Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL;
ASVG §252;
ASVG §293;
EO §291a;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §57;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
ASVG §252;
ASVG §293;
EO §291a;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §57;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines kroatischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß §§ 11 Abs. 2 Z 4, 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der (volljährige) Beschwerdeführer strebe die Familienzusammenführung mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Stiefmutter nach § 47 Abs. 3 NAG an. Diese beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.509,--. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage EUR 1.122,60. Davon wären "unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station", den die belangte Behörde mit EUR 235,15 annahm, die Mietkosten im Ausmaß von EUR 304,85 abzuziehen. Sohin verblieben der Stiefmutter des Beschwerdeführers monatlich EUR 316,70, die sie für Unterhaltsleistungen aufwenden könnte. Die für den Beschwerdeführer aufzubringenden Unterhaltsmittel würden allerdings EUR 726,-- monatlich betragen. Dafür reichten die finanziellen Mittel der Stiefmutter des Beschwerdeführers aber nicht aus.
Im Hinblick auf das Einkommen der Stiefmutter des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel für dessen Niederlassung in Österreich nicht gedeckt seien. Daher sei es wahrscheinlich, dass sein Aufenthalt in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde.
Das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers könne nicht berücksichtigt werden, weil jener Zusammenführende, von welchem der beantragte Aufenthaltstitel abgeleitet werde, in der Lage sein müsse, der in der Haftungserklärung abgegebenen Verpflichtung nachkommen zu können.
Darüber hinaus führte die belangte Behörde noch aus, der Beschwerdeführer habe "keine weiteren tauglichen Nachweise" beigebracht, die fortlaufende Unterhaltszahlungen durch die Zusammenführende an ihn im Herkunftsstaat oder ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft im Heimatland belegt hätten. Auch seien keine schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe für die Notwendigkeit persönlicher Pflege durch die Zusammenführende vorgebracht worden.
Zur Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG werde - so die belangte Behörde weiter - festgestellt, dass durch den Aufenthalt der Eltern des Beschwerdeführers im Bundesgebiet familiäre Bindungen bestünden. Angesichts seiner Volljährigkeit seien diese Bindungen aber nicht vom engen Begriff der "Kernfamilie" umfasst. Da die Sicherung des Lebensunterhaltes im NAG eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstelle, sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ausgeschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.
§ 11 Abs. 2 Z 4, Abs. 3 und Abs. 5 sowie § 47 Abs. 1 und Abs. 3 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung, jeweils samt Überschrift) lauten:
"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. ...
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
...
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
...
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist.
...
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
...
Familienangehörige und andere Angehörige
von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' und 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger'
§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.
...
(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;
2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften
Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich
Unterhalt geleistet wird; oder
3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,
a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat
Unterhalt bezogen haben;
b) die mit dem Zusammenführenden bereits im
Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und
Unterhalt bezogen haben oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die
persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.
Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende
jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.
..."
Soweit der Beschwerdeführer eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung der drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern, die das ihnen gemeinschaftsrechtlich zustehende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, gegenüber jenen, bei denen dies nicht der Fall ist, ins Treffen führt, ist er auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 ua, hinzuweisen, wonach die insoweit relevante Bestimmung des § 57 NAG nicht mit Verfassungswidrigkeit behaftet ist.
Die belangte Behörde hat somit - unter Berücksichtigung des Begehrens und des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufenthaltszwecks - zutreffend geprüft, ob die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG, sohin auch jene des im ersten Teil des NAG enthaltenen § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" vorliegen.
