VwGH 2009/06/0146

VwGH2009/06/014624.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des G S in A, vertreten durch Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1100 Wien, Gudrunstraße 141, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. September 2007, Zl. Ve1-8-1/359-9, betreffend Abweisung des Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG Tir 2006 §54 Abs5;
ROG Tir 2006 §55 Abs1;
BauRallg;
ROG Tir 2006 §54 Abs5;
ROG Tir 2006 §55 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und des vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsaktes ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer brachte bei der mitbeteiligten Gemeinde am 19. August 2005 einen Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für Um- und Zubauten am bestehenden Gebäude auf einem Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde ein.

Er erhob mit Schreiben vom 6. März 2006 einen Devolutionsantrag beim Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde.

Der Gemeindevorstand erteilte als auf Grund des Devolutionsantrages zuständige Behörde mit Bescheid vom 16. Oktober 2006 dem Bauansuchen zum Teil die baurechtliche Bewilligung (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. wurde das Bauansuchen betreffend die Herstellung eines Erkers unter der bestehenden Balkonplatte im Erdgeschoss, die Herstellung eines Erkers statt dem bestehenden Balkon im Obergeschoss, die Herstellung einer Pergola auf dem Garagendach im Obergeschoss und die Herstellung eines Geräteraumes im Erdgeschoss gemäß § 26 Abs. 4 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001) abgewiesen. Die Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass im örtlichen Raumordnungskonzept für das Baugrundstück die Dichtezone D 1 festgelegt sei und diese eine maximale Baumassendichte von 1,7 vorsehe. Inklusive der geplanten Zubauten ergebe sich eine Baumassendichte von 2,6 im Unterschied zum Bestand von 2,43. Das Bauansuchen sei daher wegen Widerspruches zu den örtlichen Bauvorschriften gemäß § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 TBO 2001 abzuweisen.

Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung mit dem Bescheid vom 7. Februar 2007 Folge, behob den angeführten Bescheid des Gemeindevorstandes und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass sich allfällige Festlegungen über die Zulässigkeit der Bebauungsdichte aus einem ergänzenden Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde hätten ergeben müssen, und nicht aus den örtlichen Bauvorschriften. Örtliche Bauvorschriften, die gemäß § 19 TBO 2001 erlassen werden könnten, dienten dem Schutz des Orts- und Straßenbildes oder sollen im Interesse einer das Orts- und Straßenbild prägenden baulichen Entwicklung stehen. Durch diese Bestimmung könnten jedoch nur Regelungen erlassen werden, die die äußere Gestaltung von Anlagen in Gebieten mit erhaltenswerten Orts- und Stadtbildern oder erhaltenswerten Gebäudegruppen, die Art der Gestaltung der Einfriedungen, die Zulässigkeit der Art der Bodenversiegelung oder die Notwendigkeit der Art der Bepflanzung bei großflächigen baulichen Anlagen betreffen. Die Begründung des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides sei nicht schlüssig und nachvollziehbar.

