VwGH 2009/06/0222

VwGH2009/06/022217.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde

1. der EK und 2. des LK, beide in X, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom 26. August 2009, Zl. 038991/2008-17, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Y-Treuhand GmbH in X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 13. Oktober 2008 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Bürohauses und einen Zubau, umfassend acht Wohnungen und ein Treppenhaus mit Lift, auf dem Grundstück Nr. 708, EZ 362, KG Z. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des jenseits der K. Straße gelegenen Grundstückes Nr. 379.

Im Akt befindet sich das städtebaulich-raumplanerische Gutachten des Amtssachverständigen S. vom 23. Dezember 2008. Dieses kommt zu dem Schluss, dass das eingereichte Projekt aus Sicht der Stadtplanung positiv zu beurteilen sei.

Bei der mündlichen Bauverhandlung vom 2. April 2009 schlossen sich die Beschwerdeführer den Einwendungen der Anrainerin Dr. H. an. Dr. H. legte ein Privatgutachten des Univ. Prof. Dr. D. vom 30. März 2009 zur Frage vor, welche Baumasse im Sinne des § 43 Abs. 7 des Steiermärkischen Baugesetzes (BauG) auf dem konkreten Bauplatz städtebaulich verträglich sei und ob das eingereichte Bauprojekt den zu entwickelnden Kriterien entspreche. Dieses Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Begründung des Stadtplanungsamtes zur Anhebung der Bebauungsdichte auf 4,8 nicht den Anforderungen an eine schlüssige Beweisführung entspreche. Dr. H. legte im Wesentlichen dar, dass im Flächenwidmungsplan ein höchstzulässiger Bebauungsdichtewert von 2,5 festgelegt sei. Dessen massive Überschreitung führe zu einer exorbitant hohen Nutzung, die sich durch entsprechend überhöhte Immissionen (Schall, Luftschadstoffe, Lüftungsanlagen) auf der Nachbarliegenschaft in unzumutbar belästigender bzw. gefährdender Form niederschlagen würde. Der Festlegung eines Dichte-Höchstwertes sei der Immissionsschutz immanent. Das Bauvorhaben widerspreche auch dem Stadtentwicklungskonzept 2002. Univ. Prof. Dr. D. komme zum Schluss, dass das Bauprojekt auf Grund der Gebäudehöhe auch mit dem Ortsbild nicht vereinbar und städtebaulich störend sei. Durch die Nutzung, insbesondere durch die Zu- und Abfahrten mit Kraftfahrzeugen zu den an den Bauplatz angrenzenden Parkflächen und Parkbereichen, die dem Bauvorhaben zuzurechnen seien, komme es für die Nachbarn zu massiven Verschlechterungen der bereits die Grenzwerte überschreitenden Lärmimmissionssituation. Seitens der Beschwerdeführer wurde darüber hinaus bei der Bauverhandlung, abgesehen von der Dichteüberschreitung, auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Nichteinhaltung des Flächenwidmungsplanes und die Unschlüssigkeit des Amtssachverständigengutachtens vorgebracht.

