Normen
AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §88;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §88;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2007/01/1166, zu verweisen. Mit diesem hob der Verwaltungsgerichtshof unter Spruchpunkt I. den damals bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2006, Zl. UVS-02/11/5300/2005/21, in seinem ersten Spruchabschnitt, soweit die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers für rechtmäßig erklärt worden war, sowie den zweiten Spruchabschnitt des angefochtenen Bescheids (den Kostenausspruch) auf. Im Übrigen lehnte der Verwaltungsgerichtshof unter Spruchpunkt II. die Behandlung der Beschwerde ab.
Beschwerdegegenständlich war die am 19. Mai 2005 um 18.30 Uhr erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers und seine anschließende Anhaltung bis zur Überstellung an das Landesgericht für Strafsachen Wien am 21. Mai 2005, 10.40 Uhr.
Die belangte Behörde hatte in der Begründung des Bescheides auf Grund einer Kontaktnahme mit dem Journalstaatsanwalt am 19. Mai 2005 um 21.37 Uhr angenommen, dass ab diesem Zeitpunkt ein richterlicher Befehl betreffend die Anhaltung vorgelegen sei und daher nur die Anhaltung bis zu diesem Zeitpunkt beschwerdegegenständlich gewesen sei. Da nach dem Spruch des damals angefochtenen Bescheides jedoch die Anhaltung in ihrer gesamten Dauer für rechtmäßig erklärt worden war, hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis den angefochtenen Bescheid, soweit damit die Dauer der Anhaltung für rechtmäßig erklärt wurde, (schon) wegen dieses Widerspruchs zwischen Spruch und Begründung sowie den Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiters aus, dass ein "In-Aussicht-Stellen" eines richterlichen Befehls durch den Staatsanwalt einen solchen Befehl nicht ersetzen könne. Die Kontaktnahme mit dem Staatsanwalt am 19. Mai 2005 habe daher an der Verantwortlichkeit der Bundespolizeidirektion für die Anhaltung bis zur Einlieferung des Beschwerdeführers bei Gericht nichts geändert. Der damals angefochtene Bescheid erweise sich daher auch aus diesem Grund als rechtswidrig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers "wegen behaupteter vorschriftswidriger Anhaltung durch Organe der belangten Behörde, Bundespolizeidirektion Wien, vom 20.5.2005, ab der Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Wien" und wies diese insoweit wiederum als unbegründet ab. Begründend führt die belangte Behörde zunächst aus, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis vom 20. Juni 2008 von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen sei, da "nunmehr trotz Verfügung der Staatsanwaltschaft die Verantwortung der BPD Wien als gegeben erachtet" werde. Die belangte Behörde sei an diese geänderte Rechtsauffassung gebunden.
Wörtlich enthält der angefochtene Bescheid im Anschluss an diese Feststellung folgende Ausführungen:
"Der verbleibende Anhaltezeitraum zwischen der Verfügung des Staatsanwaltes vom 20.5.2005, 21.37 Uhr, bis zur tatsächlichen Einlieferung in die Justizanstalt, ist jedoch von den in der getroffenen Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegten aufwendigen Erhebungen in Bezug auf sechs Mithäftlinge von Seiten der BPD Wien glaubhaft als Manipulationsaufwand dargestellt worden, dem daher die im Auftrag des VwGH zu beurteilenden rechtlichen temporären Aspekte ab der Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft Wien somit keiner anderen Beurteilung zugeführt werden können."
Die vom Behördenvertreter enummerierten behördlichen Arbeiten nach der "Verfügung der Staatsanwaltschaft" reichten aus, den "kurzen Zeitraum, der verblieb und ggstdl. zu beurteilen war", ebenfalls als gerechtfertigt anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen, jedoch Kosten für die Aktenvorlage verzeichnet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem Erkenntnis vom 20. Juni 2008 Spruchpunkt 1 des damals bekämpften Bescheides, soweit er die Dauer der Anhaltung für rechtmäßig erklärte, zur Gänze aufgehoben wurde und nicht etwa nur insoweit, als es um die Zeit nach der Kontaktnahme der Bundespolizeidirektion mit dem Staatsanwalt gegangen wäre. Die unter Spruchpunkt II. des genannten Erkenntnisses vorgenommene Ablehnung der Behandlung der Beschwerde "im Übrigen" betraf demnach nur die Bekämpfung des Ausspruchs über die Festnahme.
Die belangte Behörde ist einem Rechtsirrtum erlegen, wenn sie im nunmehr angefochtenen Bescheid davon ausgeht, "die übrigen Beschwerden, somit der Abspruch über die Festnahme und Anhaltung bei der BPD Wien bis zum Einschreiten der Staatsanwaltschaft Wien", seien vom Verwaltungsgerichtshof "nicht in Behandlung genommen worden". Die Beschränkung der Entscheidung auf den Zeitraum ab der "Antragstellung an das Landesgericht für Strafsachen Wien" war unzulässig und entspricht nicht den Anforderungen, die sich aus dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 2008 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 VwGG für die belangte Behörde ergaben.
