VwGH 2008/23/0413

VwGH2008/23/041319.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des S J, geboren 1991, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Jänner 2008, Zl. 316.700-1/3E-XVIII/60/08, betreffend §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

32003R0343 Dublin-II Art3 Abs2;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §5 Abs1;
AsylG 2005 §5 Abs3;
AsylG 2005 §5;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
EMRK Art3;
32003R0343 Dublin-II Art3 Abs2;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §5 Abs1;
AsylG 2005 §5 Abs3;
AsylG 2005 §5;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger (nach seinen Angaben kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Kirkuk), reiste am 24. September 2007 nach Österreich ein und beantragte am selben Tag internationalen Schutz. Er sei mit einem Schiff nach Griechenland eingereist; dort sei er sofort festgenommen und im Gefängnis geschlagen und schlecht behandelt worden. Er habe Asyl beantragt, dieser Antrag sei aber abgelehnt worden. Danach sei er - nach vier Monaten - aus dem Gefängnis freigelassen und aufgefordert worden, Griechenland binnen drei Monaten zu verlassen. Er habe in Griechenland ohne Unterstützung auf der Straße gelebt. Aus Angst vor Polizisten habe er sich verstecken müssen. In Griechenland habe er einen falschen Namen und ein unrichtiges Geburtsdatum angegeben. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei Offizier im irakischen Militär gewesen. Terroristen hätten seinen Vater aufgefordert, diese Arbeit zu beenden. Da sein Vater sich geweigert habe, sei er am 30. März 2007 von Terroristen ermordet worden. Was ihm bei Rückkehr in den Irak passieren würde, wisse er nicht; er könnte aber jederzeit - wie sein Vater - umgebracht werden.

Am 28. September 2007 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die griechischen Behörden. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2007 erklärte sich Griechenland mit der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Artikel 20 Abs. 1 lit. b iVm Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung einverstanden und verwies darauf, dass die Berufung des Beschwerdeführers gegen die abweisende (oder zurückweisende) Entscheidung der ersten Instanz abgewiesen (oder zurückgewiesen) worden sei ("More specifically, his appeal against the first instance rejective decision is rejected ...").

Mit Schriftsatz vom 13. November 2007 beantragte der Rechtsberater des Beschwerdeführers (unter Vorlage von Länderberichten), Informationsersuchen gemäß Art. 21 Dublin-Verordnung an Griechenland zum Asylverfahren des Beschwerdeführers in Griechenland zu richten; weiters wurde beantragt, eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend die Unterbringung von Asylwerbern in Griechenland zu stellen. In einer weiteren Eingabe brachte der Beschwerdeführer vor, er sei drei Monate lang im Gefängnis gewesen, dort habe er Asyl beantragt. Er sei nur 10 Minuten lang einvernommen worden. Er habe keinen Bescheid, sondern ein "Stück Papier" erhalten, wonach er innerhalb von drei Monaten Griechenland verlassen müsse. Er sei über einen Monat lang auf der Straße geblieben. Es gebe in Griechenland auch keine Rechtsberater. Von griechischen Polizisten sei er mehrmals geschlagen und beschimpft worden, deshalb wolle er auf keinen Fall nach Griechenland zurück. Er habe große Angst vor Griechenland und schlafe aus Angst vor der Zurückschiebung sehr wenig.

Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Griechenlands für die Prüfung des Antrages fest und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet dorthin aus. Es stellte fest, der Beschwerdeführer sei am 26. April 2007 in Lavrio (Griechenland) angehalten worden und habe am 2. Juni 2007 in Tayros (Griechenland) einen Asylantrag gestellt. Er leide weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit noch an einer psychischen Erkrankung, die eine Überstellung nach Griechenland unzulässig machen würde. Das Bundesasylamt traf sodann allgemeine Feststellungen zum Asylverfahren in Griechenland, zur Versorgung von Asylwerbern, zum Zugang zum Asylverfahren nach einer "Dublin Überstellung" sowie zum Schutz vor Refoulement. Den Anträgen des Rechtsberaters werde keine Folge geleistet, da diese lediglich eine Verfahrensverzögerung bewirken und den Gegenstand dieses Verfahrens nicht berühren würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie gehe - im Zweifel - von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers aus. Der Beschwerdeführer sei nach zweitinstanzlicher Abweisung seines Asylbegehrens durch die griechischen Behörden illegal nach Österreich eingereist, wo er einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Es seien keine maßgeblichen Gründe für die Annahme hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Durchsetzung der zurückweisenden Entscheidung des Bundesasylamtes und seiner Ausweisung nach Griechenland - eventuell im Weg einer ungeprüften Kettenabschiebung in den Herkunftsstaat - der realen Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung oder einer Verletzung seiner durch Art. 3 oder Art. 8 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre. Da der Beschwerdeführer unbegleiteter Minderjähriger - ohne Angehörige in Österreich - sei, sei Griechenland nach Art. 6 Dublin-Verordnung für die Prüfung des Asylantrages zuständig, da er dort bereits Asyl beantragt habe. Im Hinblick auf inkonsistente und vage Darstellungen zum Verfahrensgang (in Griechenland) habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können, dass sein Asylverfahren in Griechenland von gravierenden Verfahrensmängeln betroffen (gewesen) sei, die fehlenden Schutz vor Verfolgung auch bei begründetem Vorbringen zumindest als wahrscheinlich erscheinen ließen. Auch amtsseitig lägen keine aktuellen Informationen vor, dass es in Griechenland zu einer notorischen Missachtung verfahrensrechtlicher Grundsätze oder des Refoulement-Prinzips käme. Es sei nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Eine bloße Inhaftierung des Beschwerdeführers, auch wenn sie angesichts seines jungen Alters nicht wünschenswert sei, begründe per se noch keinen Sachverhalt, der die Schwelle des Art. 3 EMRK erreiche. Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend Beschimpfungen oder Schlägen während seiner Anhaltung in Griechenland sei unglaubwürdig. Die in der Berufungsergänzung behauptete Traumatisierung des Beschwerdeführers unterliege dem Neuerungsverbot; auch habe der Beschwerdeführer selbst über seine bloße Angst davor, eventuell nach Griechenland zurückkehren zu müssen, hinausgehend kein Vorbringen erstattet, das in die Richtung einer Traumatisierung gedeutet werden könnte.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

1. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist lediglich strittig, ob Österreich zum Selbsteintritt (Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung) verpflichtet ist.

2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist gemäß § 5 Abs. 3 AsylG 2005 davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Asylbehörden haben bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auf Bestimmungen der EMRK Bedacht zu nehmen. Insbesondere ergibt sich aus Art. 3 EMRK - unbeschadet internationaler Vereinbarungen oder gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis, auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung bei Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat Rücksicht zu nehmen. Maßgeblich für die Wahrnehmung des Eintrittsrechtes ist, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, der auf Grund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesene Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. Bei Vorliegen offenkundiger Gründe, die für die Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der Sicherheitsvermutung nicht erforderlich. Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, dass also gerade für ihn die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bei Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat besteht, vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zl. 2006/01/0949, mwN).

In Fällen, in denen das Schutzbegehren des Asylwerbers im zuständigen Mitgliedstaat bereits rechtskräftig negativ erledigt ist, ist eine Auseinandersetzung mit den im zuständigen Mitgliedstaat bereits getroffenen Entscheidungen erforderlich, wenn vom Asylwerber in Bezug auf deren Bedenklichkeit unter Gesichtspunkten der EMRK konkrete Anhaltspunkte vorgebracht und glaubhaft gemacht werden (vgl. - zum Asylgesetz 1997 - das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0095).

Der Asylantrag des Beschwerdeführers in Griechenland wurde - entsprechend den Feststellungen der belangten Behörde - zweitinstanzlich abgewiesen; dass insoweit ein weiteres Rechtsmittelverfahren anhängig wäre, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Demnach ist davon auszugehen, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers in Griechenland rechtskräftig erledigt ist; "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" des Asylverfahrens in Griechenland scheiden daher in diesem Fall von vornherein aus.

Zum Verfahren in Griechenland hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe in Griechenland im Gefängnis um Asyl angesucht, er sei nur 10 Minuten lang einvernommen worden und habe keinen Bescheid erhalten; er habe nur ein "Stück Papier" erhalten, wonach er Griechenland innerhalb von drei Monaten verlassen habe müssen. Der Vertreter des Beschwerdeführers hatte am 13. November 2007 auch eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt; darin wurde auch die Einholung von Informationen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers in Griechenland beantragt.

Soweit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 voraussetzt, dass der Asylwerber die besonderen Gründe glaubhaft macht, ist der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen haben, Rechnung zu tragen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 23. Jänner 2007). Der Beschwerdeführer hat konkretes Vorbringen zu seinem Asylverfahren in Griechenland erstattet und hiezu auch Beweisanträge gestellt. Die Verwaltungsbehörden erachteten das Vorbringen des Beschwerdeführers als "inkonsistent" und "vage".

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch anhand der Berichtslage zu prüfen. UNHCR führt in dem Bericht "Asylum in the European Union. A Study of the Implementation of the Qualification Directive" (November 2007) - der vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen ist (auf diesen Bericht wird im Übrigen auch in dem von der belangten Behörde verwerteten Schreiben des UNHCR Deutschland vom 10. Jänner 2008 verwiesen) - ua. (Seiten 31 ff) aus, die vom UNHCR überprüften 305 erstinstanzlichen Entscheidungen in Griechenland (alle seien negativ gewesen) hätten keinen Verweis auf den Sachverhalt und keine konkrete rechtliche Beurteilung beinhaltet. Die zweite Instanz entscheide nach einer Anhörung vor einem beratenden Asylkomitee (Mitglied dieses beratenden Gremiums sei unter anderem ein Mitarbeiter von UNHCR Griechenland). Die Entscheidung enthalte üblicherweise Sachverhaltsfeststellungen, die einen Umfang von nicht mehr als zwei Zeilen aufwiesen, sowie standardisierte Ausführungen, wonach keine Verfolgungsgefahr bestehe. Bei einer Überprüfung der erstinstanzlichen Akten sei festgestellt worden, dass 294 dieser (305) Akten keine Antworten der Asylwerber auf angeführte Fragen der Behörden beinhalteten. In den meisten der überprüften Akten hätte der vernehmende Beamte vermerkt, der Asylwerber habe aus wirtschaftlichen Gründen sein Herkunftsland verlassen.

Gemessen an diesem Bericht erscheint - entgegen der Beurteilung der belangten Behörde - das Vorbringen des Beschwerdeführers weder als inkonsistent noch als vage, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer - seinen insoweit nicht bezweifelten Aussagen zufolge - das Asylverfahren in Haft absolvierte: Wenn in erstinstanzlichen Akten des griechischen Asylverfahrens keine Antworten auf Fragen verzeichnet sind, erscheint es nicht unplausibel, dass auch der Beschwerdeführer zum erstinstanzlichen Asylverfahren wenig Konkretes angeben kann. Eine Befragung in Anwesenheit eines Mitarbeiters von UNHCR-Griechenland wurde vom Beschwerdeführer in seiner Berufungsergänzung geschildert (bei seiner Einvernahme sei ein Mann anwesend gewesen, der sich als "UN-Beamter" vorgestellt habe). Im Hinblick auf die im Bericht geschilderte Begründung der Entscheidungen in Griechenland erscheint es auch nicht unplausibel, dass der Beschwerdeführer diese Entscheidung lediglich im Sinne eines Landesverweises verstanden hat, wobei im Übrigen von den Verwaltungsbehörden auch nicht erhoben wurde, in welcher Sprache die Kommunikation mit dem Beschwerdeführer in Griechenland erfolgte.

Im Hinblick darauf, dass sohin ausreichend konkretes Vorbringen des Beschwerdeführers zum Verfahren in Griechenland vorlag und er überdies auch Beweisanträge gestellt hatte (vgl. zur Glaubhaftmachung auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3), wäre es den Verwaltungsbehörden oblegen, die beantragten Erhebungen zum Nachweis dieses konkreten Vorbringens durchzuführen.

3. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsbehörden Feststellungen lediglich zur Situation von Asylwerbern in Griechenland getroffen haben. Daraus kann aber nicht - unmittelbar - abgeleitet werden, mit welcher Situation der Beschwerdeführer, dessen Asylverfahren in Griechenland rechtskräftig beendet ist, bei Rückkehr nach Griechenland konfrontiert wäre. Zwar verwies die belangte Behörde darauf, dass laut Mitteilung des UNHCR (Jänner 2008) kein Fall bekannt sei, in der es zu einer Inhaftierung einer Person gekommen sei, die gemäß der Dublin-Verordnung nach Griechenland überstellt worden sei. Unklar erscheint aber, ob sich dies auch auf Personen bezieht, bei denen - wie im Fall des Beschwerdeführers - ein Asylverfahren bereits rechtskräftig beendet ist (vgl. hiezu etwa den in den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Bericht des European Council on Refugees and Exiles, "Report on the Application of the Dublin II Regulation in Europe" (März 2006), 53 ff (56), wonach Dublin-Rückkehrer, deren Asylantrag unterbrochen oder abgewiesen worden sei, angehalten werden könnten, um die Abschiebung zu ermöglichen). Sollte aber bei Rückkehr einer Person, deren Asylverfahren bereits beendet ist, ein reales Risiko einer (nicht bloß kurzfristigen) Inhaftierung bei Rückkehr nach Griechenland bestehen, wäre weiters eine Auseinandersetzung mit den Haftbedingungen in Griechenland erforderlich, um einen allfälligen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu prüfen (vgl. nunmehr Entscheidungen des EGMR vom 11. Juni 2009, S.D. gegen Griechenland, Nr. 53541/07, und vom 26. November 2009, Tabesh gegen Griechenland, Nr. 8256/07).

4. Schließlich ist zu bemängeln (die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beziehen), dass die belangte Behörde unter Zugrundelegung ihrer Feststellung, der Beschwerdeführer sei ein unbegleiteter Minderjähriger, nicht geprüft hat, ob dies unter Berücksichtigung der übrigen Umstände dieses Falles einen Selbsteintritt Österreichs erfordere.

5. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2010

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