VwGH 2008/22/0688

VwGH2008/22/06886.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 2008, Zl. 150.965/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. April 2008 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, vom 8. Oktober 2007 auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß den §§ 19 Abs. 1 und 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2004 mit einem französischen Visum in Österreich eingereist sei und am 14. August 2007 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien habe mit Bescheid vom 13. Februar 2008 die gegen den Beschwerdeführer verfügte Ausweisung bestätigt. Dieser Bescheid sei rechtskräftig und durchsetzbar.

Der Beschwerdeführer habe den Antrag im Inland gestellt, obwohl gemäß § 21 Abs. 1 NAG Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen seien. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer entgegen der Bestimmung des § 19 Abs. 1 NAG seinen Antrag durch seine rechtsfreundliche Vertretung und nicht persönlich bei der Behörde gestellt.

§ 21 Abs. 1 NAG stehe einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Da die Beweggründe zur Normierung des § 21 Abs. 1 NAG keinen anderen Hintergrund hätten als die, die zur Erlassung des § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz sowie des § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 geführt hätten, könne davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich sei. Ein im Inland gestellter Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung könne aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen von Amts wegen zugelassen werden. Diese Zulassung sei jedoch nicht zwingend zu verstehen, sondern basiere auf dem Ergebnis des Ermittlungs- und Überprüfungsverfahrens der Behörde. Der Antrag des Beschwerdeführers sowie sein Berufungsschreiben würden keine Behauptung humanitärer Gründe enthalten. Humanitäre Gründe hätten trotz diesbezüglicher Prüfung seitens der belangten Behörde nicht festgestellt werden können. Auch die Ehe mit einer Österreicherin stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar. Eine Inlandsantragstellung werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer erfülle nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen und könne daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 19. Juni 2008, B 1020/08-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch anschließend im Inland aufgehalten hat. Somit hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass die Erteilungsvoraussetzung der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG nicht gegeben sei. Unbestritten liegt ein (Ausnahme-)Fall des § 21 Abs. 2 NAG nicht vor.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

Hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ist vorerst darauf hinzuweisen, dass der Ansicht der belangten Behörde, die Ehe mit einer Österreicherin stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar, nicht gefolgt werden kann. Im Gegenteil ist der familiären Bindung an einen österreichischen Ehepartner grundsätzlich großes Gewicht beizumessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2008/22/0287).

Es kann entgegen der Bescheidbegründung auch keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer keine humanitären Gründe im Verwaltungsverfahren geltend gemacht habe. So hat er in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid auf die Ehe mit einer Österreicherin verwiesen. Weiters ging die belangte Behörde selbst davon aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2004 in Österreich aufhalte. Auch dieser bereits längere Inlandsaufenthalt ist somit zu berücksichtigen.

Auch wenn durch Teile der Bescheidbegründung der gegenteilige Eindruck entstehen könnte, ist der belangten Behörde zuzubilligen, dass sie - rudimentär - eine Interessenabwägung vorgenommen hat. Sie verwies nämlich in der Bescheidbegründung auf eine "diesbezügliche Prüfung" und stellte sowohl den längeren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland sowie seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin fest. In diesem Sinn hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2009/22/0022, ausgesprochen, der Bescheidbegründung, "ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei entbehrlich", komme in solchen Fällen (wenn ansonsten eine Interessenabwägung erkennbar ist) kein eigenständiger Begründungswert zu.

Der Beschwerdeführer unterstellt in diesem Zusammenhang der belangten Behörde, dass deren Ansicht nach "allein die Tatsache seiner Eheschließung mit einer Österreicherin für sich bereits eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit begründet und darstellt". Eine solche Annahme ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde hat die Ehe nicht als Verstärkung der Gründe für die Versagung des Aufenthaltstitels gewertet.

Der Beschwerdevorwurf, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides entstehe der Eindruck, dass für eine Österreicherin und einen Staatsangehörigen von Ägypten ein "absolutes Eheverbot" bestehe, findet in der Bescheidbegründung keine Deckung.

Die belangte Behörde verwies im Ergebnis zutreffend darauf, dass sich der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe und dadurch die öffentliche Ordnung gefährdet sei. Der belangten Behörde ist nämlich darin Recht zu geben, dass der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus dem Gedanken des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Da sich der Beschwerdeführer zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst ca. vier Jahre im Inland aufgehalten hat und erst seit weniger als einem Jahr die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin bestand, kommt dem aus dem inländischen Aufenthalt und dem Familienleben mit einer österreichischen Ehefrau abzuleitenden persönlichen Interesse des Beschwerdeführers nicht ein solches Gewicht zu, dass die Verweigerung des Aufenthaltstitels einen unzulässigen Eingriff in dessen Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK darstellen würde. Somit durfte die belangte Behörde gestützt auf § 21 Abs. 1 NAG den Antrag abweisen. Dass sie die von ihr festgestellte rechtskräftige Ausweisung nicht weiter berücksichtigt hat, begründet keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Zur Vollständigkeit sei angemerkt, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag trotz Nennung des § 19 Abs. 1 NAG im Spruch des Bescheides nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat. Da sie dies unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 NAG auch durfte, können Ausführungen zu § 19 Abs. 1 NAG dahinstehen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 6. Juli 2010

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