Normen
BAO §308 Abs1;
BAO §308 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt setzte mit an die Beschwerdeführerin gerichtetem Bescheid vom 17. November 2006 Erbschaftssteuer fest.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2006 begehrte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diesen Erbschaftssteuerbescheid, welcher ihrem Vertreter am 21. November 2006 zugestellt worden sei. Am 21. Dezember 2006 habe Rechtsanwalt Dr. L., der zuständige "Partner" in der die Beschwerdeführerin vertretenden Rechtsanwälte GmbH, den unterfertigten Berufungsschriftsatz J.T., der Leiterin seines Sekretariats, zur Abfertigung per Post übergeben. Aus einem heute nicht aufklärbaren Versehen habe es J.T. unterlassen, die Eingabe tatsächlich zur Post zu geben. J.T. sei seit über 20 Jahren Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei und habe zuletzt vor Dienstantritt bei der Vertreterin der Beschwerdeführerin in der vorangegangenen Kanzlei 15 Jahre lang die Kanzleileitung mit sämtlichen damit verbundenen Agenden wie Terminverwaltung, Fristenevidenz usw. wahrgenommen. Auch nach Beginn des Dienstverhältnisses bei der Vertreterin der Beschwerdeführerin habe sich Dr. L. durch entsprechende Kontrollen davon überzeugt, dass J.T. über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und insbesondere Verlässlichkeit verfüge, um Fristen einzuhalten. Ein derartiges Fristversäumnis sei J.T. in ihrer gesamten Tätigkeit noch nicht vorgekommen. Sie könne es sich selbst nicht erklären, wie ihr dieser Fehler habe unterlaufen können.
Dem Antrag war eine eidesstättige Erklärung der J.T. vom 22. Dezember 2006 angeschlossen, in welcher diese ausführt, sie sei seit 1980 in Anwaltskanzleien tätig und zuletzt in der Zeit von 1990 bis 2005 Kanzleileiterin in der Kanzlei Dris. B. Als Kanzleileiterin sei sie insbesondere mit der Wahrnehmung von Fristen und Abfertigung von Poststücken beauftragt gewesen. Nachdem Dr. B. emeritiert sei, habe sie ab 1. Mai 2006 die Leitung des Sekretariats des Rechtsanwaltes Dr. L. in der Kanzlei der Vertreterin der Beschwerdeführerin übernommen. Dr. L. habe sie wiederholt hinsichtlich der Ausführung der ihr von ihm erteilten Aufträge, insbesondere in Fristensachen kontrolliert und habe nie Anlass zu Beanstandungen gehabt. Aus ihr heute nicht mehr erklärlichen Gründen sei ihr gestern, am 21. Dezember 2006, folgendes Versehen unterlaufen:
Obwohl sie selbst aus Anlass des Einlanges des Bescheides für die Beschwerdeführerin am 21. November 2006 in ihren Kalender die Frist für die Berufung mit 21. Dezember 2006 eingetragen habe und ihr die Frist daher bekannt gewesen sei, sei Folgendes passiert:
Dr. L. habe ihr gestern die an die Mandantin bereits mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 im Entwurf übermittelte Berufung nach deren Freigabe unterfertigt mit dem Auftrag zur Postaufgabe übergeben. Aus ihr heute nicht mehr erklärlichen Grund habe sie aber die Postaufgabe unterlassen und erst heute über Rückfrage Dris. L. diesen Fehler bemerkt.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 wies das Finanzamt den Wiedereinsetzungsantrag ab. Der Parteienvertreter müsse die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die Wahrnehmung von Fristen gewährleistet sei. Dabei sei durch entsprechende Kontrollen dafür zu sorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin und schilderte in der Berufung die in der Kanzlei ihrer Vertreterin bestehende Organisation der Fristenvormerkung, welche u.a. einen eine Woche vor Fristablauf dem jeweiligen Rechtsanwalt vorzulegenden gelben "Fristenstreifen" und einen am Tag vor Fristablauf dem jeweiligen Rechtsanwalt vorzulegenden roten "Fristenstreifen" vorsehe. Sodann wird in der Berufung der konkrete Ablauf im Beschwerdefall geschildert:
Der zu bekämpfende Bescheid sei am 21. November 2006 zugestellt worden. Dr. L. habe daraufhin in der Besprechung der Eingangspost J.T. beauftragt, die Berufungsfrist mit 21. Dezember 2006 zu kalendieren. Dementsprechend habe J.T. noch am 21. November 2006 einerseits im handschriftlich geführten Kanzleikalender, andererseits im "Advokatsystem" das Ende der Berufungsfrist 21. Dezember 2006 mit den Vermerk "Berufung gegen Erbschaftssteuerbescheide P. (4x)" unter Hinzufügung des Aktenzeichens eingetragen und im händisch geführten Kanzleikalender als Hinweis auf den verantwortlichen Rechtsanwalt so wie generell üblich das Kürzel für Dr. L. vermerkt. Auf dem Bescheid selbst habe sie handschriftlich einerseits den Vermerk
"21.12. Berufung fix" angebracht, andererseits den Fälligkeitstermin der betreffenden Abgabe als erfasst gekennzeichnet und mit ihrem Kürzel abgezeichnet. Dr. L. habe unverzüglich den Mitarbeiter Dr. S. mit der Prüfung der Angelegenheit beauftragt und ihm nach dessen Bericht über die Rechtswidrigkeit des betreffenden Bescheides auch den Auftrag zur Verfassung der Berufung erteilt.
