VwGH 2008/21/0562

VwGH2008/21/056223.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 32/2/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 2008, Zl. 151.324/2-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am 14. August 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. August 2001 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit im Instanzenzug ergangenem, am 13. August 2002 verkündeten (erst am 6. März 2007 ausgefertigten) Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates - samt feststellendem Ausspruch nach § 8 Asylgesetz 1997 - rechtskräftig abgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Beschluss vom 30. Mai 2007, Zl. 2007/19/0277, abgelehnt.

Am 20. Juni 2005 hatte der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin S. geheiratet. Mit am 25. Juli 2005 bei der Erstbehörde eingelangter Eingabe vom 21. Juli 2005 beantragte er - hierauf gestützt - die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung/eines Niederlassungsnachweises" betreffend "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. April 2008 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte sie nach zusammenfassender Darstellung des Verfahrens aus, der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, mit der Österreicherin S. nicht nur von Anfang an die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigt, sondern auch ab Antragstellung und danach in aufrechter Ehe zusammengelebt zu haben. Die Ehe sei "zerstritten", jedoch aufrecht.

Gemäß § 82 Abs. 1 NAG sei dieses Gesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten. Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltstiteln, die bei seinem Inkrafttreten anhängig seien, seien gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen, weil er keine für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 2 NAG erfülle.

Gemäß § 74 NAG könne die Behörde einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen (§ 72 NAG) von Amts wegen zulassen. Im Antrag sowie im Berufungsschreiben seien jedoch keine derartigen (besonders berücksichtigungswürdigen) Gründe angegeben worden. Auch die belangte Behörde könne keine humanitären Gründe iSd § 72 NAG erkennen. Einen solchen Grund stelle auch die aufrechte Ehe mit S. nicht dar, zumal der Beschwerdeführer am 18. Juli 2007 niederschriftlich mitgeteilt habe, dass er mit seiner Freundin, einer indischen Staatsangehörigen, die er seit 3 Jahren kenne, seit 5. Juni 2007 an ihrer Adresse Unterkunft genommen habe. Schließlich erfülle der Beschwerdeführer auch nicht die Voraussetzungen, um aus der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG Rechte ableiten zu können, habe er doch nicht dargetan, dass seine österreichische Ehefrau S. ihr Recht auf (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2008, B 1321/08-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist anzumerken, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG idF des BGBl. I Nr. 2/2008 richtet.

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt in der Behauptung, es sei unzulässig, Formvorschriften wie § 21 Abs. 1 NAG auf Anträge wie den vorliegenden anzuwenden, die vor Inkrafttreten des NAG (1. Jänner 2006) gestellt worden seien.

Dem ist zu entgegnen, dass das NAG (in verfassungskonformer Weise) kein Rückwirkungsverbot in dem Sinn enthält, dass Sachverhalte, die sich vor dem 1. Jänner 2006 ereignet haben, in die Beurteilung von Tatbeständen des NAG nicht einbezogen werden dürften. Der von der Beschwerde angestrebten Anwendung von Bestimmungen des FrG steht im Übrigen deren Außerkrafttreten mit Ablauf des 31. Dezember 2005 (Art. 5 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100), also vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, entgegen. Die Auslegung der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 NAG iSd Überlegungen der belangten Behörde, die auch - im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - nicht dazu geführt haben, der Antrag würde als "hinfällig" gewertet, stehen somit im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Mai 2010, Zl. 2008/22/0285 und Zl. 2008/22/0657, jeweils mwN).

Weiters stellt das - entgegen der Ansicht der belangten Behörde für Ehegatten von Österreichern allerdings erst seit 1. Jänner 2006 in Kraft stehende - Gebot der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG keine bloße Formvorschrift, sondern eine materielle Voraussetzung für die Bewilligung des begehrten Aufenthaltstitels dar. Hieraus folgt (mit Inkrafttreten des NAG) die Verpflichtung, eine Entscheidung über den Antrag (so kein anderer Rechtsgrund für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland besteht) im Ausland abzuwarten. Auch der Umstand, dass (bereits) die erstinstanzliche Behörde erst nach Inkrafttreten des NAG über den einleitend dargestellten Antrag entschieden hat, macht den vorliegenden Bescheid nicht rechtswidrig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, Zl. 2008/22/0419, mwN).

Humanitäre Gründe iSd § 72 Abs. 1 NAG, bei deren Vorliegen die Inlandsantragstellung zuzulassen gewesen wäre (§ 74 NAG), werden in der Beschwerde nicht releviert. Die aufrechte Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin S. reicht - vor allem unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer selbst eingeräumten jahrelangen Trennung - nicht aus, um einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall darzutun (vgl. neuerlich das zitierte hg. Erkenntnis vom 15. April 2010).

Die belangte Behörde ging daher zutreffend davon aus, dass einer Bewilligung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages § 21 Abs. 1 NAG entgegensteht. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Umfang des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. September 2010

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