Der Amtssachverständige S. des Stadtplanungsamtes gab am 9. Juni 2009 eine ergänzende Stellungnahme zum städtebaulichen Gutachten vom 23. Dezember 2008 ab. Dabei korrigierte er sein Gutachten vom 23. Dezember 2008, in dem der Funktionsbereich "Innerstädtisches Wohngebiet mit hoher Dichte" festgestellt worden sei, dahingehend, dass der Bauplatz nach der funktionellen Gliederung im Funktionsbereich "Innerstädtisches Wohn- und Mischgebiet" gelegen sei. Dem Funktionsbereich "Innerstädtisches Wohn- und Mischgebiet" sei aber zumindest ein gleichwertiges, wenn nicht teilweise höheres Entwicklungspotential als dem Funktionsbereich "Innerstädtisches Wohngebiet mit hoher Dichte" immanent, was sich in der Bebauungsdichte niederschlage.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 erteilte der Stadtsenat der Stadt Graz die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung diverser Auflagen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der von der Bauführung betroffene Bauplatz sei nach dem geltenden Flächenwidmungsplan als "Kerngebiet - ausgenommen Einkaufszentren überlagert mit Allgemeinem Wohngebiet" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 2,5 ausgewiesen. Der nachbarrechtliche Immissionsschutz im Kerngebiet sei dahingehend bestimmt, dass keine Betriebe errichtet werden dürften, die dem Gebietscharakter widersprechende Belästigungen der Bewohner verursachten. Der nachbarrechtliche Immissionsschutz sei im Allgemeinen Wohngebiet dahingehend bestimmt, dass keine Betriebe errichtet werden dürften, die dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohner verursachten. Hinsichtlich der Dichteüberschreitung bestehe kein Nachbarrecht, und die Festlegung der Bebauungsdichte sei auch keine Bestimmung, mit der ein Immissionsschutz verbunden sei. Antragsgegenständlich sei der Umbau des bestehenden Bürogebäudes, das weiterhin der Büronutzung dienen solle, sowie die Errichtung eines Zubaues für Wohnzwecke. Da die Nutzung des bestehenden Gebäudes nicht verändert werde und diese zudem in der Widmungskategorie Kerngebiet schlechthin als zulässig anzusehen sei, gehe das diesbezügliche Vorbringen der Nachbarn ins Leere. Soweit sich das Vorbringen gegen die geplante Nutzung des Zubaues für Wohnzwecke richte, sei gerade die Wohnnutzung als in der Widmungskategorie "Allgemeines Wohngebiet" schlechthin zulässig anzusehen. Immissionen, die sich im Rahmen der in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaße hielten, müssten von den Nachbarn hingenommen werden. Besondere Umstände, die eine differenzierte Beurteilung bedingen würden, lägen augenscheinlich nicht vor. Die Errichtung von PKW-Abstellplätzen sei nicht Gegenstand des Antrages. Vielmehr sei auf Grund der guten Anbindung des Bauplatzes an das öffentliche Verkehrsnetz von der Verpflichtung zur Errichtung von PKW-Abstellplätzen abzusehen. Den Nachbarn komme hinsichtlich der Frage betreffend die Verpflichtung zur Errichtung von PKW-Abstellplätzen kein Mitspracherecht zu. Dies gelte auch betreffend Fragen des Ortsbildschutzes, städtebaulicher und schönheitlicher Rücksichten sowie der Gebäudehöhe. In der weiteren Bescheidbegründung setzte sich die Baubehörde erster Instanz im Wesentlichen mit den beiden vorliegenden, oben genannten Gutachten auseinander und kam zu dem Schluss, dass dem Gutachten des Amtssachverständigen zu folgen sei.

Die Beschwerdeführer erhoben, ebenso wie die Nachbarin Dr. H., Berufung. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde den Berufungen keine Folge gegeben. In der Bescheidbegründung legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, der gegenständliche Bauplatz sei im geltenden Flächenwidmungsplan als Kerngebiet (ausgenommen Einkaufszentren), überlagert mit Allgemeinem Wohngebiet, mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 2,5 ausgewiesen. Die Grundstücke der Beschwerdeführer seien vom gegenständlichen Bauplatz durch die ca. 19 m breite öffentliche Verkehrsfläche K. Straße getrennt. Wohnbauten seien im allgemeinen Wohngebiet schlechthin zulässig. Die von einer Wohnnutzung im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen seien von den Nachbarn hinzunehmen. Diesbezüglich seien keine Sachverständigengutachten erforderlich. Besondere Umstände des Einzelfalles lägen nicht vor. Von der Vorschreibung von PKW-Stellplätzen auf dem Bauplatz habe Abstand genommen werden können. Hinsichtlich der Bebauungsdichte bestehe kein Nachbarrecht. Das diesbezügliche Vorbringen gehe daher ebenso ins Leere wie die Behauptung in der Berufung, dass durch die überproportionale Nutzung des Bauplatzes besondere Umstände vorlägen, die für die Nachbarn unzumutbare Beeinträchtigungen und unbefriedigende Wohn- und Arbeitsbedingungen verursachten. Abgesehen davon, dass die Wohnnutzung im Wohngebiet jedenfalls zulässig sei, sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen für die Nachbarn durch die geplanten acht Wohneinheiten (PKW-Stellplätze seien nicht vorgesehen) unzumutbare Wohn- und Arbeitsbedingungen entstehen sollten. Hinsichtlich der Gebäudehöhe und der Frage, ob sich die Verkehrsverhältnisse auf der öffentlichen Verkehrsfläche K. Straße änderten, bestünden keine Nachbarrechte. Es erübrige sich daher darauf einzugehen, ob das Bauvorhaben in Hinblick auf die Bebauungsdichte und die Gebäudehöhe dem Straßen- und Ortsbild gerecht werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die Überschreitung der Bebauungsdichteobergrenze von 2,5 auf 4,8 würde zu erheblichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführer durch Emissionen von Abgasen, Schallentwicklung und Entlüftungs- und Klimaanlagenausmündungen führen. Die belangte Behörde habe auf die Beiziehung diesbezüglicher Sachverständigenbeweise verzichtet. Solche hätten ergeben, dass durch das Bauprojekt unzumutbare Beeinträchtigungen und unbefriedigende Wohn- und Arbeitsbedingungen auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer verursacht würden. Abgesehen davon habe der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2009 zwar sein Gutachten vom 23. Dezember 2008 korrigiert, in weiterer Folge jedoch nicht mehr explizit zum Gutachten des Univ. Prof. Dr. D. Stellung genommen. Die Beschwerdeführer hätten die mangelnde Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit den Bebauungsrichtlinien, insoweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei, entsprechend § 26 Abs. 1 BauG bemängelt. Die Behörde hätte sich daher inhaltlich mit den beiden vorgelegten Gutachten auseinander zu setzen gehabt, zumal sich nur auf diese Art und Weise die Frage hätte klären lassen, ob die massive Überschreitung der Bebauungsdichteobergrenze von 2,5 auf 4,8 im vorliegenden Fall städtebaulich tunlich und im Sinne des Ortsbildschutzes zweckmäßig und daher trotz der Einwendungen der Beschwerdeführer zu genehmigen gewesen wäre oder nicht. Die Bebauungsdichte bestimme maßgeblich unter anderem auch das Emissions- bzw. Immissionspotenzial eines Bauplatzes. Werde sie überschritten, widerspreche das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan und dem damit, eben auch über die höchstzulässige Bebauungsdichte, definierten Immissionsschutz. Außerdem enthalte das Gutachten des Amtssachverständigen massive Mängel. Es sei unschlüssig, nicht nachvollziehbar und sogar norm- und aktenwidrig (wird näher ausgeführt). Die belangte Behörde hätte sich mit dem Privatgutachten näher auseinander setzen müssen, nach welchem das Bauvorhaben weder städtebaulich tunlich sei noch harmonisch mit dem Straßen- und Ortsbild vereinbar erscheine.

§ 26 Abs. 1 BauG lautet:

"§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und

einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§13);
  2. 3. den Schallschutz (§43 Abs.2 Z.5);
  3. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§51 Abs.1);
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder

    unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

    Die Aufzählung der Nachbarrechte in § 26 Abs. 1 BauG ist eine taxative (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/06/0052, mwN).

    Aus § 26 Abs. 1 BauG ergibt sich kein Nachbarrecht in Bezug auf eine einzuhaltende Bebauungsdichte. Insbesondere handelt es sich dabei, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer, nicht um eine Bestimmung des Bebauungsplanes im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 BauG, mit der ein Immissionsschutz verbunden ist (vgl. die bei Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht4, S. 300 unter Z. 176 f wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass sich die belangte Behörde im Hinblick auf die Immissionsbelastung mit ihren Einwendungen hätte auseinandersetzen müssen, soweit diese die Bebauungsdichte betreffen, geht daher ins Leere. Dies betrifft auch die Ausführungen in der Beschwerde, dass sich die belangte Behörde mit den Gutachten des Amtssachverständigen und des Univ. Prof. Dr. D. aus diesem Grunde hätte näher befassen müssen. Dass im Übrigen ein Wohnbau im Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist und auf die Bürowidmung schon deshalb nicht näher einzugehen ist, weil diese bereits bisher bestanden hat und durch das Bauprojekt diesbezüglich keine Änderung eintritt, wird von den Beschwerdeführern in ihrer Beschwerde nicht in Frage gestellt.

    Zu Fragen der Stadtgestaltung und des Orts- und Landschaftsbildes bzw. des Straßenbildes steht den Beschwerdeführern ebenfalls kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Grund des § 26 Abs. 1 BauG zu (vgl. die bei Hauer/Trippl, aaO, S. 299 unter Z. 173 f wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass sich die belangte Behörde in dieser Hinsicht mit den Sachverständigengutachten näher hätte auseinander setzen müssen, geht auch ihr diesbezügliches Vorbringen daher ins Leere.

    Zu bemerken ist, dass die einer Partei eingeräumten prozessualen Rechte nicht weiter reichen als die ihr durch das Gesetz gewährleisteten materiellen Rechte (vgl. die bei Hauer/Trippl, aaO, S. 270 f unter Z. 35 f wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Soweit die Beschwerdeführer daher geltend machen, dass das Gutachten des Amtssachverständigen, dem die belangte Behörde gefolgt ist, unschlüssig sei und die belangte Behörde sich nicht ausreichend mit dem schlüssigen Privatgutachten des Univ. Prof. Dr. D. auseinandergesetzt habe, kommt dem schon deshalb keine Bedeutung im vorliegenden Verfahren zu, weil Gegenstand der jeweiligen Gutachten nur Fragen waren, hinsichtlich derer, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, die Nachbarn kein Mitspracherecht haben.

    Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 74 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 17. August 2010

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