VwGH 2008/23/0976

VwGH2008/23/097613.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Wurdinger, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des S P, geboren 1966, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Mai 2006, Zl. 300.128-C1/E1-XV/52/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Normen

AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (Refoulemententscheidung und Ausweisung) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (Abweisung der Berufung im Asylteil gemäß § 7 Asylgesetz 1997) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, beantragte am 22. November 2005 die Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid vom 7. März 2006 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt II.), und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2006 - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung - gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab.

Begründend traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in Tschetschenien sowie zur Situation ethnischer Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation und führte im Wesentlichen aus, das individuelle Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von russischen Sicherheitskräften verschleppt, misshandelt und rund einen Monat lang festgehalten worden sei und sein Name sich auf einer Fahndungsliste des Sicherheitsdienstes FSB befinde, sei aufgrund näher dargestellter Widersprüche in seinen Angaben nicht glaubwürdig.

Weiters lägen auch keine Umstände vor, welche ein Refoulement des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen. Außer in Tschetschenien könne der Beschwerdeführer "zudem" in anderen Teilen der Russischen Föderation Aufenthalt nehmen, in welchen er keinen relevanten Gefährdungen ausgesetzt sei, "etwa in den Verwaltungsbezirken Rostow oder Pskow". So lebten Verwandte des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1991 - wie viele Tschetschenen - im Verwaltungsbezirk Pskow. Seine Ehefrau und seine Tochter hätten von 1999 bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2005 im Verwaltungsbezirk Rostow gelebt, wo seine Ehefrau als Lehrerin arbeiten und seine Tochter einen Kindergarten besuchen habe können. In diesem Verwaltungsbezirk lebten etwa 40.000 Tschetschenen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zu I.:

1. Die belangte Behörde traf unter anderem folgende (weitgehend auf einem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 30. August 2005 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) beruhende), hier auszugsweise wörtlich wiedergegebene Länderfeststellungen:

"Sicherheits- und Versorgungslage in Tschetschenien:

In den Gebieten Tschetscheniens, in denen sich russische Truppen aufhalten (umfassen mit Ausnahme schwer zugänglicher Gebirgsregionen das ganze Territorium der Teilrepublik), ist die Sicherheit der Zivilbevölkerung wegen ständiger Razzien, Guerilla-Aktivitäten, Geiselnahmen, 'Säuberungsaktionen', Plünderungen und Übergriffen (durch russische Soldaten und Angehörige der Truppe von Ramsan Kadyrow) nicht gewährleistet.

(...)

Ein Ende der Gewalt in Tschetschenien ist auch Ende 2005 noch

nicht absehbar.

(...)

Die tschetschenische Bevölkerung lebt unter sehr schweren Bedingungen. Die Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere in Grosny, mit Nahrungsmitteln ist äußerst mangelhaft. Die Lieferung von Nahrungsmitteln durch internationale Hilfsorganisationen in das Krisengebiet ist nur sehr begrenzt und punktuell möglich. Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser etc.) und Gesundheitssystem sind nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die geleisteten Kompensationszahlungen erste zaghafte Erfolge.

(...)

Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist völlig unzureichend. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - sind medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Wichtige medizinische Einrichtungen in Grosny und Umgebung sind nach Augenzeugenberichten stark beschädigt oder zerstört. Der Wiederaufbau verläuft zwar schleppend, doch erlauben personelle, technische und materielle Ausstattung in einigen Krankenhäusern mittlerweile wieder eine medizinische Grundversorgung.

(...)

Sicherheitslage für Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens:

(...)

Nach der Moskauer Geiselnahme 2002 hat sich im Zusammenhang mit der intensiven Fahndung nach den Drahtziehern und Teilnehmern der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen in Moskau und anderen Teilen Russlands signifikant erhöht. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von einer verschärften Kampagne der Miliz gegen Tschetschenen, bei denen einziges Kriterium die ethnische Zugehörigkeit sei; kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht.

Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) seien verschärft worden. (...)

(Es) ist angesichts der andauernden Aktualität des innenpolitischen Problems Tschetschenien einschließlich anhaltender Anschläge auch in Moskau davon auszugehen, dass rückgeführten Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden gewidmet wird, insbesondere solchen Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen.

(...)

Ausweichmöglichkeiten und Relokation:

(...)

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der Freizügigkeit, der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation außerhalb von Tschetschenien zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird in der Praxis an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie z.B. Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch Verwaltungsvorschriften sehr stark erschwert. Diese Zugangsbeschränkungen gelten unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit antikaukasischer Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. 1993 erließ die russische Regierung das so genannte Föderationsgesetz. Es beinhaltet die Schaffung eines Registrierungssystems am gegenwärtigen Aufenthaltsort ('vorübergehende Registrierung') oder am Wohnsitz ('dauerhafte Registrierung'), bei dem die Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren Aufenthalts- und Wohnort melden. Das davor geltende 'Propiska'-System sah nicht nur die Meldung durch den Bürger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behörden vor. Trotz der Systemumstellung wenden viele Regionalbehörden der Russischen Föderation restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an. Aufgrund der restriktiven Vergabepraxis von Aufenthaltsgenehmigungen haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. In seinem Sonderbericht vom Oktober 2000 kritisierte der Ombudsmann der Russischen Föderation die regionalen Vorschriften, die im Widerspruch zu den nationalen Vorschriften stehen, sowie rechtswidrige Vollzugspraktiken. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Tschetschenen, besonders in Moskau, häufig die Registrierung verweigert wird. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und die Registrierung am Wohnort. Diese ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen oder Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem. Auch eine Registrierung als Binnenflüchtling und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und UNHCR regelmäßig verwehrt.

(...)

Tschetschenen leben außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens neben Moskau vor allem in Südrussland. Dort ist eine Registrierung auch grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil der grundsätzlich als Registrierungsvoraussetzung notwendige Wohnraum (als Eigentümer oder Mieter) dort finanziell erheblich günstiger ist als in Moskau, wo die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt ausgesprochen hoch sind. Eine Registrierung ist auch in anderen Landesteilen mitunter erst nach Intervention von Nichtregierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten bzw. dem Bezahlen von Bestechungsgeldern möglich gewesen.

Nichtregistrierte Tschetschenen können allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. (Die russische Menschenrechtsorganisation) Memorial beklagte auf einer Pressekonferenz am 15.04.2005 die zunehmenden Fälle von Verletzungen der Menschenrechte ethnischer Tschetschenen, die in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens leben. Nach Einschätzung der Menschenrechtler sei eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierung oder aufgrund manipulierter Ermittlungsverfahren festzustellen. Der tschetschenische Präsident Alchanow kündigte bei einem Treffen mit Menschenrechtsorganisationen am 29.04.2005 an, dass nach den Parlamentswahlen im November eine spezielle Parlamentskommission eingesetzt werde, die derartige Vorfälle dokumentieren und aufklären solle."

Abschließend stellte die belangte Behörde (hier unter Bezugnahme auf die UNHCR-Stellungnahme über Asylsuchende und Flüchtlinge aus der Tschetschenischen Republik - Russische Föderation vom 22. Oktober 2004) fest:

"Angesichts dieser Lage und mangels einer echten inländischen Fluchtalternative innerhalb der Russischen Föderation für Tschetschenen ist UNHCR unverändert der Auffassung, dass Tschetschenen, die vor ihrem Asylantrag im Ausland ihren ständigen Wohnsitz in Tschetschenien hatten, als Personen angesehen werden sollten, die internationalen Schutz benötigen, da sie entweder a) begründete Furcht vor Verfolgung haben (...), und/oder b) Tschetschenien wegen einer ernsthaften und allgegenwärtigen Bedrohung ihres Lebens, ihrer persönlichen Sicherheit oder ihrer Freiheit infolge allgemeiner Gewalt oder schwerwiegender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlassen haben."

2. Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Juni 2010, Zlen. 2007/20/0860 bis 0865, mwN).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Refoulemententscheidung nicht gerecht.

2.1. Was zunächst die Frage der Zulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tschetschenien anbelangt, so beschränkt sich die belangte Behörde darauf anzumerken, es lägen keine Umstände vor, welche ein Refoulement in den Herkunftsstaat (und damit auch nach Tschetschenien) unzulässig erscheinen ließen. Wie sie angesichts der oben wiedergegebenen Feststellungen, wonach in Tschetschenien die Sicherheit der Zivilbevölkerung nicht gewährleistet, ein Ende der Gewalt nicht absehbar, die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln äußerst mangelhaft, das Gesundheitssystem nahezu vollständig zusammengebrochen und die medizinische Versorgung völlig unzureichend sei, annehmen konnte, damit die Vereinbarkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tschetschenien mit Art. 3 EMRK begründet zu haben, ist nicht nachvollziehbar.