Bereits mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 seien nicht nur die Bescheide, sondern auch der Entwurf der Berufung an die Mandanten versandt und in diesem Schreiben um "Freigabe" des Berufungsentwurfes bis spätestens 18. Dezember 2006 unter ausdrücklichem Hinweis auf die am 21. Dezember 2006 ablaufende Frist zur Einbringung der Berufung gebeten worden.
Am 14. Dezember 2006 habe Dr. L. den "gelben Erinnerungs- /Kontrollstreifen", erhalten, habe aber angesichts des bereits am 12. Dezember an die Mandanten übermittelten Entwurfes der Berufung zunächst keine weitere Veranlassung zu treffen gehabt. Am 20. Dezember 2006 habe Dr. L. den "roten Kontrollstreifen" als Hinweis auf das Fristende am 21. Dezember 2006 erhalten. Da es seitens der Klienten noch keine Nachricht zu der Berufung gegeben habe, habe er am 21. Dezember 2006 mit A. P., dem von der Beschwerdeführerin primär mit der Abwicklung der Verlassenschaft und Kooperation mit Dr. L. beauftragten Sohn der Beschwerdeführerin, telephoniert. Dieser habe die Berufung "freigegeben" und ersucht, sie einzubringen. Daraufhin habe Dr. L. die Berufung unterfertigt und sie seiner Sekretärin J. T. mit dem Auftrag zur Postaufgabe am 21. Dezember 2006 übergeben.
Dr. L. habe sich - so die Berufung weiter - nach Beginn des Dienstverhältnisses mit J.T. wiederholt (zumindest 5x) durch entsprechende Kontrollfragen an J.T. davon überzeugt, dass von ihr Erledigungen einschließlich Postaufgaben, die ihr mündlich aufgetragen worden seien, rechtzeitig durchgeführt würden. Diese Kontrollen seien vor jeweiligen Fristablauf erfolgt und hätten niemals zu irgendwelchen Beanstandungen geführt. Da es bei der seit mehr als 15 Jahren als Kanzleileiterin tätig gewesenen J.T. nicht den geringsten Anlass gegeben habe, eine Unzuverlässigkeit anzunehmen, sei es dem Parteienvertreter nicht zumutbar, selbst jene Wege und Hilfsdienste zu erbringen, für deren Besorgung er sich deren Mithilfe bediene. Daher habe er eine von ihm angeordnete Postaufgabe nicht auf tatsächliches Stattfinden kontrollieren müssen.
Zur Bescheinigung wurden der Berufung Ablichtungen aus dem händisch geführten Kanzleikalender und Ausdrucke aus dem über "Advokat" elektronisch geführten Akt beigefügt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Mai 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Vornahme von Kontrollen, ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet werden, etwa anhand der Postaufgabescheine bei rekommandierten Sendungen, werde in den Berufungsausführungen in keiner Weise dargelegt. Gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit sei das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten. Um ein über ein den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Organisationsverschulden zu vermeiden, wäre eine Kontrolle dafür erforderlich gewesen, dass abzusendende Schriftstücke auch tatsächlich kuvertiert und für die Postaufgabe vorbereitet würden. Ein derartiges Kontrollsystem sei in der Berufung nicht einmal behauptet worden.
Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen. Es sei ein Fehler der zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin J. T. vorgelegen, die es entgegen dem ausdrücklichen Auftrag unterlassen habe, die Berufung noch am 21. Dezember 2006 zur Post zu geben. Eine Veranlassung dazu habe nicht bestanden. Das mit der Berufung geschilderte umfangreiche Kontrollsystem innerhalb der Kanzlei sei geeignet, die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sicherzustellen.
