VwGH 2008/22/0427

VwGH2008/22/042718.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Mag. Dr. Peter Sommerer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Nottendorfer Gasse 11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. Oktober 2006, Zl. 147.046/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL;
62008CJ0127 Metock VORAB;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §57;
NAG 2005;
VwRallg;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62008CJ0127 Metock VORAB;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §57;
NAG 2005;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 wies der Landeshauptmann von Wien einen vom Beschwerdeführer, einem armenischen Staatsangehörigen, am 21. Oktober 2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Jänner 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe, der mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. November 2004 abgewiesen worden sei. Einer gegen diese Entscheidung eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei aufschiebende Wirkung zuerkannt worden "und wurde Ihnen folglich wieder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erteilt (Gültigkeit der Karte vom 10.5.2005 bis 10.8.2011), welche bis zum rechtskräftigen Abschluss Ihres Asylverfahrens gilt".

Da der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen "des Asylgesetzes" (wenn auch nur vorläufig) zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, sei das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene NAG, nach dem sich die Beurteilung zu richten habe, auf ihn nicht anwendbar. Die Behörde erster Instanz habe daher zutreffend den vorliegenden Antrag vom 21. Oktober 2005 zurückgewiesen.

Zu dem Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer die Anwendbarkeit des § 57 NAG auch für sich als Asylwerber reklamiere und auf eine Ableitung seines Aufenthaltsrechts unmittelbar vom Gemeinschaftsrecht der EU abstelle, führte die belangte Behörde aus, dies könne - selbst wenn er kein Asylwerber wäre - nicht zum gewünschten Erfolg führen, weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle und daher auch kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen könne. Ein nur generelles Vorbringen in Zusammenhang mit der Freizügigkeitsrichtlinie könne nicht zielführend sein. Aus dem gesamten Akteninhalt sei nicht ersichtlich, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte.

Der Vollständigkeit halber werde - so die belangte Behörde - darauf hingewiesen, dass gegen den Beschwerdeführer überdies ein Aufenthaltsverbot (gültig bis 23. Februar 2007) erlassen worden sei und dadurch ein absoluter Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG vorliege.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2007, B 1791/06, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG in der Stammfassung gilt dieses Bundesgesetz nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt.

Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes zur Richtlinie 2004/38/EG ein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers ableiten will und dazu etwa ausführt, "jeglicher Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ist bei gemeinschaftskonformer Auslegung als Inanspruchnahme der Freizügigkeit zu werten, daher hat die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit zweifellos in Anspruch genommen, d.h. sie ist freizügigkeitsberechtigt", ist ihr entgegenzuhalten, dass während des Verwaltungsverfahrens kein Sachverhalt vorgebracht wurde, der über die Grenzen Österreichs hinausweist. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sind die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und die zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Maßnahmen nicht auf Tätigkeiten anwendbar, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2008 in der Rs C-127/08 , Metock, Rz 77, mwN). Die belangte Behörde hat somit zu Recht das Vorbringen in der Berufung, wonach die Ehefrau des Beschwerdeführers als österreichische Staatsbürgerin und Unionsbürgerin, die sich in Österreich als Teil der Union niedergelassen habe, dadurch ihre Freizügigkeit in Anspruch genommen habe, nicht als Inanspruchnahme des Rechtes auf ihre (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit beurteilt.

Hinsichtlich der Beschwerdeausführungen über die "Schlechterstellung von Angehörigen von Österreichern im Vergleich zu Angehörigen von EWR-Bürgern", die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, ist die Beschwerde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., zu verweisen, wonach sich § 57 NAG nicht als verfassungswidrig darstellt.

Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. März 2007, B 1019/06, verfassungsrechtliche Bedenken zu § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG bereits verneint.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der gegen die abweisende Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei und der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Angesichts dieser vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 gilt das NAG gemäß dessen § 1 Abs. 2 Z. 1 - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2008/22/0342, mwN).

Mangels Geltung des NAG gehen die Ausführungen der Beschwerde zu dessen Bestimmungen, insbesondere zu § 72 NAG und zu in diesem Zusammenhang der belangten Behörde angelasteten Verfahrensmängeln, ins Leere.

Nach dem Gesagten ist die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass für den Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach dem NAG nicht in Betracht kommt, solange er über eine asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. März 2010

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