Die belangte Behörde hat darüber hinaus in diesem Zusammenhang bei der Umschreibung des Zeitraums, über den sie im angefochtenen Bescheid entscheiden wollte, auf eine "Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Wien" Bezug genommen. Da von einer derartigen Antragstellung im gesamten Verfahren, wie es dem hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008 zugrunde lag, nur im Sinne einer "beabsichtigten Antragstellung" die Rede war und auch im angefochtenen Bescheid nicht näher dargelegt wird, um welchen Vorgang es sich dabei gehandelt haben sollte, ist der angefochtene Bescheid insofern jedenfalls zu unbestimmt.
Die belangte Behörde begründet nicht näher, wie sie zu dieser Einschränkung kam. Der Zeitpunkt, der im genannten Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Rolle spielte, war die Kontaktnahme der Organe der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Staatsanwalt (dieser Kontakt fand am 19. Mai 2005 um 21.37. Uhr statt). Dieser Zeitpunkt ist weder im Allgemeinen noch nach den konkreten Aktenunterlagen im vorliegenden Fall identisch mit einer "Antragstellung der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht". Der angefochtene Bescheid ist insofern nicht bestimmt genug und schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, weil ungeachtet eines in der Begründung (nicht im Bescheidvorspruch) datumsmäßig und nach einer Uhrzeit bezeichneten Zeitpunkts angesichts der im Folgenden darzustellenden Nichtübereinstimmung mit dem Akteninhalt, soweit die belangte Behörde den vom Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang angesprochenen Kontakt zwischen der Bundespolizeidirektion und dem Staatsanwalt gemeint haben sollte, Zweifel an dem von der belangten Behörde Gemeinten bestehen bleiben.
Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, dass bei der von der belangten Behörde gewählten Rechtstechnik (Entscheidung nicht über den ganzen von der Maßnahmenbeschwerde erfassten Zeitraum, sondern nur über einen Teilzeitraum) über die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich des Zeitraums bis zu dem von der belangten Behörde angenommenen Zeitpunkt noch nicht entschieden wäre, wäre jedenfalls unklar, welcher Zeitpunkt dies sein sollte. Da die belangte Behörde in ihrer Begründung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang Bezug nimmt, ist anzunehmen, dass die belangte Behörde die Kontaktnahme der Organe der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Staatsanwalt am 19. Mai gemeint haben dürfte. Sie hat in der Begründung des angefochtenen Bescheids jedoch den 20. Mai, 21.37 Uhr genannt.
Will man davon ausgehen, dass die belangte Behörde - entgegen der verbalen Umschreibung - den Zeitpunkt der Kontaktnahme der Organe der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Staatsanwalt meinte, ist ihr eine Aktenwidrigkeit unterlaufen, indem sie offensichtlich das Datum dieser Kontaktnahme irrtümlich (nämlich mit 20. Mai 2005 an Stelle von 19. Mai) annimmt. Wollte man jedoch annehmen, dass die belangte Behörde bewusst auf eine Antragstellung des Staatsanwalts abgestellt hätte, fehlen nähere Angaben, auf Grund welcher Beweisergebnisse sie von einer solchen Antragstellung am 20. Mai um 21.37 Uhr ausgeht.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde (abweichend von der Formulierung in der Einleitung ihres Spruches) von einer "eindeutigen Verfügung des Staatsanwaltes" aus, dürfte sich daher auf die telefonische Mitteilung des Staatsanwaltes an den Kriminalbeamten E vom 19. Mai 2005 beziehen, in der der Staatsanwalt nach dem von E angelegten Aktenvermerk den Antrag auf Untersuchungshaft "in Aussicht stellte". Ein derartiges In-Aussicht-Stellen stellt aber weder die Antragstellung selbst dar, noch kann sie - wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Vorerkenntnis feststellte - einen richterlichen Befehl ersetzen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist ergänzend Folgendes festzuhalten:
Die belangte Behörde hat die "vom Behördenvertreter enummerierten behördlichen Arbeiten" im angefochtenen Bescheid nicht näher festgestellt. Die Begründung, der zu beurteilende Zeitraum sei so kurz, dass die Anhaltung angesichts der von der Behörde vorzunehmenden Amtshandlungen gerechtfertigt gewesen sei, geht nach dem Vorgesagten offenbar von einer verfehlten (aktenwidrigen) Sachverhaltsannahme aus.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde aber nicht nur entsprechend dem hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008 über die Maßnahmenbeschwerde hinsichtlich der gesamten Dauer der Anhaltung abzusprechen haben, sondern dabei auch gegebenenfalls den von der belangten Behörde für eine Qualifizierung der Anhaltedauer als rechtmäßig maßgeblich angesehenen "Manipulationsaufwand" darzustellen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 10. August 2010
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