2.2. Die belangte Behörde ging aber auch vom Bestehen einer innerstaatlichen Ausweichmöglichkeit für den Beschwerdeführer in andere Teile der Russischen Föderation aus.

Die Annahme einer innerstaatlichen Schutz- oder Fluchtalternative erfordert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die im Falle eines Ortswechsels zu erwartende konkrete Lage des Beschwerdeführers (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2009, Zl. 2006/01/0793, sowie vom 17. März 2009, Zl. 2007/19/0459, jeweils mwN; zur Maßgeblichkeit auch für Entscheidungen über den Refoulementschutz vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 2006, Zl. 2006/20/0120, und vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0497).

Zudem legte die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid (auch) die Einschätzung des UNHCR zugrunde, Tschetschenen, die vor ihrem Asylantrag im Ausland ihren ständigen Wohnsitz in Tschetschenien gehabt hätten, seien "mangels einer echten inländischen Fluchtalternative innerhalb der Russischen Föderation" als Personen anzusehen, die (zumindest) Refoulementschutz benötigten. Entsprechenden Empfehlungen internationaler Organisationen kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung in dem Sinne zu, dass die Asylbehörde, wenn sie in ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat deren Einschätzung nicht folgt, beweiswürdigend darzulegen hat, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zlen. 2006/01/0930 und 0931, mwN).

Fallbezogen erforderte die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative somit ausdrückliche Feststellungen, inwiefern dem Beschwerdeführer eine Wohnsitznahme in anderen Teilen der Russischen Föderation - unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde selbst ausführlich dargestellten Situation ethnischer Tschetschenen (und entgegen der Einschätzung des UNHCR) - zumutbar wäre. Zu den für eine derartige Einschätzung maßgeblichen Umständen wird (etwa) in den zitierten Länderfeststellungen ausgeführt, dass die Lebensverhältnisse von in der tschetschenischen Diaspora "untergetauchten" Personen insbesondere davon abhängen, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen.

Die belangte Behörde stützte ihre Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer könne in anderen Teilen der Russischen Föderation Aufenthalt nehmen, demgegenüber ausschließlich darauf, dass ein solcher Aufenthalt der Ehefrau und der Tochter des Beschwerdeführers von 1999 bis 2005 im Verwaltungsbezirk Rostow sowie anderen Verwandten seit 1991 im Verwaltungsbezirk Pskow möglich (gewesen) sei, und dass in diesen Gebieten der Russischen Föderation jeweils zahlreiche Tschetschenen lebten.

Daraus konnte aber für sich genommen auf das Bestehen eines - nach dem Gesagten für die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative unter anderem maßgeblichen - ausreichenden familiären Netzes nicht fehlerfrei geschlossen werden, weil die Ehefrau und Tochter des Beschwerdeführers sich zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde ebenfalls bereits außerhalb der Russischen Föderation befanden - er in Rostow also über keine familiären Anknüpfungspunkte (mehr) verfügt - und zu weiteren, noch in der Russischen Föderation wohnhaften Verwandten des Beschwerdeführers nähere Feststellungen zur Gänze fehlen. Der Beschwerdeführer nahm auf diese im Asylverfahren nur insofern Bezug, als er vor dem Bundesasylamt angab, in Tschetschenien eine Zeit lang im Haus von Verwandten gelebt zu haben, die seit dem Jahr 1991 im Gebiet Pskow in Russland wohnten. Allein daraus kann nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser - nicht näher dargestellten - verwandtschaftlichen Beziehungen nunmehr im Verwaltungsbezirk Pskow über ein ausreichendes soziales Netz verfügt.

3. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit gemäß § 8 Abs. 1 AsylG das Refoulement des Beschwerdeführers hinsichtlich der Russischen Föderation für zulässig erklärt und - darauf aufbauend - der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin ausgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG bezieht - keine für die Entscheidung des Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im oben angeführten Umfang abzulehnen.

Wien, am 13. Dezember 2010

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