VwGH 2009/09/0280

VwGH2009/09/028025.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des KE in S, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Schanzlgasse 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 20. Oktober 2009, Zl. UVS-11/10974/6-2008, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §879;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ABGB §879;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 2009 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Verfügung nach außen berufene Organ der M GmbH als Arbeitgeber mit Sitz in S zu verantworten, dass von dieser der indische Staatsangehörige KA vom 2. Jänner 2001 bis zum 5. September 2007 in S beschäftigt worden sei, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe der Berufung des Beschwerdeführers Folgendes aus (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Am 6.11.2008 wurde - aufgrund entsprechenden Antrages in der Berufung - eine Berufungsverhandlung durchgeführt, die aber keine neuen Aspekte ergeben hat.

Somit gilt auch für diesen Fall der Prospektverteilung, dass Werbemittelverteiler kein selbständiges, näher umschriebenes 'Werk' herstellen. Ihre Verwendung erfolgt daher grundsätzlich in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Eine Vertragsbestimmung betreffend 'Verpflichtung zur Erstellung eines Werkes' spricht - weil im konkreten Zusammenhang ohne inhaltliche Aussagekraft - nicht für das 'Nichtvorliegen einer organisatorischwirtschaftlichen Abhängigkeit'. Dass die Regelung des Entgelts als 'Honorarvereinbarung' bezeichnet wird, der Ausländer überwiegend ein eigenes Fahrrad oder Motorrad benützen und 'Aufträge' ablehnen darf, macht den Ausländer - der keinen Einfluss auf die Höhe des ihm bezahlten 'Honorars' und seine konkrete Einteilung zu Verteilungen nehmen kann - nicht zu einem selbständigen Unternehmer. Diese als 'Rahmenwerkvertrag' mit konkreten Aufträgen ausgestaltete Rechtsbeziehung ist also höchstgerichtlich (bereits zum wiederholten Mal den hier (Beschwerdeführer) betreffend) als zumindest arbeitnehmerähnlich eingestuft worden (siehe zB VwGH 27.02.2003, 2000 / 09 / 0057, 2000 / 09 / 0058; E 21.01.2004, 2003 / 09 / 0137; E 25.05.2005, 2005 / 09 / 0045).

Es hat daher auch im vorliegenden Fall die Erstinstanz zurecht eine Übertretung der Bestimmungen des AuslBG konstatiert, da eine arbeitsmarktrechtliche Erlaubnis nicht vorgelegen hat und der (Beschwerdeführer) als zur Vertretung nach außen Berufener der M GmbH (Beschäftiger) dafür gemäß § 9 VStG zur Verantwortung zu ziehen ist.

Dem (Beschwerdeführer) ist hiebei eine vorsätzliche Begehungsweise anzulasten, da er die erwähnten ihn betreffenden Höchstgerichtsurteile ignoriert und weiterhin die bereits als rechtswidrig erkannte Vorgangsweise gewählt hat.

Auch der Hinweis auf ein anhängiges Verfahren betreffend eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' für Herrn KA ändert daran nichts, da eben zum Zeitpunkt der Beschäftigung diese Bewilligung noch nicht erteilt war und der (Beschwerdeführer) sich folglich nicht darauf berufen kann."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als diesem nicht entnommen werden kann, welche Sachverhaltselemente die belangte Behörde über die der Begründung entnehmbaren Tatsache, dass es sich um einen "Fall der Prospektverteilung" handle, sowie die kursorischen Hinweise auf nicht näher dargestellte Vertragsbestimmungen hinaus ihrer rechtlichen Beurteilung, dass eine (unselbständige) Beschäftigung des KA vorgelegen sei, zu Grunde gelegt hat.

Denn wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist der Begriff der Beschäftigung - soweit dies im Beschwerdefall in Betracht kommt - durch § 2 Abs. 2 AuslBG unter anderem in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. ist unter anderem auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zu Stande kam, ob diesem (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2000/09/0190, mwN).

Bei der Beurteilung des konkret erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muss dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach einer Art "beweglichem System", in dem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl. 2002/09/0187).

Um eine rechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung vornehmen zu können, ist der Sachverhalt konkret zu erheben und festzustellen. An dieser Verpflichtung der Behörde haben auch die von der belangten Behörde zitierten, den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisse (zu den Zahlen siehe die obige Wiedergabe des Auszuges aus der Begründung des angefochtenen Bescheides), auf die sich die belangte Behörde im Wesentlichen stützt, nichts geändert. Denn der Verwaltungsgerichtshof hatte in diesen Erkenntnissen eine in den dort bekämpften Bescheiden enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen beschriebene Tätigkeit zu beurteilen und die darauf beruhende Wertung der belangten Behörde als unselbständige Tätigkeit als rechtsrichtig erkannt.

Im gegenständlichen Fall lässt sich aus dem angefochtenen Bescheid aber nicht entnehmen, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen ist.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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