Die Beschwerde wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel und verweist auch auf das - zusätzlich zum Einkommen seiner Stiefmutter vorhandene - Einkommen des leiblichen, im gemeinsamen Haushalt mit seiner Stiefmutter lebenden Vaters des Beschwerdeführers. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
Zunächst ist hinsichtlich der Höhe der für den Unterhalt des Beschwerdeführers aufzubringenden Unterhaltsmittel gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 18. März 2010, 2008/22/0632, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden dem den Nachzug anstrebenden Drittstaatsangehörigen Unterhaltsmittel im Ausmaß des einfachen Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG zur Verfügung stehen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0637, mit näherer Begründung - auf die ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - und unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711, aber auch ausgeführt, dass die sich aus dem zuletzt genannten Erkenntnis ergebenden Grundsätze auch für die Frage der Existenzsicherung desjenigen, der eine Haftungserklärung im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG abgegeben hat, gelten. Die Existenz des Zusammenführenden ist in einer Konstellation wie der vorliegenden auch dann gesichert, wenn ihm gemeinsam mit seinem Ehepartner der Haushaltsrichtsatz zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden verwendet wird. Diesfalls kann dann auch von einer tragfähigen Haftungserklärung ausgegangen werden, kann doch der Unterhalt sowohl des Nachziehenden als auch des Zusammenführenden ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen bestritten werden (vgl. Pkt. 6.3. des bereits genannten Erkenntnisses 2008/22/0637). Dass diesbezüglich zwischen den - laut Aktenlage die Familienzusammenführung befürwortenden - Ehepartnern (Stiefmutter und Vater des Beschwerdeführers) kein Konsens bestünde, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711 (Pkt. 5.4.), mit näherer Begründung (auf diese wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen) - für die hier maßgebliche Rechtslage - festgehalten, dass bei der nach § 11 Abs. 5 NAG vorzunehmenden Berechnung weder ein "Wert der freien Station" zu berücksichtigen ist, noch eine Grundlage dafür im Gesetz vorhanden ist, zusätzlich zu den in § 293 ASVG vorgesehenen Richtsätzen einen Steigerungsbetrag im Ausmaß der Mietkosten hinzuzurechnen.
Wegen Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und infolgedessen das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers bei der Errechnung des hier für die Unterhaltsleistung in Betracht kommenden Haushaltseinkommens weder festgestellt noch berücksichtigt.
Die belangte Behörde führt aber auch noch aus, der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, dass die weiteren in § 47 Abs. 3 Z 3 NAG angeführten (besonderen) Erteilungsvoraussetzungen erfüllt seien. Diese Ansicht stellt sich als nicht nachvollziehbar dar. Die Stiefmutter des Beschwerdeführers sagte nämlich am 19. Juni 2006 bei ihrer Vernehmung als Zeugin vor der erstinstanzlichen Behörde aus, sie habe an den Beschwerdeführer schon während dessen Aufenthalt im Herkunftsland Unterhalt geleistet. Sie habe allerdings keine Bankbelege. Das Geld sei dem Beschwerdeführer entweder mit der Post übersendet oder Kollegen, die nach Kroatien gefahren seien, mitgegeben worden. Auch habe sie ihm im Zuge eigener Aufenthalte in Kroatien persönlich Geld übergeben. Während die erstinstanzliche Behörde die Richtigkeit dieser Angaben nicht in Zweifel zog (der erstinstanzliche Bescheid wurde ausschließlich auf das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel gegründet) und sohin für den Beschwerdeführer im Rahmen des weiteren Verfahrens (insbesondere auch in der Berufung) kein Anlass bestand, auf die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG noch einmal näher einzugehen, ging die belangte Behörde - ohne dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör zu gewähren, weshalb sie ihm die Möglichkeit nahm, ihre diesbezüglichen Sachverhaltsannahmen zu widerlegen (vgl. zum auch im Verwaltungsverfahren anerkannten "Überraschungsverbot" wiederum das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711) - davon aus, dass die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 (Z 3) NAG nicht erfüllt wären. In diesem Zusammenhang wurde von der belangten Behörde aber auch in keiner Weise dargelegt, weshalb die - oben angeführten - Angaben der Stiefmutter des Beschwerdeführers unrichtig wären. Sie hat daher ihren Bescheid auch - hinsichtlich der Annahme des Fehlens von in § 47 Abs. 3 NAG enthaltenen besonderen Erteilungsvoraussetzungen - mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 15. April 2010
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