Die Tatsache, dass zwischenzeitig offenkundig ein ergänzender Bebauungsplan erlassen worden sei, der für das Grundstück eine maximale Baumassendichte festlegte, sei für das Verfahren nicht maßgeblich, da für die Vorstellungsbehörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides maßgeblich sei.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde erließ mit Bescheid vom 11. April 2007 einen gleichartigen Bescheid wie im ersten Rechtsgang mit einer teilweisen Bewilligung bzw. Versagung der geplanten baulichen Maßnahmen. Er führte im Wesentlichen aus, dass im Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung ein ergänzender Bebauungsplan in Geltung gestanden sei, nach dem für das Baugrundstück eine Baumassendichte von 2,43 festgesetzt worden sei. Inklusive der geplanten Zubauten ergebe sich für das Gebäude eine Baumassendichte von 2,6. Die beantragte bauliche Erweiterung bzw. Vergrößerung des bestehenden Gebäudes widerspreche daher dem ergänzenden Bebauungsplan und könne nicht bewilligt werden.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeindevorstandes am 11. April 2007 für das verfahrensgegenständliche Grundstück ein ergänzender Bebauungsplan bestanden habe. In diesem sei für das Baugrundstück eine zulässige Baumassendichte von höchstens 2,43 festgelegt worden. Die behauptete rückwirkende Geltung der Verordnung liege nicht vor, da dieser Bebauungsplan vor der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes in Kraft getreten sei. Der ergänzende Bebauungsplan sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeindevorstandes am 10. April 2007 in Geltung gestanden. Die Kundmachung des Bebauungsplanes nach dem Beschluss des Gemeinderates am 14. Dezember 2006 entspreche den Bestimmungen des § 67 Tir. RaumordnungsG (TROG 2006). Eine Änderung der Rechtslage, wie im vorliegenden Fall die Aufhebung des Bebauungsplanes am 10. Mai 2007, sei für die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde rechtlich unerheblich, da für sie die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides maßgeblich sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die zunächst bei ihm dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juni 2009, B 2050/07-7, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Zu den vom Beschwerdeführer erhobenen Bedenken gegen die generellen Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass nur der ergänzende Bebauungsplan für das verfahrensgegenständliche Grundstück (Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2006, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 19. Dezember 2006 bis 2. Jänner 2007), präjudiziell sei. Gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes stelle der Umstand, dass die Erlassung eines Bebauungsplanes für eine Bauparzelle anlässlich eines diese Bauparzelle betreffenden Baubewilligungsverfahrens erfolgt sei, für sich allein keine Gesetzwidrigkeit dar, wenn darin nicht eine unsachliche Begünstigung oder Benachteiligung einer Person liege, sondern sachliche Gründe maßgebend seien. Dass gemäß § 54 Abs. 1 TROG 2006 ergänzende Bebauungspläne möglichst für funktionell zusammenhängende Gebiete zu erlassen seien, schließe die Erlassung eines ergänzenden Bebauungsplanes für nur ein Grundstück nicht aus (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2000, VfSlg. Nr. 15.916/2000). Die Festlegung "BMD H 2,43" entspreche der Baumasse des rechtmäßig bestehenden Gebäudes und sei somit im Sinne des § 54 Abs. 1 TROG 2006 unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bestandaufnahme erfolgt. Ausgehend von der Annahme, dass es sich um ein Gebiet der Dichtzone D 1 handle, weiche diese Dichtefestlegung vom örtlichen Raumordnungskonzept sogar zu Gunsten des Beschwerdeführers ab.

In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer verweist zunächst auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 90/06/0069), nach der für das nachprüfende Verfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur jener Sachverhalt und jene Rechtslage entscheidend seien, die zum Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides gegeben gewesen seien. Im vorliegenden Beschwerdefall würde die Anwendung dieser Rechtsprechung jedoch zu einem grob unbilligen Ergebnis führen. Das Bauansuchen sei am 19. August 2005 eingebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei für das Grundstück der allgemeine Bebauungsplan vom 30. Juni 2004 in Geltung gestanden. Er habe sich bei seinem Bauantrag nur auf diese Verordnung beziehen können. Der ergänzende Bebauungsplan sei am 14. Dezember 2006 beschlossen und vom 19. Dezember 2006 bis zum 2. Jänner 2007 kundgemacht worden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer den im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes vom 16. Oktober 2006 mit Vorstellung vom 27. Oktober 2006 bekämpft, mit dem Erfolg, dass die belangte Behörde den Bescheid des Gemeindevorstandes mit Bescheid vom 7. Februar 2007 aufgehoben habe.

