Urteil des EGMR vom 23. Juni 2008, 1683/03) argumentiert, ist ihr zu entgegnen, dass dieser Entscheidung ein in wesentlichen Punkten anderer Sachverhalt (Begehung von Jugendstraftaten und, bis auf eine Ausnahme, keine Gewaltanwendung) zu Grunde gelegen ist. Im Übrigen steht es mit der Judikatur des EGMR im Einklang, dass im Fall der Begehung schwerer Straftaten wie bewaffneten Raubes, also in Konstellationen wie der vorliegenden, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Blick auf Art. 8 EMRK keinen grundsätzlichen Bedenken begegnet (vgl. dazu etwa Pflug in ihrer Judikaturbesprechung in migralex 2008, 97).

Schließlich rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Beischaffung seines Strafaktes durch die belangte Behörde als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Insoweit wird jedoch nicht dargestellt, welche ergänzenden Feststellungen eine derartige Beweisaufnahme konkret ermöglicht hätte. Es fehlt daher die Darlegung einer Relevanz für den Ausgang des Verfahrens.

Die damit insgesamt unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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