VwGH 2008/18/0487

VwGH2008/18/048730.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der Q S in Wien, geboren am 14. November 1983, vertreten durch Dr. Gerald Otto, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Jänner 2008, Zl. E1/416.185/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Jänner 2008 wurde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 4. Mai 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am darauf folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer an den Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei von diesem (am 10. Mai 2005) abgelehnt worden.

Am 21. November 2005 habe die Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht. Am 6. September 2007 habe sie einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gestellt. Die Beschwerdeführerin verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. September 2003 sei über die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung des § 6 Abs. 1 iVm § 8 (richtig: § 8a) Abs. 1 Z. 2 Wiener Prostitutionsgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 218,-- verhängt worden, weil die Beschwerdeführerin am 29. September 2003 um 23 Uhr in Wien zwei Männer angesprochen und ihnen Sex gegen Bezahlung angeboten habe sowie diese zu geschlechtlichen Handlungen verleiten habe wollen, wobei es bereits zu einer Geldübergabe gekommen sei.

Solcherart seien die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Es sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Weiterverbleib im Bundesgebiet im Anschluss an die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz jedoch gravierend. Unter den gegebenen Umständen sei die Beschwerdeführerin auch trotz des Umstandes, dass sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, nicht in der Lage, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 FPG.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, wonach der Asylantrag der Beschwerdeführerin rechtskräftig abgewiesen und die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof abgelehnt wurde sowie die Beschwerdeführerin über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesland verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Sofern die Beschwerde zu der mit Strafverfügung vom 30. September 2003 wegen Übertretung des Wiener Prostitutionsgesetzes verhängten Geldstrafe vorbringt, der dieser zu Grunde liegende Sachverhalt sei widersprüchlich und der Vorfall erfülle auch nicht den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z. 3 FPG und sei daher für die Erlassung einer Ausweisung nicht ausreichend, ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung ausschließlich auf den Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG - der unbestritten blieb - gestützt hat. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen gehen somit ins Leere.

2. Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin sei seit 2005 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, lebe mit diesem im gemeinsamen Haushalt und sei mit ihm sozialversichert. Die belangte Behörde habe den Aspekt des aufrechten Familienlebens völlig vernachlässigt, diesbezüglich kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und daher keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen können. Auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin sei nicht Bezug genommen worden, und es sei auch keine Einzelfallprüfung vorgenommen worden. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin könne keinesfalls ein Nachzug nach Nigeria zugemutet werden. Die Eltern der Beschwerdeführerin seien bereits verstorben, in Nigeria habe sie auch keine Unterkunft.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Zu Recht hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zuerst nur auf Grund eines Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt und zumindest seit Ablehnung der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde vom 10. Mai 2005 unrechtmäßig war. Die aus dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind daher an Gewicht zu relativieren. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Eheschließung mit dem österreichischen Staatsbürger, die nach Ablehnung der Behandlung der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde erfolgt ist, musste der Beschwerdeführerin von Anfang an ihr unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2009/18/0429, mwN). Weitere integrationsbegründende Aspekte wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Wenn die Beschwerde diesbezüglich rügt, die belangte Behörde habe es verabsäumt, die konkrete Situation der Beschwerdeführerin zu erheben und zu beurteilen, so zeigt sie mit diesem Vorbringen bereits deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, auf Grund welcher zusätzlichen Ermittlungen welche konkreten Feststellungen im Einzelnen noch hätten getroffen werden müssen. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde somit nicht dargetan.

Den somit relativierten persönlichen und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich zumindest seit Mai 2005 unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Angesichts dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG zulässig sei, keinem Einwand. Entgegen der Beschwerdemeinung liegt - wie sich schon aus den obigen Ausführungen ergibt - auch kein Begründungsmangel vor.

Entgegen der Beschwerdeansicht erscheint die Ausweisung der Beschwerdeführerin auch nach den vom EGMR in dessen Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK aufgestellten Kriterien nicht als unzulässig. Der EGMR hat wiederholt ausgeführt (vgl. dazu etwa das Urteil vom 31. Jänner 2006, Nr. 50.435/99, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, sowie die Entscheidung vom 11. April 2006, Nr. 61.292/00, Useinov gegen die Niederlande), dass Art. 8 EMRK keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten enthalte, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. Dabei stellte der Gerichtshof (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte (vgl. zu dem Ganzen das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2008/18/0037, mwN). Das in der Beschwerde angeführte Urteil des EGMR vom 25. Juli 2002, Marckx gegen Belgien, (gemeint wohl: vom 13. Juni 1979) vermag die Interessen der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht zu stärken. Diesem Urteil lag nämlich ein Sachverhalt (betreffend die erbrechtliche Position eines nichtehelichen Kindes) zu Grunde, der mit dem gegenständlichen nicht vergleichbar ist.

3. Letztlich sind auch keine Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von ihrem Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. April 2010

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