Hätte die erstinstanzliche Baubehörde ihrer Entscheidungspflicht entsprochen, wäre das Bauansuchen nach der in diesem Zeitraum anzuwendenden Rechtslage zu erteilen gewesen. Die Gesetzwidrigkeit des vorliegenden Baubewilligungsverfahrens ergebe sich aus der Stattgebung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers durch den Gemeindevorstand, dem aufhebenden ersten Vorstellungsbescheid vom 7. Februar 2007 und dem Beschluss des Gemeinderates über die Aufhebung des ergänzenden Bebauungsplanes vom 14. Dezember 2006 am 10. Mai 2007, kundgemacht am 25. Mai 2007. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid eine Verordnung zu Grunde legen müssen, die zum Zeitpunkt der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (am 31. Oktober 2007) schon nicht mehr in Geltung gestanden sei. Es hätte daher jene Rechtslage angewendet werden müssen, die innerhalb jenes Zeitraumes gegolten habe, innerhalb dem die Baubehörde erster Instanz bei gesetzeskonformer Vorgangsweise über das Baubewilligungsansuchen zu entscheiden gehabt hätte. Die Baubehörde habe das Verfahren durch ein abgestimmtes Verhalten mit dem Verordnungsgeber im Widmungsverfahren rechtswidrigerweise so lange verschleppt, bis die Rechtslage durch Erlassung eines ergänzenden Bebauungsplanes so abgeändert worden sei, dass ein wesentlicher Teil des Bauantrages habe abgewiesen werden können. Die Baubehörde hätte vielmehr von Beginn an § 55 Abs. 1 TROG 2006 anzuwenden gehabt. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung stelle eine grobe Verkennung der Rechtslage dar. Bei Entscheidung über das vorliegende Bauansuchen hätte der Flächenwidmungsplan, der bei Antragstellung geltende allgemeine Bebauungsplan und § 55 Abs. 1 TROG 2006 angewendet werden müssen. Nur diese Rechtslage sei für den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung erkenn- und planbar gewesen.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer verweist selbst auch auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, VwSlg. Nr. 9.315/A, nach dem die Rechtsmittelbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Dies gilt grundsätzlich in gleicher Weise für Bescheide einer erstinstanzlichen Behörde, unabhängig davon, in welchem Rechtsgang ein solcher Bescheid erlassen wird. Für die Baubehörden ist im Baubewilligungsverfahren jeweils die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgeblich. Der in Frage stehende ergänzende Bebauungsplan (der am 3. Jänner 2007 in Kraft getreten ist) ist - auch vom Beschwerdeführer unbestritten - im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes im zweiten Rechtsgang (am 12. April 2007) in Geltung gestanden. Der Umstand, dass dieser ergänzende Bebauungsplan eine Baumassendichte vorsah, die der Zulässigkeit der beantragten Erweiterungen entgegen stand, ändert an dem für die Baubehörde maßgeblichen Zeitpunkt für die anzuwendende Sach- und Rechtslage nichts. Die Entscheidung über ein Bauansuchen stellt keine Angelegenheit dar, die stichtagsbezogen oder zeitraumbezogen zu beurteilen wäre. Dass aber die im anzuwendenden ergänzenden Bebauugsplan bestimmte Baumassendichte mit den geplanten Erweiterungen des Gebäudes überschritten würde, bestreitet der Beschwerdeführer nicht.

Für die Vorstellungsbehörde als bloß nachprüfender Behörde - wie auch für den Verwaltungsgerichtshof - war gleichfalls jene Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides (hier des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. April 2007) bestanden hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0131).

Weiters meint der Beschwerdeführer, er werde im angefochtenen Bescheid auch in seinem Recht auf Anwendung des § 55 Abs. 1 TROG 2006 verletzt.

Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Diese Bestimmung normiert eine Ausnahme von dem in § 54 Abs. 5 TROG 2006 verankerten Erfordernis für die Erteilung einer Baubewilliung, dass für das Baugrundstück ein allgemeiner und einergänzender Bebauungsplan vorliegen. Sind die näher genannten Kriterien in Abs. 3 dieser Bestimmung gegeben, darf eine Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden auch ohne Vorliegen eines allgemeinen und eines ergänzenden Bebauungsplanes erteilt werden. Wie bereits dargelegt, standen im vorliegenden Fall bei Erlassung des letzten gemeindebehördlichen Bescheides (des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 11. April 2007) für das Baugrundstück sowohl ein allgemeiner als auch ein ergänzender Bebauungsplan in Geltung. § 55 Abs. 1 TROG 2006 war im vorliegenden Baubewilligungsverfahren daher nicht anzuwenden. Eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Anwendung dieser Bestimmung kommt daher nicht in Betracht.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. März 2010

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