Bei einem Erörterungsgespräch (§ 279 Abs. 3 BAO) vor der belangten Behörde am 23. Jänner 2008 sagte der als Zeuge geladene Dr. L. aus, es sei nicht das erste Mal gewesen, dass er seine Sekretariatsleiterin J.T. beauftragt habe, ein Schriftstück noch am Abend zur Post zu bringen, um eine Frist zu wahren. Konkret könne er sich an zwei Male erinnern. Beide Male sei dies anstandslos von J.T. erledigt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde im Wesentlichen die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren dargelegte Art des Terminüberwachungssystems in der Kanzlei der Vertreterin der Beschwerdeführer dar. Weiters stellte die belangte Behörde den "Ablauf der Ereignisse" wie im Verwaltungsverfahren von der Beschwerdeführerin geschildert dar. Insbesondere stellte sie fest, Dr. L. habe noch am 21. Dezember die Berufung unterschrieben und sie J.T. mit dem ausdrücklichen Auftrag übergeben, die Berufung noch am 21. Dezember 2006 am Postamt aufzugeben.
Rechtlich schloss die belangte Behörde nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Rechtssätzen aus der Rechtsprechung, dass das Terminüberwachungssystem in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin "funktionierte". Allerdings sei es ab dem 18. Dezember zu Verzögerungen gekommen, denen kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis zu Grunde liege. Auf Seiten der Beschwerdeführerin, vertreten durch A.P., der nicht fristgerecht auf die Aufforderung des Parteienvertreters reagiert habe, die für sie konzipierte Berufung freizugeben, sodass letztlich der Parteienvertreter von sich aus telephonische Rücksprache habe halten müssen, und andererseits durch den Parteienvertreter selbst sei es zu Verzögerungen gekommen.
Hätte vor allem die Beschwerdeführerin, die ja ein besonderes Interesse an der Einbringung der Berufung gehabt habe, zeitgerechte Schritte gesetzt, um die Berufung "freizugeben" - ein Anruf am 18. Dezember 2006 hätte genügt -, hätte nach Ansicht der belangten Behörde die Fristversäumnis verhindert werden können. Die Zeit vom 18. Dezember bis etwa vier Stunden vor Fristablauf (gerechnet bis Postschluss) ohne ersichtlichen Grund verstreichen zu lassen, bedeute ein menschliches Versehen wie das Vergessen in Kauf zu nehmen. Das Ereignis, dass die Sekretärin vergessen habe, die Berufung abzusenden, sei - gesehen aus der Kausalkette, dass die Freigabe der Berufung durch die Beschwerdeführerin erst über "Memo des Parteienvertreters" und die Abfertigung der Berufung durch den Parteienvertreter erst vier Stunden vor Fristablauf an die Sekretärin übergeben worden sei, nicht unvorhergesehen.
Das Vergessen an sich möge ein unabwendbares Ereignis sein, wenn es mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert werden könne, auch wenn sie dieses Ereignis voraussehe. A.P. habe jedoch "intrafamiliär" die Beschwerdeführerin vertreten und sei erwiesenermaßen Ansprechperson für den Parteienvertreter gewesen. A.P. habe am 12. Dezember einen ausformulierten Berufungsentwurf erhalten. Es sei davon auszugehen, dass er sich auch die fachliche Kompetenz seines Parteienvertreters habe verlassen können. Der Berufungsentwurf der letztlich in unveränderter Form als Berufung dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossen worden sei, werfe keine Fragen oder keine Unschlüssigkeiten auf, denen A.P. hätte nachgehen müssen. Der Parteienvertreter habe die Empfehlung abgegeben, sich für das Einbringen der Berufung zu entscheiden. Allein für den Entschluss "Berufung - ja - oder - nein", seien A.P. sieben Tage (vom 12. bis 18. Dezember) zur Verfügung gestanden. Die Familien des Erblassers und des Parteienvertreters stünden seit Generationen in freundschaftlichem Kontakt und A.P. hätte bei Unklarheiten ohne Weiteres bei Dr. L. rückfragen können. Es gehe immerhin um einen Erbschaftssteuerbetrag von rund 18.000 EUR, wobei die Einwendungen zur Sache selbst nicht eine anders gelöste Rechtsfrage, sondern die angespannte ökonomische Situation der gesamten Familie des Erblassers immer wieder zur Sprache gebracht hätten.
Wende man auf die Beschwerdeführerin, vertreten durch A.P., das Maß des Durchschnittsmenschen an, so sei objektiv kein Hinderungsgrund vorhanden gewesen und die Berufung wäre durch den Parteienvertreter fristgerecht eingebracht worden. In der Kausalkette habe A.P. für die Beschwerdeführerin das ausschlaggebende Ereignis gesetzt, das zur Versäumung der Berufungsfrist geführt habe. Trotz Terminsetzung von Seiten des Parteienvertreters und erst über nochmaliges Anfragen durch den Parteienvertreter habe er im letzten Moment wenige Stunden vor Ablauf der Frist die Berufung frei gegeben. Der Fristablauf durch das Vergessen der Sekretärin hätte objektiv sicherlich durch Freigabe der Berufung durch die Beschwerdeführerin, vertreten durch A.P., bis spätestens 18. Dezember verhindert werden können. Daher erübrige es sich, auf die Berufungseinwendungen bezüglich der Kontrollpflicht gegenüber Mitarbeitern einzugehen, weil die Verzögerungen in erster Linie durch die Beschwerdeführerin, vertreten durch A. P., selbst verursacht worden seien und nicht versucht worden sei, durch termingerechte Freigabe der Berufung Pannen zu verhindern, die eben im letzten Augenblick passieren könnten, auch wenn sie bisher noch nie passiert seien.
Zusammenfassend hält die belangte Behörde fest: Komme die Beschwerdeführerin der Bitte ihres Parteienvertreters, den zehn Tage vor Ablauf der Berufungsfrist fertig ausformulierten und ihr mit E-Mail zugekommenen Berufungsentwurf nach sieben Tagen freizugeben, nicht nach, sondern erfolgte dies erst auf Grund der telephonischen Rückfrage des Parteienvertreters am Nachmittag des letzten Tages der Frist, so sei dieses Nichtmelden der Beschwerdeführerin die conditio sine qua non in der Kausalkette, welche die Versäumung der Berufungsfrist ausgelöst habe: Übergehe der Parteienvertreter nach diesem Telephonat in den letzten Stunden vor Ablauf der Frist die kanzleiinternen Terminwahrungssysteme und vergesse seine Sekretärin zwischen sieben und acht Uhr abends, die Berufung zur Post zur bringen, liege kein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vor, durch welches die Partei gehindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reicht eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die Beschwerdeführerin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß §12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§ 108 bis § 110 leg. cit.) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in der vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Das der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Verschulden des Vertreters ist nach ständiger Rechtsprechung dem Verschulden des Vertretenen gleich zu halten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2007, Zl. 2007/15/0122, mwN).
Dass die Postaufgabe eines fristgebundenen Schriftstückes, etwa einer Berufung, erst am letzten Tag der Frist in der Kanzlei eines Parteienvertreters erfolgt, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kein außergewöhnliches Ereignis. Weshalb die Beschwerdeführerin daher aus dem Umstand, dass sie den ihr vom Parteienvertreter übermittelten Berufungsentwurf erst an diesem letzten Tag der Frist "freigegeben habe", ein Verschulden treffen sollte, ist nicht einsichtig. Zu beurteilen ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob das "Vergessen" der Sekretärin in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO ist.
Dabei teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde nicht, dass durch das späte "Freigeben" des Berufungsentwurfes an den Beschwerdevertreter das Vergessen der Sekretärin aus diesem Grund kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis wäre. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass § 308 Abs. 1 BAO entgegen den im angefochtenen Bescheid verwendeten Formulierungen von einem unabwendbaren oder unvorhergesehenem Ereignis spricht.
Solcher Art stellt sich die Frage, ob das Unterlassen der Postaufgabe durch die Sekretärin des Dr. L. dem Beschwerdevertreter und damit der Beschwerdeführerin zuzurechnen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung darf sich ein Vertreter mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb im Allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zur persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 99/14/0241). Es ist dem Parteienvertreter weder zumutbar, selbst jene Wege und Hilfsdienste zu erbringen, für deren Besorgung er sich der Mithilfe von Kanzleikräften bedient, noch eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe auf ihr tatsächliches Stattfinden zu kontrollieren (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003 sowie die zu dem insoweit vergleichbaren § 46 Abs. 1 VwGG ergangenen hg. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/16/0140 und vom 26. November 2003, Zl. 2003/13/0054).
Nach dem von der belangten Behörde nicht bestrittenen, von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im Beschwerdefall für die rechtzeitige Fertigstellung der Berufung bis zur Postaufgabe - auch am letzten Tag einer Berufungsfrist ist die Postaufgabe noch fristwahrend - gesorgt. Dass der Rechtsanwalt Dr. L. nicht auch noch die näheren Umstände der durch die nicht von vornherein als ungeeignet anzusehende Sekretärin vorzunehmenden Postaufgabe überwachte, sodass es zum versehentlichen Unterbleiben der Postaufgabe kam, vermag ein Verschulden des Rechtsanwaltes und damit der Vertreterin der Beschwerdeführerin nicht zu begründen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnng 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 11. März 2010
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