VwGH 2009/04/0237

VwGH2009/04/023717.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Lutz Moser, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Herzgasse 61/9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Oktober 2009, Zl. M63/008066/2009, betreffend Entziehung von Gewerbeberechtigungen, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §26;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §26;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Oktober 2009 hat der Landeshauptmann von Wien dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Ausübung der Gewerbe "gewerbliche Vermögensberatung, ausgenommen Personalkreditvermittlung mit Berechtigung zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" und "Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent" gemäß § 13 Abs. 1 iVm § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 entzogen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil vom 11. Juli 2005 wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz und des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a leg. cit. zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 88.000,--, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von vier Monaten, verurteilt worden. Dieser Verurteilung lägen folgende Tathandlungen zu Grunde:

Der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer Immobilienverwertungsgesellschaft hat vorsätzlich in mehreren Tathandlungen

A) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-,

Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, indem Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden, und zwar

1995 Umsatzsteuer von EUR 5.180,48;

1996 Umsatzsteuer von EUR 6.448,48;

1997 Umsatzsteuer von EUR 10.870,33;

1998 Umsatzsteuer von EUR 11.270,98;

1999 Umsatzsteuer von EUR 11.110,08;

2000 Umsatzsteuer von EUR 4.695,03;

B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von

dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt, und zwar

im Dezember 1998 in der Höhe von EUR 64.098,30;

im Zeitraum vom Juli bis Dezember 1999 in der Höhe von EUR 85.397,56;

zusätzlich im Jahr 1999 in der Höhe von EUR 438,51;

im Zeitraum von Jänner bis Juni 2000 in der Höhe von EUR 11.991,02

und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Dieses Urteil sei vom Oberlandesgericht am 12. Oktober 2006

bestätigt worden.

Die Ausübung der entzogenen Gewerbe biete zweifellos

Gelegenheit, gleiche oder ähnliche Verstöße gegen das Finanzstrafrecht zu begehen. Als Unternehmer habe der Beschwerdeführer dafür Sorge zu tragen, dass Abgaben ordnungsgemäß selbst bemessen (Selbstbemessungsabgaben) bzw. deren Bemessungsgrundlage nach den Bestimmungen des Umsatzsteuer- und Einkommensteuergesetzes der Finanzbehörde rechtzeitig und vollständig offen gelegt würden. Zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers sei festzuhalten, dass er das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und in den Jahren 1992/93 die Prüfung zum Immobilienmakler abgelegt habe, wobei auch das Steuerrecht Bestandteil seiner Ausbildung gewesen sei. Er sei daher mit den einschlägigen Bestimmungen des Steuerrechts bestens vertraut. Die strafbaren Handlungen seien in einem Zeitraum von etwa sechs Jahren gesetzt worden; es sei dadurch eine Abgabenhinterziehung in der Höhe von insgesamt EUR 211.500,77 bewirkt worden. Soweit der Beschwerdeführer den langen Zeitraum seit Tatbegehung ins Treffen führe, sei er auf das Urteil des Oberlandesgerichtes vom 12. Oktober 2006 zu verweisen, wonach bei der Strafbemessung als erschwerend zu werten gewesen sei, dass der Beschwerdeführer mehrfach finanzbehördlich wegen Abgabenhinterziehung und fahrlässiger Abgabenverkürzung bestraft worden sei. Diese finanzbehördlichen Bestrafungen seien im Rahmen der Beurteilung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers entsprechend zu würdigen. Der Beschwerdeführer messe den rechtlich geschützten Werten, vor allem der ordnungsgemäßen Erstattung von abgabenrechtlichen Erklärungen, nicht die gehörige Bedeutung zu; er nehme zu seinem eigenen Vorteil eine Schädigung der Allgemeinheit billigend in Kauf. Vor diesem Hintergrund erscheine der seit der gegenständlichen Verurteilung verstrichene Zeitraum zu kurz, um eine andere Einstellung des Beschwerdeführers zu den rechtlich geschützten Werten erwarten zu lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie (Z. 1) von einem Gericht (lit. b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind und (Z. 2) die Verurteilung nicht getilgt ist, wobei bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend ist.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbetreibenden die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Der Beschwerdeführer wurde unstrittig wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 88.000,-- , im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von vier Monaten, verurteilt. Damit ist der Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b GewO 1994 erfüllt.

Der Beschwerdeführer macht primär geltend, dass eine Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 26 GewO 1994 zu erteilen gewesen wäre und die belangte Behörde auf sein diesbezügliches Vorbringen nicht eingegangen sei. Dazu ist zunächst auszuführen, dass bei bestehender Gewerbeberechtigung für die Erteilung einer Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 kein Raum bleibt. Nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO ist nämlich die - auch für die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. maßgebliche - Erwartung, es sei nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten, in der Form zu berücksichtigen, dass von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2000, Zl. 2000/04/0002).

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, die Befürchtung der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei der Ausübung des entzogenen Gewerbes erfordere einen erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad. Ein solcher Wahrscheinlichkeitsgrad könne weder aus der bloßen Gelegenheit zur Tatbegehung bei Gewerbeausübung noch aus der solche Taten begünstigenden Ausbildung des Beschwerdeführers abgeleitet werden.

Der Beschwerdeführer hat unstrittig in einem Zeitraum von etwa sechs Jahren Abgaben in der Höhe von insgesamt EUR 211.500,77 verkürzt, wobei er für den überwiegenden Teil die Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, bereits davor mehrmals wegen Abgabenhinterziehung und fahrlässiger Abgabenverkürzung bestraft worden zu sein. Dieses über mehrere Jahre gezeigte Verhalten lässt erkennen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Persönlichkeit dazu neigt, sich durch die Verkürzung von Abgaben auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Die Tätigkeiten als Vermögensberater, Versicherungsmakler und Versicherungsagent bieten - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - zweifellos Gelegenheit, zumindest ähnliche Straftaten bei Ausübung dieser Gewerbe zu begehen. Wenngleich dem etwa neunjährigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers von der zuletzt begangenen Straftat bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der Beurteilung seines Persönlichkeitsbildes ein großes Gewicht zukommt, ist dieser Zeitraum angesichts des langen Deliktszeitraumes, der Vorstrafen und des hohen Schadensbetrages noch etwas zu kurz, um auf einen gänzlichen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, es sei zu befürchten, der Beschwerdeführer werde die gleiche oder ähnliche gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten bei Ausübung der gegenständlichen Gewerbe begehen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erfordert diese Befürchtung keinen höheren Wahrscheinlichkeitsgrad, vielmehr ist der Gewerbeentziehungsgrund nur dann nicht verwirklicht, wenn die Befürchtung gar nicht besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2007/04/0195).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. September 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte