VwGH 2008/22/0670

VwGH2008/22/067011.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des F, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. April 2008, Zl. 317.859/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den - als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gewerteten - Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 5. Dezember 2003 gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 "iVm" § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer erstmals am 30. Juni 2002 eingereist sei und am 1. Juli 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei in zweiter Instanz mit Bescheid vom 27. Mai 2003 abgewiesen worden. Am 7. Oktober 2003 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und daraufhin einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gestellt. Ihm sei ein Visum mit einer Gültigkeitsdauer vom 11. Dezember 2003 bis 10. Juni 2004 von der Österreichischen Botschaft Skopje ausgestellt worden, mit dem er "offensichtlich" wieder in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Es sei aktenkundig, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers aus Angst um ihr Leben die Scheidung noch nicht eingereicht habe. Recherchen der belangten Behörde hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer wegen Nötigung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten (rechtskräftig mit 18. Jänner 2007) verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehefrau seit der Eheschließung keinen gemeinsamen Wohnsitz "bzw. auch kein Familienleben". Das gegen ihn mit Bescheid vom 16. Juni 2004 erlassene Aufenthaltsverbot sei von der Berufungsbehörde mit Ersatzbescheid (nach Aufhebung des Bescheides im ersten Rechtsgang durch den Verwaltungsgerichtshof) behoben worden.

Der Antrag des Beschwerdeführers sei nach Inkrafttreten des NAG als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es sei die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Dem gegenüber sei der Beschwerdeführer nach Ablauf seines Visums in Österreich geblieben. § 21 Abs. 1 NAG stehe somit einer Bewilligung des gegenständlichen Antrags entgegen. Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden. Der Antrag des Beschwerdeführers und seine Berufung würden keine Behauptung humanitärer Gründe enthalten. Es sei von Amts wegen eine Überprüfung im Sinn des § 72 NAG durchgeführt worden. Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, stelle keinen humanitären Grund dar. Im vorliegenden Fall sei daher festgestellt worden, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.

Letztlich sei ein Freizügigkeitssachverhalt im Sinn der §§ 51 ff NAG nicht erkennbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht das NAG (idF BGBl. I Nr. 99/2006) auf den gegenständlichen Fall angewendet hat, auch wenn der Antrag vor Inkrafttreten des NAG (mit 1. Jänner 2006) gestellt wurde. Entgegen der Beschwerdeansicht ist nämlich dem NAG weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte die Bestimmungen des mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 anzuwenden wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0257, mwN). Weiters ist der angefochtene Bescheid auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Behörde "4 Jahre für die Entscheidungsfindung benötigt hat" und somit - wie vorhin ausgeführt - die Rechtslage des NAG maßgeblich wurde.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass sich der Beschwerdeführer jedenfalls seit Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Visums in Österreich befindet und entgegen § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über seinen Antrag nicht im Ausland abgewartet hat. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes zog die belangte Behörde diese Bestimmung zu Recht zur Abweisung des gegenständlichen Antrages heran. Daran ändert der vorgebrachte Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer "auf Grund der damalig (nach dem Fremdengesetz 1997) herrschenden Gesetzeslage rechtmäßig gehandelt" habe. Maßgeblich ist, dass er nach Inkrafttreten des NAG nicht ausgereist ist und die Entscheidung über seinen Antrag nicht im Ausland abgewartet hat.

Die Inlandsantragstellung und der Verbleib im Inland sind gemäß § 74 NAG dann zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG vorliegen. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

Das Ergebnis dieser Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist nicht als rechtswidrig zu beurteilen. Der Beschwerdeführer tritt nämlich der behördlichen Feststellung nicht entgegen, dass ein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau nicht bestehe und ein Familienleben nicht stattfinde. Dazu kommt, dass die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, zu dem der Asylantrag bereits rechtskräftig abgewiesen worden war und der Beschwerdeführer trotzdem nicht aus Österreich ausgereist ist. Auch wenn der Beschwerdeführer in Österreich berufstätig ist, weisen seine Bindungen im Bundesgebiet keinesfalls eine solche Intensität auf, dass der Eingriff in sein Privat- und Familienleben unverhältnismäßig wäre.

Soweit in der Beschwerde die Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde gerügt wird, wird die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, welches Vorbringen zu erstatten ihm verwehrt worden wäre.

Letztlich tritt der Beschwerdeführer der Ansicht der belangten Behörde

nicht entgegen, dass ein Freizügigkeitssachverhalt im Sinn der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG (bzw. im Sinn der §§ 51 ff NAG) nicht verwirklicht worden sei.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Mai 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte